Wenn ich die diversen Forderungen innerkirchlicher Kreise an die katholische Kirche sehe, die sich in ihrer Art immer wieder ähneln, teilweise auch einfach Wiederholungen alter Forderungen sind, die nicht erfüllt wurden, so stellt sich mir immer wieder auch die Frage: woher kommt eigentlich die Einschätzung Einzelner, die Wahrheit für sich gepachtet zu haben, in jedem Fall zu wissen, was das Beste in bestimmten Fragestellungen ist. Sicher kann jeder zu Themen eine Meinung haben (ich glaube ein Fußballer hat mal schön gesagt: Meinungen sind wie A
löcher, jeder hat eins), aber warum wird diese immer auch als Wahrheit verkauft. Bei den Überlegungen zu diesem Beitrag ist mir dazu aufgefallen, dass ich das Thema Wahrheit ja schon an diversen Stellen angeschnitten habe, und meine bisherigen Äußerungen meine Kritik an dem eben beschriebenen Zustand vielleicht zu widersprechen scheinen aber eben nur scheinen.
Was ich damit meine, wird vielleicht an folgendem deutlich: ich bin zum Beispiel der Ansicht, dass ich zum Geschäftsgebaren eines Unternehmens, für das ich arbeite, durchaus kritische Ansichten haben kann. Diese kann ich auch intern versuchen zur Sprache zu bringen, nach außen hin habe ich aber die Position meines Unternehmens zu vertreten. Ich kann nicht erwarten, noch lange in dem Unternehmen beschäftigt zu sein, wenn ich nach außen bspw. behaupte, das Unternehmen bzw. seine Führungskräfte handelten unethisch. Wenn ich mich dann intern nicht mit meinen Änderungsvorschlägen durchsetzen kann und mich auch nicht damit abfinden kann, mich dazu nach außen nicht kritisch äußern zu dürfen, bleibt nur, das Unternehmen zu verlassen: Love it, change it or leave it!
Ähnliches gilt auch für unsere Kirche: ich kann meine Meinung haben zu kritischen Themen, und die muss auch nicht zwingend mit der kirchlichen Lehrmeinung übereinstimmen. Zum Beispiel kann ich es für schwierig halten, wie die Kirche im Einzelfall mit wiederverheirateten Geschiedenen umgeht. Ich kann dann den manchmal mühsamen Weg beschreiten, diese Lehrmeinung, soweit sie nicht dogmatisch ist, anzupassen (ich kann das bei einem Dogma auch versuchen, der Misserfolg ist aber dann schon garantiert) change it! Wohlgemerkt handelt es sich hier um einen internen Weg: öffentliche Demonstrationen, mediale Veröffentlichungen verbieten sich hier in der Regel, zumindest dann, wenn ich den medialen Weg bewusst beschreite, um Druck auszuüben
Wenn mir das nicht gelingt, und ich mit meinem Gewissen nicht mehr vereinbaren kann, die Lehrmeinung der Kirche zu vertreten, mich nicht damit abfinden kann, dass die Kirche meiner Meinung nicht folgt, bleibt mir nichts anderes, als die Kirche zu verlassen leave it! Ich möchte damit nicht propagieren, wegen jeder Meinungsverschiedenheit mit dem Papst aus der Kirche auszutreten, es geht in meinen Augen nur um Fälle, in denen ich das Weitergehen mit der Kirche nicht mehr mit meinem Gewissen vereinbaren kann, mithin also um schwerwiegende Fälle.
Soweit ich das aber nun nicht will, sollte ich mich auch entsprechend verhalten und die Lehrmeinung der Kirche auch nach außen vertreten und zwar genau so, als wenn es meine eigene Meinung wäre love it!
Nun gerade letzteres scheint aber ein Weg zu sein, den vielen nicht akzeptieren wollen. Kann ich denn gegen meine eigene Meinung argumentieren? Ich meine: ich kann nicht nur, ich muss! Voraussetzung für dieses Können ist aber eine Einstellung, die mit einem sehr unmodernen Wort gut beschrieben wird, das heute meist nur noch mit negativem Beigeschmack formuliert wird. Übertreibungen oder Fehlinterpretationen des Wortes haben zu einer Verunglimpfung geführt, die diese wahre Tugend in der heutigen Welt diskreditiert haben: die Rede ist vom Gehorsam.
Gehorsam ist eine Folge der Liebe, wobei beim Gehorsam noch mehr als bei der Liebe, der Entscheidungscharakter im Vordergrund steht. Echte Liebe ist nicht ein Gefühl, sondern eine Entscheidung, die ich jeden Tag neu treffen muss (was noch ein anderes Thema ist, muss ich mir merken um darüber bei Gelegenheit zu schreiben). Und so ist es auch der Gehorsam: ich muss mich entscheiden, ob ich mich bestimmten Personen oder Institutionen gegenüber gehorsam verhalte oder nicht. Das wird natürlich nur dann spannend, wenn ich anderer Meinung bin oder auch einfach nur die Position des anderen nicht verstehe. Ich kann also durchaus der Lehrmeinung der Kirche in Moralfragen folgen, auch wenn ich sie nicht verstanden habe oder bei meiner Meinungsbildung zu anderen Ergebnissen gekommen bin. Dieser Gehorsam sollte dann auch das ganze Leben durchdringen, also nicht nur Meinungen sondern auch das Verhalten prägen.
Da fehlt aber vielleicht noch ein Zwischenschritt: der Gehorsam gegenüber der Kirche kann und darf nur aus einem Gehorsam Gott gegenüber erfolgen: die Kirche als Vertreterin Gottes in der Welt, wiederum vertreten durch Petrus oder eben den Papst. Was sagt nun die Kirche zu diesem Gehorsam in Glaubensfragen. Der Blick in den Katechismus hilft bei der Definition und vor allem auch mit Beispielen, die uns die Unbedingtheit des Gehorsams vor Augen führen (KKK #144 ff):
Der Glaubensgehorsam
144 Im Glauben gehorchen [ob-audire] heißt, sich dem gehörten Wort in Freiheit unterwerfen, weil dessen Wahrheit von Gott, der Wahrheit selbst, verbürgt ist. Als das Vorbild dieses Gehorsams stellt die Heilige Schrift uns Abraham vor Augen. Die Jungfrau Maria verwirklicht ihn am vollkommensten.
Abraham – ,,der Vater aller Glaubenden“
145 In seiner Lobrede auf den Glauben der Vorfahren betont der Hebräerbrief ganz besonders den Glauben Abrahams: ,,Aufgrund des Glaubens gehorchte Abraham dem Ruf, wegzuziehen in ein Land, das er zum Erbe erhalten sollte; und er zog weg, ohne zu wissen, wohin er kommen würde“ (Hebr 11, 8) [Vgl. Gen 12,1-4.]. Aufgrund des Glaubens hielt er sich als Fremder und Pilger im verheißenen Land [Vgl. Gen 23,4.] auf. Aufgrund des Glaubens empfing Sara den verheißenen Sohn. Aufgrund des Glaubens endlich brachte Abraham seinen einzigen Sohn als Opfer dar [Vgl. Hebr 11,7.].
146 Abraham verkörpert somit die Definition des Glaubens, die der Hebräerbrief vorlegt: ,,Glaube ist Feststehen in dem, was man erhofft, Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht“ (Hebr 11, 1). ,,Abraham glaubte Gott, und das wurde ihm als Gerechtigkeit angerechnet“ (Röm 4,3) [Vgl. Gen 15,6.]. Weil er ,,stark im Glauben“ war (Röm 4,20), ist Abraham ,,zum Vater aller, die … glauben“, geworden (Röm 4,11) [Vgl. Röm 4,18; Gen 15,5.].
147 Das Alte Testament ist reich an Zeugnissen solchen Glaubens. Der Hebräerbrief hält eine Lobrede auf den vorbildlichen Glauben der Vorfahren, der ihnen ,,ein ruhmvolles Zeugnis“ verschaffte (Hebr 11,2) [Vgl. Hebr 11,39.]. Doch Gott hatte ,,für uns etwas Besseres vorgesehen“ (Hebr 11,40): die Gnade, an seinen Sohn Jesus zu glauben, an den ,,Urheber und Vollender des Glaubens“ (Hebr 12,2).
Maria – ,,Selig ist die, die geglaubt hat!“
148 Die Jungfrau Maria übt den vollkommensten Glaubensgehorsam. Da sie glaubte, daß für Gott ,,nichts unmöglich“ ist (Lk 1,37) [Vgl. Gen 18,14.], nahm sie die vom Engel gebrachte Ankündigung und Verheißung im Glauben entgegen und gab ihre Einwilligung: ,,Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe nach deinem Wort“ (Lk 1,38). Elisabet begrüßte sie: ,,Selig ist die, die geglaubt hat, daß sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ“ (Lk 1,45). Um dieses Glaubens willen werden alle Geschlechter sie seligpreisen [Vgl. Lk 1,48.].
149 Während ihres ganzen Lebens, auch in ihrer letzten Prüfung [Vgl. Lk 2,35.], als Jesus, ihr Sohn, am Kreuz starb, wankte ihr Glaube nicht. Maria gab ihren Glauben, daß das Wort Gottes ,,in Erfüllung gehen wird“, nie auf. Darum verehrt die Kirche in Maria die lauterste Glaubensgestalt.
Und jetzt dürfen wir uns fragen: Würde ich mich heute wie Abraham verhalten? Würde ich wider alle Vernunft aber im Glauben an Gottes Macht und Liebe ein solches Himmelfahrtskommando starten? Würde ich wie Maria gegen meine bisherigen Vorstellungen, wie mein Leben geplant ist, Gott folgen, mit allen Gefahren, die damit für mich verbunden sind? Nun könnte man sagen: wenn Gott selbst zu mir spräche, würde ich ihm folgen aber die Kirche? Wer so argumentiert rechnet natürlich nicht mit einer expliziten Einmischung Gottes, mithin ist es eher eine Ausrede, um meinen Willen weiter durchzusetzen. Denn die Kirche ist eine Gründung Jesu, die er Petrus und in seiner Nachfolge dem Papst anvertraut hat konsequent zu Ende gedacht heißt das: der Auftrag, den ich von der Kirche für mein Leben bekomme ist auch ein Auftrag Gottes. Im Vertrauen auf die Beseeltheit des Papstes und der Bischöfe vom Heiligen Geist folge ich ihnen.
Das heißt wie gesagt nicht, dass ich mein Gewissen abschalten muss (eher im Gegenteil, das Gewissen gehört anständig ausgebildet), aber es gibt mir eine Sicherheit darüber, wie mein Verhalten auch von Gott gesehen wird: der Leiter kann irren, der Gehorsame nie! Handle ich im Gehorsam zur Kirche und im Einklang mit meinem Gewissen, werde ich vor Gott bestehen können. Das ist, was ich in diesem Zusammenhang glaube, auch wenn ich mich nicht auf den Richterstuhl Gottes setzen möchte. Stelle ich einen Widerspruch zum Gehorsam zur Kirche und meinem Gewissen fest, wird es komplizierter, aber es setzt kein Automatismus zugunsten meines Gewissens ein. Platt gesagt: der Primat der Kirche gilt auch hier: wenn mein Gewissen der Kirche widerspricht, sollte mich der Gehorsam zunächst mal dazu bringen, die Position der Kirche besser zu verstehen, in der Annahme, dass vermutlich mein Gewissen nicht ausreichend gebildet ist und die Kirche als Gründung Jesu und beseelt vom Heiligen Geist im Recht ist.
In diesem Licht erscheint eine tiefere Ursache der Krise der Kirche nicht so sehr in den dogmatischen Positionen hinsichtlich bspw. der Moralleher zu liegen sondern im mangelnden Gehorsam der Mitglieder dieser Kirche, dem Haupt der Kirche gegenüber. In einer Welt in der nur meine Meinung zählt und ich annehme, dass andere im Unrecht sein müssen (wie heißt es in der Werbung: Unterm Strich zähl ich!), glaube ich am Ende an mich selbst und wähne mich damit im Einklang mit Gott. Wiederum zu Ende gedacht heißt das aber nichts anderes als: ich mache mich selber zum Maß aller Dinge, ich mache mich selber zu Gott und wenn ich noch so sehr glaube, in seinem Sinne zu handeln und zu streiten.
In diesem Sinne mit Schiller: Mut zeiget auch der Mameluck, Gehorsam ist des Christen Schmuck (Friedrich Schiller: Der Kampf mit dem Drachen)
Anonymous
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Vorstellung aller „Neuen“ in Extra-Artikel zum 1.9.
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