Am vergangenen Wochenende ist mir das Magazin Aufatmen aus dem Haus der Stiftung Christliche Medien (SCM) in die Hände gefallen. Dabei handelt es sich um eine freikirchliche Publikation, die sich aber mit Themen beschäftigt, für die mir im katholischen Umfeld tatsächlich eine Entsprechung fehlt. Ein solches Magazin in der Verkündigung einzusetzen ist sicher eine gute Idee und nachahmenswert, vor allem im Vergleich zu den meist angestaubten bzw. oft reformverliebten katholischen Publikationen auf Bistumsebene. In der aktuellen Ausgabe jedenfalls gibt es einen Artikel Liebe Katholiken in der eine Freikirchlerin sich an die Katholiken wendet und von ihren Erfahrungen mit der katholischen Kirchen und den Katholiken berichtet, Sie tut das auf eine so wertschätzende Art, dass ich dachte, dass es bestimmt nicht schlecht wäre, hierauf auch zu antworten. Ich empfehle also die Lektüre des Artikels
und natürlich diese Replik!
Liebe Freikirchler,
man möchte meine, wir das heißt Ihr als Freikirchler und ich als Vertreter der katholischen Kirche hätten uns wenig zu sagen. Zwei Richtungen des christlichen Glaubens, die sich von außen betrachtet, recht unversöhnlich gegenüberstehen, beide mit dem Anspruch, die Wahrheit zu vertreten und dabei doch mit in Teilen ganz unterschiedlichen Sichtweisen, was die Wahrheit denn sei.
Nun, wenn ich diesen Artikel schreibe, dann hat das auch damit zu tun, dass ich diese Unversöhnlichkeit eigentlich gar nicht sehe, bzw. sie nicht für notwendig erachte. Auslöser ist der Artikel von Tamara Hinz „Liebe Katholiken“, in der sie von ihren Erfahrungen mit der katholischen Kirche berichtet. Und sie tut das humorvoll und doch mit viel Respekt sowohl vor dem eigenen Glauben als auch vor der ihr noch unbekannten anderen Konfession.
Vielleicht ist meine Einstiegserläuterung hinsichtlich des Wahrheitsanspruchs auch schon eine wichtige Gemeinsamkeit: das Wissen darum, dass es eine Wahrheit gibt! Im Gegensatz zur in der Welt herrschenden Diktatur des Relativismus (ich versuche, meine Zitate vom Papst auf ein Minimum zu beschränken, aber warum soll ich lange nach Worten suchen, die ein anderer schon lange gefunden hat) erscheint mir das nicht wenig! Wir, Katholiken und Freikrichler, sind uns darüber im Klaren, dass es Gott gibt und dass er in Jesus Christus, durch den Heiligen Geist, Mensch geworden ist, dass er der Weg, die Wahrheit und das Leben ist. Wer hiervon abweicht, weicht also vom Weg ins Paradies ab und läuft Gefahr, es nicht zu erreichen. Ich denke, dieses Verständnis ist durchaus wichtig, um Gemeinsamkeiten wie auch Unterschiede besser bewerten zu können.
Aber natürlich gibt es auch Themen, die Euch Freikirchlern sauer aufstoßen müssen, und damit meine ich gar nicht so sehr den Primat des Papstes, sondern einzelne Lehren der katholischen Kirche, mit der Ihr offenbar Probleme habt.
Sprechen wir also über Marienverehrung: Frau Hinz berichtet von einem Erlebnis, das ich mal als Rosenkranzgebet identifiziert habe: maschinengewehrartiges Anrufen der Gottesmutter. Ich gebe zu, das ist für einen Außenstehenden nicht leicht einzuschätzen. Ist diese „Marienzentrierung“ nicht antichristlich in dem Sinne, dass sie von Christus ablenkt auf ein Geschöpf, auch wenn es sich dabei um die Muttergottes (von Frau Hinz richtig beschrieben: Mutter von Jesus der Gott ist = Mutter Gottes) handelt? Ja, das wäre es, wenn es nicht um etwas anderes ginge: wir Katholiken verehren Maria als diejenige, die in jedem Augenblick ihres Lebens Ja zu Gott gesagt hat, die die Schwangerschaft Jesu auf sich genommen hat, die ihn unter widrigen Umständen geboren hat, mit ihm hat fliehen müssen und die ihn letztlich bis unters Kreuz auf seinem Weg begleitet hat. Wer, wenn nicht sie, kann uns nahebringen, wie Christus eigentlich ist. Ich glaube Johannes Paul II. hat den Rosenkranz mal mit den Worten umschrieben: Christus mit den Augen Marias betrachten. So wird ein Schuh draus und die Evangelienbetrachtung erhält eine noch tiefere und doch einfachere, weil zusätzlich mütterlich-menschliche Komponente. Wer einmal den schmerzhaften Rosenkranz in dem das Leiden Jesu meditiert wird, im Angesicht seines eigenen schlafenden Kindes gebetet hat, kann vielleicht besser ermessen, was es bedeutet, wenn Simeon prophezeit Dir selbst aber wird ein Schwert durch Deine Seele dringen.
Sprechen wir über die Eucharistie, aus Eurer Sicht über das Abendmahl: ja, wir haben unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der Bedeutung und des Auftrags Jesu aus dem letzten Abendmahl. Hier nehmen wir Katholiken mal wörtlich, was Christus gesagt hat, nämlich das Brot und Wein nicht seinen Leib und sein Blut verkörpern, sondern sein Leib und sein Blut sind. Und so erfahren wir die Wandlung nicht als symbolischen Akt sondern als Vergegenwärtigung (wohlgemerkt: keine Wiederholung!) des Leidens und Auferstehens Christi und glauben daran, dass Brot und Wein, obschon chemisch unverändert, nun wesenhaft zum Leib und Blut Christi geworden sind. Und ich bitte Euch, einfach mal eine Sekunde anzunehmen, dass das wahr ist, eine Sekunde anzunehmen, dass ihr das auch glaubt: wie könnte man anders, als sich vor diesem Leib hinzuknien und ihn anzubeten?
Was verbindet mich denn nun persönlich mit den Freikirchen: zunächst mal hat mein Weg in den Glauben (man müsste sagen, zurück in den Glauben) in einer amerikanischen Freikirche in Minneapolis begonnen, in die meine Frau und mich Verwandte mitgenommen haben. Es war eigentlich eher Höflichkeit, dass wir mitgegangen sind, denn mit Gott und Christus hat uns zu der Zeit eigentlich wenig verbunden (so glaubte ich jedenfalls). Das aktive Glaubensleben dort zu erleben und die Freude an der Verkündigung haben mich damals tief beeindruckt und sahen so ganz anders aus, als alles, was ich aus meiner Kirche kannte. Wobei kannte auch zuviel gesagt ist, weil ich lange nicht mehr aktiv in meiner Kirche war. Nun sind dies aber Äußerlichkeiten, die mich am Ende nicht lange haben halten können, und nach ein paar mehr Besuchen in Freikirchen haben meine Frau und ich uns dann doch der katholischen Kirche zugewandt, in der wir uns zu Hause fühlen und die wir heute als die einzig wahre Kirche ansehen.
Also, Gemeinsamkeiten und deutliche Unterschiede. Und die Unterschiede sind in der Tat nicht leicht aus der Welt zu schaffen. Frau Hinz schlägt beispielsweise für die katholische Kirche eine Eucharistie für Katholiken und ein Abendmahl für Evangelische vor. Vielleicht war das auch nur scherzhaft gemeint, funktionieren kann das aber jedenfalls nicht: wie kann ein evangelischer Christ, davon überzeugt, dass die Anbetung des Brotes eigentlich Götzendienst ist, an einer Feier teilnehmen, in der genau das gemacht wird. Und wie kann ein Katholik an einer Feier teilnehmen, in dem das Allerheiligste nur imitiert wird? Ich fürchte, aus menschlicher Sicht gibt es da keinen gemeinsamen Weg, weil es hier keine Kompromisse geben kann. Das heißt aber nicht, dass wir uns nicht auf anderen Feldern zusammentun können. Ökumene verstehe ich in diesem Sinne eben so, die Gemeinsamkeiten zu nutzen, ohne die Unterschiede zu negieren. Gott wird dann den Rest, der an der Einheit fehlt schon besorgen!
Was sind das für Themen: ich glaube, und hier mache ich einen Unterschied zwischen Freikirchen und Evangelikalen einerseits und der offiziellen evangelischen Amtskirche andererseits, dass wir uns in Fragen der Gesellschaftsvorstellungen und der Moral sehr nahe sind. Wir sind uns beispielsweise einig in der Ablehnung der PID und der Abtreibung, wir sind uns einig in der unbedingten Zusage an das Leben, wir sind uns einig in den Vorstellungen, wie wir mit dem Nächsten umgehen sollten, wir sind uns (jedenfalls im Wesentlichen) einig darüber, was Gut ist und was Sünde und wir sind uns vor allem darüber einig, dass eine vom anderen zu unterscheiden zu müssen und die Unterschiede auch zu benennen. Und wir sind uns in unserer unbedingten Ausrichtung auf Christus einig, wenn wir auch in der Interpretation unterschiedlich unterwegs sein mögen. Ich glaube, es wäre nicht nur aus weltlicher Sicht ein Fehler sondern aus christlicher Sicht gegen den Willen Christi, mithin Sünde, wenn wir uns in den Themen, in denen wir uns über den Willen Gottes einig sind, in denen wir uns einig darüber sind, was die Wahrheit ist, nicht zusammen arbeiten. Ut unum sint damit sie eins seien, kann man auch so sehen: nur wenn wir in diesen Themen mit einer Stimme sprechen, wird die Welt diese Wahrheit in Betracht ziehen und letztlich glauben können.
Oh, und abseits von diesen theologischen Äußerungen, möchte ich noch eines zum Ausdruck bringen, was mich an allen Freikirchen bislang fasziniert hat und wo wir Katholiken definitiv lernen können und müssen: wer zu Euch kommt, wird so freudig aufgenommen wie man es sich in einem christlichen Umfeld nur wünschen kann. Dagegen erscheinen katholische Messen oft als Geschlossene Gesellschaften in denen man sich nicht wirklich angenommen fühlt kein Wunder also, wenn Versuchsbesuche in einer Messe darum oft einmalige Angelegenheiten bleiben. Christliche Gastfreundschaft und der Wille, dem Neuen zu erklären, was in dieser Messe vor sich geht, das ist bestimmt eine Aufgabe, die wir Katholiken noch vor der Brust haben und bei der wir bei Euch abschauen können. Wenn Ihr uns dann hinsichtlich der Erfahrung Christi mit allen Sinnen, also nicht nur den Ohren beim Hören der Schrift, sondern auch der Augen mit christlichen Bildern und Symbolen, der Nase mit liturgischen Düften (ja, ich meine Weihrauch) und auch musisch mit der Gestaltung der Musik in der Liturgie (nicht nur Lobpreis) etwas von uns lernt, kommen wir uns weiter nähee und unsere gegenseitige Besuche werden von noch mehr Liebe und Freundschaft geprägt sein können.
catocon
Hallo, Papsttreuer Katholik!
Habe Ihren Blog gerade über des Predigtgärtners Blogliste gefunden (http://bloggerliste.blogspot.com/). Sehr schöner Blog. Besonders Ihr rechtschaffener, gesunder Eifer und Ihre Tendenz die Dinge ehrlich und offen beim Namen zu nennen, sind löblich und heute leider selten.
Zum Artikel: Endlich einmal eine vernünftige Einlassung zur Ökumenefrage – ausgewogen und ehrlich. Es gibt Gemeinsamkeiten, und bei diesen Gemeinsamkeiten kann man zusammenarbeiten und soll es sogar. Aber es gibt auch Unterschiede, und manche dieser Unterschiede sind dogmatischer Natur – sie lassen keine Änderung und keinen Kompromiss zu!
Catocon.
Papsttreuer
Hallo Catocon,
vielen Dank für diesen Kommentar! Es freut mich, dass Ihnen Inhalt und Stil gefallen. So ein Feedback motiviert mich, weiter zu machen, auch wenn der Verbreitungsgrad meines Blogs noch nicht so riesig ist!
Markus Ging
Mir tut es echt gut, den Kommentar zum erwähnten Artikel von Tamara Hinz zu lesen. Als Freikirchler, wie es so schön heisst, gefallen mir christliche Symbole, Bilder und auch Düfte sehr gut, etwas was ab und an nicht gut bei Freikirchlern ankommt. Ich wäre kein Mensch, wenn ich alles verstehen und begreifen könnte. Zuviele Fehler begleiten mich. Und so bin ich einfach nur sehr dankbar, dass Jesus für meine Unzulänglichkeiten gelitten hat und schliesslich gestorben ist. Eine Annäherung der Christen ist möglich, wichtig und nötig. Grad in der jetzigen Zeit, grad heute. Wo sonst findet der Mensch noch wahre Werte?