Ich muss zugeben, dieses zweite Kapitel der Enzyklika ist mein Lieblingsabschnitt. Ich meine auch zu bemerken, dass dieser Teil unserem emeritierten Papst ebenfalls besonders am Herzen liegt, einmal weil es der vom Umgang her den Schwerpunkt der Enzyklika bildet, aber auch weil das Thema Glauben & Wahrheit bzw. Glauben & Vernunft unserem Papst so wichtig ist. Ich war daher versucht, einfach den kompletten Text hier hineinzukopieren was soll ich denn zu dem schreiben, was Papst Benedikt XVI. und Papst Franziskus zum Leib-und-Magen-Thema des emeritierten Papstes veröffentlichen, besser als deren Worte kann ich ganz sicher nicht formulieren. Trotzdem werde ich den Versuch unternehmen, ein paar Schwerpunkte dieses Kapitels darzustellen.
Glaube und Wahrheit
Die Frage, ob denn das, was uns der Glaube sagt auch die Wahrheit ist, es überhaupt sein kann, und ob es so etwas wie eine über das Subjektive hinausgehende Wahrheit überhaupt gibt, zieht sich durch das gesamte Kapitel, dessen Grundlagen im ersten Abschnitt gelegt werden. Ist es vernünftig zu glauben? Der Papst bejaht diese Frage aus dem Glauben heraus:^
Weil Gott verlässlich ist, ist es vernünftig, an ihn zu glauben, die eigene Sicherheit auf sein Wort zu bauen. [ ] Die Sicherheit, die Jesaja dem König [Ahas, der vor der Frage steht, ein Bündnis mit dem assyrischen Reich einzugehen um übermächtigen Feinden begegnen zu können] verspricht, kommt nämlich durch das Verstehen des Handelns Gottes und der Einheit, die dieser dem Leben des Menschen und der Geschichte des Volkes verleiht. Der Prophet fordert dazu auf, die Wege des Herrn zu verstehen, indem man in der Treue Gottes den Plan der Weisheit findet, der die Zeiten lenkt.
Wer glaubt, der weiß, dass Gott verlässlich ist, er erfüllt seine Versprechen und es wäre insofern negativ formuliert unvernünftig, ihm nicht zu glauben. Gott spricht die Wahrheit und dieser Wahrheit kann man sich anvertrauen, denn sie ist eben verlässlich. Und diese Verlässlichkeit, diese Wahrheit ist es, die der Mensch auf der Suche nach Halt im Leben benötigt. Insofern ist es aber notwendig, dass der Glaube tatsächlich die Wahrheit anbietet, das er sonst nur ein rein subjektives Gefühl wäre, nicht in der Lage, Sicherheit zu geben:
Der Mensch braucht Erkenntnis, er braucht Wahrheit, denn ohne sie hat er keinen Halt, kommt er nicht voran. Glaube ohne Wahrheit rettet nicht, gibt unseren Schritten keine Sicherheit. Er bleibt ein schönes Märchen, die Projektion unserer Sehnsucht nach Glück, etwas, das uns nur in dem Maß befriedigt, in dem wir uns Illusionen hingeben wollen. Oder er reduziert sich auf ein schönes Gefühl, das tröstet und wärmt, doch dem Wechsel unserer Stimmung und der Veränderlichkeit der Zeiten unterworfen ist und einem beständigen Weg im Leben keinen Halt zu bieten vermag. Wenn der Glaube so wäre, hätte der König Ahas Recht, sein Leben und die Sicherheit seines Reiches nicht auf eine Gefühlsregung zu setzen. Aber gerade durch seine innere Verbindung mit der Wahrheit ist der Glaube fähig, ein neues Licht zu bieten, das den Berechnungen des Königs überlegen ist, weil es weiter sieht, denn es versteht das Handeln Gottes, der seinem Bund und seinen Verheißungen treu ist.
Dem steht heute entgegen, dass wir meinen, wahr sei nur, was sich messen oder im Sinne eines Experiments bestätigen lasse. Diese experimentellen Wahrheit wird noch die Wahrheit des Einzelnen gegenübergestellt, die rein subjektiv ist und keinen Anspruch auf universelle Wahrheit erheben kann. In der Befürchtung, dass ein derartiger universeller Anspruch von Wahrheit in totalitäre Systeme mündet, die versuchen, eine Weltanschauung aufzudrängen, lehnt man sie ab und verbleibt notwendigerweise in einem Relativismus in dem die Frage nach der universalen Wahrheit, die im Grunde auch die Frage nach Gott ist, nicht mehr interessiert.:
Aus dieser Sicht ist es logisch, dass man die Verbindung der Religion mit der Wahrheit lösen möchte, denn diese Verknüpfung stehe an der Wurzel des Fanatismus, der alle überwältigen will, die die eigenen Überzeugungen nicht teilen. Wir können in diesem Zusammenhang von einer großen Vergessenheit in unserer heutigen Welt sprechen. Die Frage nach der Wahrheit ist nämlich eine Frage der Erinnerung, einer tiefen Erinnerung, denn sie wendet sich an etwas, das uns vorausgeht, und auf diese Weise kann sie uns jenseits unseres kleinen und begrenzten Ich vereinen. Es ist eine Frage nach dem Ursprung von allem, in dessen Licht man das Ziel und so auch den Sinn des gemeinsamen Weges sehen kann.
Für den, für den die Evangelisierung ein Herzensanliegen ist, tut sich hier eine der größten Schwierigkeiten auf: es ist nicht so, dass der eigene Glaube abgelehnt wird, es wird ihm aber der universelle Wahrheitsgehalt abgesprochen. Wer darauf beharrt, die Wahrheit zu sprechen, muss dagegen mit Ablehnung rechnen, er wird unversehens unter die Fanatiker gerechnet.
Die Erkenntnis der Wahrheit und die Liebe
Die Antwort auf die Frage, wie der Glaube, unser christlicher Glaube dem begegnen kann, liegt in einer dem einen oder anderen vielleicht unbedeutend erscheinenden Unterscheidung von den gefürchteten Totalitarismen: in der Liebe!
Der Glaube verwandelt den ganzen Menschen, eben insofern er sich der Liebe öffnet. In dieser Verflechtung des Glaubens mit der Liebe versteht man die dem Glauben eigene Gestalt der Erkenntnis, seine Überzeugungskraft und seine Fähigkeit, unsere Schritte zu erhellen. Der Glaube erkennt, weil er an die Liebe gebunden ist, weil die Liebe selber Licht bringt. Das Glaubensverständnis beginnt, wenn wir die große Liebe Gottes empfangen, die uns innerlich verwandelt und uns neue Augen schenkt, die Wirklichkeit zu sehen.
Für mich ist das ein Kern der Botschaft dieser Enzyklika über die Wahrheit: die taugt nichts, nein, sie ist nicht Wahrheit, wenn sie nicht mit Liebe einhergeht! Auch das ist etwas, was heute kaum verstanden wird oder werden kann: wie kann denn etwas so unbeständiges wie die Liebe zu einer Grundlage einer angeblich universellen Wahrheit sein?
Aber ist das wirklich eine angemessene Beschreibung der Liebe? In Wirklichkeit kann die Liebe nicht auf ein Gefühl reduziert werden, das kommt und geht. Sie berührt zwar unser Gefühlsleben, doch um es für den geliebten Menschen zu öffnen und so einen Weg zu ihm zu beginnen, d. h. aus der Verschlossenheit in das eigene Ich heraus- und auf den anderen zuzugehen, um eine dauerhafte Beziehung aufzubauen. Die Liebe trachtet nach der Einheit mit dem geliebten Menschen. So stellt sich heraus, in welchem Sinn die Liebe der Wahrheit bedarf. Nur insofern sie auf Wahrheit gegründet ist, kann die Liebe in der Zeit fortbestehen, den flüchtigen Augenblick überstehen und unerschütterlich bleiben, um einen gemeinsamen Weg zu stützen. Wenn die Liebe keinen Bezug zur Wahrheit hat, ist sie den Gefühlen unterworfen und übersteht nicht die Prüfung der Zeit. Die wahre Liebe vereint hingegen alle Elemente unserer Person und wird zu einem neuen Licht auf ein großes und erfülltes Leben hin. Ohne Wahrheit kann die Liebe keine feste Bindung geben, vermag sie das Ich nicht über seine Isoliertheit hinauszuführen, noch es von dem flüchtigen Augenblick zu befreien, damit es das Leben aufbaut und Frucht bringt.
Es erscheint dem einen oder anderen vielleicht unromantisch und dennoch ist es einsichtig, vor allem, wenn man es umkehrt: eine Liebe, egal ob zu Ehefrau bzw. Ehemann, zur Familie, zu Freunden, zu den Menschen, ist nicht beständig, wenn sie auf Unwahrheit, auf einer Lüge beruht. Die Liebe bedarf der Wahrheit, weil sie ansonsten eben keinen Bestand haben wird, sie wird dann zu diesem Abklatsch von Liebe, die heute vielfach als Bild der Liebe propagiert wird: eine Beziehung auf Zeit, in gegenseitigem Einvernehmen, aber auch jederzeit wieder lösbar. Umgekehrt braucht aber für die Romantiker unter den Lesern vielleicht ein versöhnlicher Aspekt die Wahrheit nach den Worten des Papstes auch der Liebe, gemeinsam erst ergeben sie ein rechtes Bild der Welt und ein rechtes Bild von Gott, wenn eine fehlt bleibt das Bild unvollständig
Ohne Liebe wird die Wahrheit kalt, unpersönlich und erdrückend für das konkrete Leben des Menschen. Die Wahrheit, die wir suchen, jene, die unseren Schritten Sinn verleiht, erleuchtet uns, wenn wir von der Liebe berührt sind. Wer liebt, begreift, dass die Liebe eine Erfahrung der Wahrheit ist, dass sie selbst unsere Augen öffnet, um die ganze Wirklichkeit in neuer Weise zu sehen, in Einheit mit dem geliebten Menschen. [ ] Wilhelm von Saint Thierry folgt im Mittelalter dieser Überlieferung, als er einen Vers aus dem Hohelied kommentiert, in dem der Geliebte zur Geliebten sagt: Augen der Taube sind deine Augen (vgl. Hld 1,15). Diese beiden Augen, erklärt Wilhelm, sind die glaubende Vernunft und die Liebe, die ein einziges Auge werden, um zur Schau Gottes zu gelangen, wenn der Verstand zum »Verstand einer erleuchteten Liebe« wird.
Der Glaube als Hören und Sehen
Im folgenden Absatz erläutert der Papst die unterschiedlichen Bilder, die für den Erkenntnisgewinn häufig benutzt werden. Dazu gehört das Hören, das in dem Sinne zu verstehen ist, dass uns Gott sein Wort bietet, dem wir glauben können. Der Glaube kommt vom Hören schreibt so der Apostel Paulus, wobei das Hören des Wortes eine persönliche Erkenntnis nach sich zieht.
Dem gegenüber steht das Sehen als das eigene Erleben der Wahrheit, die Erkenntnis die sich aus unseren eigenen Erfahrungen nährt. Das stellt aber keinen Gegensatz dar sondern, vielleicht analog zu Wahrheit und Liebe, eine gegenseitige Ergänzung dar:
Das Hören bestätigt die persönliche Berufung und den Gehorsam wie auch die Tatsache, dass die Wahrheit sich in der Zeit offenbart; das Sehen bietet die volle Sicht des gesamten Weges und erlaubt, sich in den großen Plan Gottes einzureihen; ohne diese Sicht würden wir nur über vereinzelte Fragmente eines unbekannten Ganzen verfügen.
Interessanterweise finden sich diese vielleicht theoretisch anmutenden Erläuterungen auch in der Bibel in einem Wechselspiel zwischen Hören, Sehen und Glauben wieder, wie der Papst anhand von Beispielen, bei denen das Sehen dem Glauben vorausgeht (die Auferweckung des Lazarus, die die Menschen zum glauben bringt) oder ihm folgt (Wenn du glaubst, wirst du die Herrlichkeit Gottes sehen Joh 11,40), erläutert.
Beides zusammen, Hören und Sehen, die zum Glauben führen, finden sich nun in Jesus Christus wieder, dem fleischgewordenen (man könnte auch sagen, sichtbar gewordenen) Wort!
Das Licht des Glaubens ist das eines Angesichts, in dem man den Vater sieht. Tatsächlich ist im vierten Evangelium die Wahrheit, die der Glaube erfasst, die Offenbarung des Vaters im Sohn, in seinem Leib und in seinen irdischen Werken eine Wahrheit, die man als das gelichtete Leben“ Jesu definieren kann. Das bedeutet, dass die Glaubenserkenntnis uns nicht einlädt, eine rein innere Wahrheit anzusehen. Die Wahrheit, die der Glaube uns erschließt, ist eine Wahrheit, die auf die Begegnung mit Christus ausgerichtet ist, auf die Betrachtung seines Lebens, auf die Wahrnehmung seiner Gegenwart.
Zuletzt kommt noch ein weiterer Sinneseindruck zum Hören und Sehen hinzu: das Gefühl, berührt zu werden. Hierin münden die Erkenntnisse aus Hören und Sehen, sie berühren unser Herz und nicht minder wichtig das Berühren unterstützt ebenso den Glauben:
Was wir gehört haben, was wir mit unseren Augen gesehen, was wir geschaut und was unsere Hände angefasst haben, das verkünden wir: das Wort des Lebens (1 Joh 1,1). Mit seiner Inkarnation, mit seinem Kommen in unsere Mitte hat Jesus uns berührt, und durch die Sakramente berührt er uns auch heute. Auf diese Weise, indem er unser Herz verwandelte, hat er uns ermöglicht und ermöglicht er uns weiterhin, ihn als Sohn Gottes zu erkennen und zu bekennen. Mit dem Glauben können wir ihn berühren und die Macht seiner Gnade empfangen.
Der Dialog zwischen Glaube und Vernunft
Bis hierher sollte klar geworden sein, dass es den vermeintlichen Gegensatz zwischen Glaube und Wahrheit nicht gibt, sich der Glaube selbst in all den Bereichen erklärt, die gemeinhin der Wahrheit im Sinne einer wissenschaftlichen Bestätigung vorbehalten werden. Im Gegenteil wird deutlich, dass der Glaube und Vernunft sich gegenseitig befruchten können, sich nötigenfalls in die Schranken weisen, meist aber den jeweils anderen Horizont erweitern. Unmittelbar ist den meisten einsichtig, warum der Glaube sich an den Erkenntnissen der Vernunft messen muss. In diesem Abschnitt erläutert der Papst aber auch, wie der Glaube für die Vernunft hilfreich sein kann und dem wie es der Papst schreibt dem Gemeinwohl dient und da sie mit der Liebe gemein ist nicht in einem totalitären Anspruch mündet:
Das dem Glauben eigene Licht der Liebe kann die Fragen unserer Zeit über die Wahrheit erhellen. Heute wird die Wahrheit oft auf eine subjektive Authentizität des Einzelnen reduziert, die nur für das individuelle Leben gilt. Eine allgemeine Wahrheit macht uns Angst, weil wir sie mit dem unnachgiebigen Zwang der Totalitarismen identifizieren. Wenn es sich aber bei der Wahrheit um die Wahrheit der Liebe handelt, wenn es die Wahrheit ist, die sich in der persönlichen Begegnung mit dem Anderen und den anderen erschließt, dann ist sie aus der Verschlossenheit in den Einzelnen befreit und kann Teil des Gemeinwohls sein. Da sie die Wahrheit einer Liebe ist, ist sie nicht eine Wahrheit, die sich mit Gewalt durchsetzt, eine Wahrheit, die den Einzelnen erdrückt. Da sie aus der Liebe hervorgeht, kann sie das Herz, die persönliche Mitte jedes Menschen erreichen. So wird deutlich, dass der Glaube nicht unnachgiebig ist, sondern im Miteinander wächst, das den anderen respektiert. Der Gläubige ist nicht arrogant; im Gegenteil, die Wahrheit lässt ihn demütig werden, da er weiß, dass nicht wir sie besitzen, sondern vielmehr sie es ist, die uns umfängt und uns besitzt. Weit davon entfernt, uns zu verhärten, bringt uns die Glaubensgewissheit in Bewegung und ermöglicht das Zeugnis und den Dialog mit allen.
Daneben wird auch deutlich, dass sich Glaube und Vernunft sich nicht nur nicht widersprechen sondern der Glaube auch der Vernunft einen erweiterten Horizont verleiht. Ist erst einmal bewusst, dass der Glaube die Wahrheit in Liebe verkündet, dann werden Differenzen schnell geklärt sein, die scheinbaren Widersprüche aufgelöst. Und so wie sich der Glauben an der Vernunft messen lassen muss und messen lässt, so ist es auch an der Vernunft, den Glauben und Glaubenserkenntnisse einzubinden:
So erwächst dem Blick der Wissenschaft ein Nutzen aus dem Glauben: Dieser lädt den Wissenschaftler ein, für die Wirklichkeit in all ihrem unerschöpflichen Reichtum offen zu bleiben. Der Glaube ruft das kritische Bewusstsein wach, insofern er die Forschung daran hindert, sich in ihren Formeln zu gefallen, und ihr zu begreifen hilft, dass die Natur diese immer übersteigt. Indem er zum Staunen angesichts des Geheimnisses der Schöpfung einlädt, weitet der Glaube die Horizonte der Vernunft, um die Welt, die sich der wissenschaftlichen Forschung erschließt, besser zu durchleuchten.
Der Glaube und die Suche nach Gott
Einen interessanten Aspekt stellt auch die Frage nach, wie es sich denn mit denjenigen verhält, die nach Gott suchen, aber noch nicht an ihn glauben, das heißt, in ihrem Inneren auf der Suche sind, egal welcher Religion sie angehören. Der Papst erläutert, dass die Suche nach Wahrheit, die Suche nach der Liebe und die Suche nach Gott von Gott tatsächlich man könnte sagen honoriert werden, indem den Suchenden ein Blick auf das Licht Gottes gestattet wird. Gott entzieht sich nicht den Menschen, die nicht an ihn glauben sondern offenbart sich ihnen auf ihnen gemäße Weise:
Der religiöse Mensch versucht, die Zeichen Gottes in den täglichen Erfahrungen seines Lebens zu erkennen, im Kreislauf der Jahreszeiten, in der Fruchtbarkeit der Erde und in der ganzen Bewegung des Kosmos. Gott ist lichtvoll und kann auch von denen gefunden werden, die ihn mit aufrichtigem Herzen suchen.
Dem liegt die Überzeugung zugrunde, dass jeder Mensch im Grunde auf der Suche nach Gott ist, gerne glauben möchte. Diesen Menschen geht Gott entgegen, unterstützt sie bei ihrer Suche und erleuchtet den Weg des Glaubens für diese Menschen:
Da der Glaube sich als Weg gestaltet, betrifft er auch das Leben der Menschen, die zwar nicht glauben, aber gerne glauben möchten und unaufhörlich auf der Suche sind. In dem Maß, in dem sie sich mit aufrichtigem Herzen der Liebe öffnen und sich mit dem Licht, das sie zu erfassen vermögen, auf den Weg machen, sind sie bereits, ohne es zu wissen, unterwegs zum Glauben. [ ] Wer sich aufmacht, um Gutes zu tun, nähert sich bereits Gott und wird schon von seiner Hilfe unterstützt, denn es gehört zur Dynamik des göttlichen Lichts, unsere Augen zu erleuchten, wenn wir der Fülle der Liebe entgegengehen.
Glaube und Theologie
Wenn nun der Glaube vernünftig ist, dann ist es auch sinnvoll, zu versuchen, ihn soweit als möglich mit dem Verstand zu durchdringen. Andererseits ist auch klar, dass dem Verstand bei dem Untersuchungsobjekt Gott auch Grenzen gesetzt sind, die demjenigen, der sich mit der Wissenschaft von Gott, der Theologie beschäftigt, bewusst sein müssen. Die Forschung eines gläubigen Menschen nach Gott wird in dieser Hinsicht anders aussehen als wissenschaftliche Untersuchungen zur Bestätigung Gottes, die sich nur der Vernunft, nicht aber des Glaubens bedienen:
Es ist also klar, dass Theologie ohne Glauben unmöglich ist und dass sie zur Bewegung des Glaubens selbst gehört, der die Selbstoffenbarung Gottes, die im Geheimnis Christi gipfelte, tiefer zu verstehen sucht. Die erste Konsequenz besteht darin, dass in der Theologie nicht nur die Vernunft bemüht wird, um zu erforschen und zu erkennen wie in den experimentellen Wissenschaften. Gott kann nicht auf einen Gegenstand reduziert werden. Er ist der Handelnde, der sich zu erkennen gibt und sich zeigt in der Beziehung von Person zu Person. Der rechte Glaube richtet die Vernunft daraufhin aus, dass sie sich dem Licht öffnet, das von Gott kommt, damit sie, von der Liebe zur Wahrheit geleitet, Gott in tieferer Weise erkennen kann. [ ] Zur Theologie gehört daher die Demut, sich von Gott anrühren zu lassen, die eigenen Grenzen gegenüber dem göttlichen Geheimnis zu erkennen und danach zu streben, mit der Disziplin, die der Vernunft eigen ist, die unergründlichen Reichtümer dieses Geheimnisses zu ergründen.
Brisant ist in diesem Zusammenhang auch der letzte Absatz dieses Abschnittes und Kapitels, in dem es um die Grenzen der Theologie geht, die sich letztlich an der Kirchlichkeit des Glaubens orientiert es wundert mich, dass nicht viel mehr Reformtheologen gegen diese Enzyklika auf die Barrikaden gehen (oder haben sie diesen Abschnitt noch nicht gelesen):
Die Theologie teilt ferner die kirchliche Gestalt des Glaubens; ihr Licht ist das Licht des glaubenden Subjekts, der Kirche. Das schließt einerseits ein, dass die Theologie im Dienst des Glaubens der Christen steht, sich demütig der Bewahrung und der Vertiefung des Glaubens aller, vor allem der Einfachsten widmet. Außerdem betrachtet die Theologie, da sie vom Glauben lebt, das Lehramt des Papstes und der mit ihm verbundenen Bischöfe nicht als etwas, das von außen kommt, als eine Grenze ihrer Freiheit, sondern im Gegenteil als eines ihrer inneren, konstitutiven Elemente, weil das Lehramt den Kontakt mit der ursprünglichen Quelle gewährleistet und folglich die Sicherheit bietet, aus dem Wort Christi in seiner Unversehrtheit zu schöpfen.
Wenn man so will, ist das eine Formulierung der Unfehlbarkeit auf kleiner Flamme, der die Theologie über all dort in Frage stellt, wo sie sich gegen das Lehramt der Kirche wendet. Von außen betrachtet mag dies bereits wieder totalitär wirken, aus der Sicht des Glaubenden ist aber in der Tat das Lehramt der Garant dafür, dass der Glaube, der durch die Schrift, die Tradition und die Erkenntnisse aus dem Heiligen Geist weiter gegeben wird, also als Wort, als Licht, als Berührung, wirklich weiterhin der Wahrheit und Liebe entspricht. So ist es richtig, das Lehramt des Papstes und der mit ihm verbundenen Bischöfe nicht nur als Hüter des Glaubens sondern gleichzeitig als Glaubensinhalt zu begreifen. Wie gesagt: die Brisanz scheint an vielen Stellen noch nicht aufgegangen zu sein, aber in dieser deutlichen Form hat sich soweit ich weiß lange kein Papst mehr zum eigenen Amt geäußert wie unser neuer, vermeintlich reformeifriger (wie es die Medien an vielen Stelle sehen) Papst Franziskus.