Eigentlich versuche ich, in diesem Blog das Thema Politik zu umschiffen. Dies nicht deshalb, weil ich keine politische Meinung hätte, sondern weil ich der Ansicht bin, dass sich die katholische Kirche (zwischenzeitlich) aus gutem Grund mit politischen Einflussnahmen oder gar Wahlempfehlungen zurückhält. Ich glaube dagegen, dass es einem Christen in diesen Tagen ganz besonders schwerfallen dürfte, eine eindeutige Wahlentscheidung zu treffen, da es wohl keine Partei gibt, deren Wahlprogramm so gestaltet ist, dass alles mit dem christlichen Menschenbild vereinbar ist.
Nun hat sich aber dieser Tage die Bundeskanzlerin und Parteichefin der CDU, Angela Merkel, auch hinsichtlich des christlichen Profils ihrer Partei auf einem Bundesparteitag geäußert. Sie hat dabei bekräftigt, dass das christliche Menschenbild das bleibende Fundament der Partei und dieser Kompass unveränderlich sei. Allerdings verändere sich der politische Kontext und so müssten alte Antworten überprüft und ggf. neue gegeben werden. Vor diesem Hintergrund begründet die Kanzlerin diverse Richtungswechsel ihrer Partei wie den Wegfall der Wehpflicht, die Überlegungen zum Mindestlohn, den Atomausstieg, die Rettungsaktionen für den Euro etc. Das alles klingt zunächst mal recht vernünftig und genau da ist das Problem: es klingt nur so!
Wenn sich jemand auf einen konstanten Kompass setzt und sich andererseits zu Richtungswechseln entschließt, ist es so meine ich an der Zeit, den beschriebenen Politikansatz in sich zu überprüfen. Kann ich um im Bild zu bleiben den Norden mit gleichem Kompass in einer anderen Richtung suchen als früher? Mir geht es dabei wiederum nicht um die einzelnen Fragestellungen und die Richtigkeit der Antworten sondern um das dahinterstehende Prinzip.
Meine These: Pragmatismus einerseits und christlicher Glaube sowie (daraus abgeleitete) politische Überzeugungen passen kaum zusammen, bzw. sind in Kombination mit Vorsicht zu genießen. So definiert z.B. Wikipedia den Begriff Pragmatismus wie folgt:
Der Ausdruck Pragmatismus (von griech. pragma Handlung, Sache) bezeichnet umgangssprachlich ein Verhalten oder Handlungen, die sich nach den bekannten Gegebenheiten richten, und auf eine theoretische Analyse und genaue Begründung der Wirkungen verzichtet. Pragmatisches Handeln ist nicht an unveränderliche Prinzipien gebunden. [ ] Dem Pragmatismus zufolge sind es die praktischen Konsequenzen und Wirkungen einer lebensweltlichen Handlung, welche bestimmen, was die Bedeutung oder die Wahrheit von Begriffen, Aussagen und Meinungen ausmacht
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Anders ausgedrückt negiert die Haltung des Pragmatismus, den die Kanzlerin an den Tag legt, das grundsätzliche Vorhandensein von Wahrheit und entspricht damit in keiner Weise einem religiösen, geschweige denn christlichen Weltbild. Gegen Überzeugungen und Prinzipien stellen sich im Pragmatismus Nützlichkeitserwägungen und abwägungen. Hat sich diese Sichtweise erst einmal Bahn gebrochen wird auch in der Politik die sogenannte Gewissensentscheidung ersetzt durch die Frage nach dem größtmöglichen Nutzen, meist reduziert auf den weltlichen Nutzen. Wenn bei der Diskussion um die Eurorettung eine konträre, mit dem Gewissen begründete Haltung eines CDU-Politikers mit dem Kommentar des Kanzleramtministers Lass mich mit so einer Sch in Ruhe. quittiert wird, macht das die ganze Dramatik und Widersprüchlichkeit zwischen Pragmatismus und dem Gewissen, letztlich zwischen Pragmatismus und christlichem Weltbild deutlich.
Man könnte nun begründen, auch Gewissensentscheidungen seien letztlich Nützlichkeitserwägungen, es besteht aber ein wesentlicher Unterschied: die Parameter zur Beurteilung einer Handlung kommen beim Gewissen quasi (theologisch nicht hundertprozentig) von außen, sind dem Menschen göttlich vorgegeben und von ihm verinnerlicht (so die katholische Sicht auf das Gewissen), während die Parameter des Pragmatismus ganz subjektive und zeitabhängig veränderbare sind. Einfaches Beispiel ist die Embryonenforschung: die Nützlichkeit einer angenommenen zukünftigen Krankheitsbekämpfung steht gegen das Lebensrecht der betroffenen Embryos. Wenn es nur das wäre, könnte man in der Tat sogar noch von einer Gewissensentscheidung sprechen. Im Pragmatismus mischen sich solche Argumente aber eben auch mit ganz praktischen wie Mehrheitsfindungen, Karriereüberlegungen etc. Die Wahrheit bleibt dabei notwendigerweise auf der Strecke.
Nun ist nicht jede politische Frage eine Frage der grundsätzlichen, göttlichen Wahrheit, und möglicherweise sind die oben genannten Themen genau solche, die unter neuen Gesichtspunkten auch neue Antworten erlauben. So kann sich aufgrund neuer Erkenntnisse die Einschätzung zur Kernenergie durchaus ändern und einen das Gewissen verpflichten, sich gegen die friedliche Nutzung der Atomkraft zu entscheiden obwohl man vorher noch eine andere Position vertreten hat.
Wird aber der Pragmatismus zum leitenden Prinzip (wenn man es denn so nennen will), dem sich die bisherigen Überzeugungen, Prinzipien, Weltbilder unterzuordnen haben, ist Gefahr im Verzug. Dann ist jede, auch eine dem christlichen Weltbild entgegenstehende Entscheidung, begründbar und das Gewissen wird mehr und mehr ausgehöhlt. Der Glaube an Gott, der Anruf Gottes an unser Gewissen, muss in jeder Situation vor die wir gestellt werden, Maxime unseres Handelns sein nur dann können wir (soweit es uns als Menschen gelingt) sichergehen, wirklich gut zu handeln – egal ob in der Politik oder im täglichen Leben!