Das Thema heute ist ein bisschen heikel, rührt es doch an die Grundfesten eines nennen wir es mal so säkularen Glaubens, eines Glaubens, der nichts von Gott weiß, noch weniger von Jesus oder seinem Evangelium, von der Lehre der Kirche ganz zu schweigen. Dieser Glaube nimmt alles als richtig und normal an, bei dem sich zumindest eine nicht unerhebliche Minderheit wohl fühlt. Insofern dieses Wohlfühlen nach diesem Kriterium zulässig ist (was es von ganz wenigen Ausnahmen, die einen erheblichen Bruch mit dem Common Sense darstellen, wie bspw. das Quälen von Tieren zum eigenen Lustgewinn, wohl ist), besteht in diesem säkularen Glauben das Dogma, dass auf dieses Wohlfühlen auch ein Anrecht besteht. Umgekehrt ist das Vorenthalten dieses Wohlfühlens eine Diskriminierung des Gläubigen, das Für-schlecht-halten eine Häresie gegen den säkularen Glauben.
Nehmen wir das Thema Suizid: der säkulare Glaube postuliert, dass der Mensch frei ist, frei auch in der Entscheidung über sein Leben und insbesondere über das Ende des Lebens. Für den Gläubigen Säkularen ist daher ein unplanmäßiger Tod zwar manchmal unvermeidbar aber doch ein Affront gegen sein Weltverständnis, resultierend aus einem Eingriff von außen, durch andere Menschen oder die Natur. So hängt er also dem Glauben an, dass er seinen eigenen Tod zumindest in der Form herbeizuführen berechtigt ist, dass er die maximale Kontrolle behält, wozu auch die eingeforderte Unterstützung von Ärzten oder Freunden und Verwandten zählt. Versucht man mit dem Konzept eines Gottes dagegenzuhalten, der uns das Leben geschenkt hat und demgegenüber wir für unser Leben Verantwortung tragen, zu dem auch ein Leiden und der Tod selbst dazugehört, wird man der Unmenschlichkeit geziehen, da man doch die letzte Freiheit des Sterbewilligen einzuschränken gedächte. Postulat: Wenn der Tod zum meinem Wohlfühlen (oder Verhinderung des Schlechtfühlens) notwendig ist, dann bin ich berechtigt, dann muss ich notfalls berechtigt und in die Lage versetzt werden, ihn herbeizuführen!
Nehmen wir das Thema Abtreibung: der säkulare Glaube postuliert auch hier, dass der Mensch frei sei und Entscheidungen über sein Leben nur ihn beträfen, sich niemand anders einmischen dürfte. Wenn also jemand sein Leben trotz einer Schwangerschaft wie gewohnt weiterführen will, weil er sich damit doch so wohl fühlt, steht das neue Leben diesem Wunsch entgegen. Mit dem kleinen Trick, bei dem gezeugten Kind nicht von Leben oder von einem Menschen sondern von entstehendem Leben oder wahlweise Embryo, Zellhaufen oder sonst was zu sprechen, kann man sich dieses Widerstandes, der sich ja selbst nicht artikulieren kann, auf für den säkular Gläubigen elegante Weise entledigen. Stellt nun eine Gruppe von Lebensschützern sich diesem Anspruch auf Selbstverwirklichung auf Kosten eines gezeugten Kindes entgegen, wird ihnen ebenfalls die Einschränkung der Freiheit, insbesondere die Einschränkung der Freiheit der Mutter (nicht der werdenden Mutter, das war sie vor dem Zeugungsakt) aus niederen (genannt werden oft patriarchalische, völkische oder faschistische) Beweggründen vorgeworfen. Postulat: Wenn ein noch nicht geborenes Kind meinem Wohlfühlen entgegensteht, dann bin ich berechtigt, dann muss ich notfalls berechtigt und in die Lage versetzt werden, das Leben dieses Kindes zu beenden!
In dieses Konzept passt da sie eine andere Macht als das Individuum und die (dem Individuum dienende) Gesellschaft postuliert ein Glaube an einen personalen Gott, mithin der katholische Glaube nicht hinein. Dieser Glaube verweist auch auf die Freiheit und Selbstverantwortung des Menschen, sieht ihn aber in Verantwortung sowohl vor anderen, besonders aber, und grundlegend für diese Verantwortung, in der Verantwortung vor Gott. Damit kommt nicht nur eine ich-fremde Instanz ins Spiel, diese Instanz stellt auch noch Regeln auf, die dem akuten Wohlbefinden möglicherweise im Wege stehen (siehe zu den Themen oben die Ablehnung von Suizid oder Abtreibung, oder positiv ausgedrückt, die Annahme des menschlichen Lebens).
Eine demokratisch organisierte Gesellschaft muss nun beiden gerecht werden, den Gottgläubigen und den säkular Gläubigen, und da tun sich schon mal Differenzen auf. Wenn sich ein Staat so aufstellt, dass er bezüglich Glaubensfragen Neutralität wahren will, dann wird ihm an manchen Stellen eine Positionsfindung aber abgerungen: Wer Sterbehilfe staatlicherseits erlauben oder gar unterstützen will oder Abtreibungen ermöglicht, der stellt sich auf die Seite des säkularen Glaubens und kann nicht mehr Neutralität für sich in Anspruch nehmen. Gleiches gilt natürlich auch für einen vorgeblich neutralen Staat, der sich gegen Suizid und für ein unbedingtes Lebensrecht ungeborener Kinder ausspricht. Es gibt Fragen, denen man sich nicht durch Neutralität entziehen kann, und Glaubensfragen gehören dazu.
Außerhalb der staatlichen Eingriffsmöglichkeiten wird das ebenfalls konfliktbeladen. Nehmen wir dazu den aktuellen Fall eines Kindes atheistischer (so wird das jedenfalls in der Presse dargestellt, ich bitte um Entschuldigung, wenn ich da falsch liege) Eltern, die von einer katholischen Friedhofsverwaltung (vertreten durch den Kirchenvorstand der ansässigen katholischen Gemeinde, in der Presse abgekürzt als die katholische Kirche identifiziert) verlangen, ihren verstorbenen Sohn nicht nur auf diesem Friedhof zu begraben sondern auch glaubensfremde Symboliken (einen Fußball und ein Vereinsemblem) für den Grabstein zu verwenden, weil der Junge das so gewünscht hätte. Ich weiß schon, das Thema, der konkrete und immer tragische Tod eines Kindes eignet sich nicht für Polemiken, dennoch glaube ich, dass die obige Einleitung zu dem Thema notwendig war. Wer den beschriebenen Fall in der Presse verfolgt hat, stellt nämlich fest, dass es dabei nicht mehr nur um den tragischen Tod eines Kindes und seines kindlichen Wunsches auf dem Sterbebett oder um die Trauerarbeit der Eltern geht. Zwischenzeitlich geht es darum, dass die Kirche dem tragisch verstorbenen Jungen (und seinen trauernden Eltern) einen letzten Wunsch verweigern will mit dem Hinweis auf so unkonkrete oder bürokratische Dinge wie Glauben, Tradition und darauf fußender Friedhofsordnung (zwischenzeitlich hat man sich wohl unter den Parteien geeinigt, der Presseflurschaden ist aber bereits entstanden). Wenn man dann und leider muss man das bei aller Tragik der Situation als Außenstehender und sollte das auch die Presse tun den Fall abstrahiert, stellt sich die Frage, ob der Wunsch des Jungen und der Eltern eigentlich legitim ist? Und darüber hinaus: Ob man den Wunsch des verstorbenen Jungen respektieren muss? In dem betreffenden Fall ging es nur um einen Fußballverein (und den Hinweis auf eine Echte Liebe, die wohl kaum einer göttlichen Liebe entsprechen kann), aber was, wenn jemand, ob Kind oder Erwachsener, andere Hobbys auf seinem Grabstein verewigt sehen möchte? Oder ein Unternehmen wie Coca-Cola, weil das jemand so gerne getrunken hat? Jack Daniels oder Johnny Walker? Oder eine politische Partei, womöglich eine, die nicht dem demokratischen Konsens entspricht? Natürlich, in dem konkreten Fall geht es nicht um diese Art von Auswüchsen, aber der Wunsch, der hier an die Kirche herangetragen wurde, ist eben auch ein Auswuchs: auf einem katholischen Friedhof ein Begräbnis ohne katholischen Glaubensbezug aber mit säkularen Symbolen durchzuführen, das weitet die verlangte Toleranz über die Maße aus.
Die Vehemenz, mit der dieser Wunsch vorgetragen und in der Presse verteidigt wurde, führt mich aber zu einer Erweiterung meines Modells des säkularen Glaubens: das einzige, was den Säkularismus dieses Glaubens aufzubrechen vermag ist der Tod selbst! Er bleibt ein Mysterium, vor dessen Deutung säkular Gläubige, die eben nicht Atheisten und überzeugt davon sind, dass danach nichts mehr kommt, zurückschrecken und ihm gleichzeitig und auf diesem Weg den Nimbus des Göttlichen verleihen. So wird der Tod letztlich gesteuert, künstlich herbeigeführt und nur scheinbar widersinnig glorifiziert. Hätte der für die Einhaltung der Friedhofsordnung zuständige Kirchenvorstand entschieden, dass der Junge (ungetauft und nicht im Glauben erzogen) auf dem katholischen Friedhof nicht beerdigt werden dürfte sondern auf einem städtischen Friedhof, wäre der Aufschrei wohl geringer gewesen als durch die Forderung, dass zumindest sein Begräbnis mit einem Glaubenakt einhergehen sollte.
Ich kann nicht beurteilen, ob der betreffende Kirchenvorstand die oben beschrieben Überlegungen angestrengt oder nur aufgrund einer Verordnung entschieden hat. Ich kann nicht beurteilen, wie der örtliche Pastor mit dem Thema im Hinblick auf die Betreuung der Familie umgegangen ist. Ich kann nur hoffen, dass man die Eltern in ihrer Trauer ernst genommen hat, mit der besonders säkular Gläubige oft einfach überfordert sind. Ich vermute auch, dass das Thema ohne den Aufschrei der Mainstreampresse wesentlich unaufgeregter hätte einvernehmlich geregelt werden können. Aber neben diesem ganz konkreten Fall (und gerade in diesen Fällen ist wohl jeder anders) ist es eine generelle Entwicklung, die dort sehr prägnant zum Ausdruck kommt, und auf die katholische Gläubige ein fundierte Antwort geben müssen, auch wenn die im Zweifelsfall auch wie ein Nein auf einen verständlichen Wunsch klingt, wo sie doch aber ein Ja zu Gott und den wirklichen menschlichen Wünschen ist, die immer auf Gott gerichtet sind.
Cinderella01
Super-Artikel und sehr gut zusammengefasst.
Das Atheisten-Kind auf dem katholischen Friedhof hat es jetzt sogar schon in die FAZ geschafft, außerdem in mehrere TV-Sendungen (u.a. WDR, auf YouTube abrufbar, sowie SAT1 und RTL), katholisch.de hat Gott sei Dank die Pöbel-Artikel der doch so guten Menschen auf seiner Facebook-Seite stehen lassen und der Vater bedankt sich auf seiner Facebook Seite artig für die große Unterstützung. Das arme Kind, das nicht getauft wurde und von seinen Eltern bis zum „geht nicht mehr“indoktriniert wurde (das ganze Haus ist voller Fußballembleme – s.WDR-Film) wird in seinem derzeitigen Dasein vergeblich auf die Gebete seiner Eltern und deren 6000 Facebook-Freunde hoffen. Aber vielleicht erbarmt sich die katholische Gemeinde, die vom Facebook-Mob und den Krawall-Medien so übel diffamiert wurde und betet für das Kind, das jetzt ohnehin keinen Fußball mehr braucht.
Papsttreuer
Vielen Dank für diesen Kommentar, der meinen Beitrag komplettiert mit dem Aufruf zum Gebet für den verstorbenen Jungen, den wir furchtlos der Barmherzigkeit Gottes anvertrauen können!