Wer als Mann das Buch von Birgit Kelle im Handel sieht, der hat womöglich Hemmungen, zuzugreifen: rosa-rot gehalten und mit dem Titel Dann mach doch die Bluse zu wer weiß, ob man da nicht zu Frauenliteratur greift, zu einem Buch von einer Frau für Frauen? Über die Farbgebung kann man streiten, der Titel immerhin ist der Online-Sensation des Jahres 2013 geschuldet: dem gleichnamigen Beitrag der Autorin im Online-Magazin The European, den sie im Zusammenhang mit der sogenannten Sexismus-Affäre des FDP-Vorsitzenden Rainer Brüderle geschrieben hat, und der rekordverdächtige mehr als 140.000 Reaktionen Likes, Shares, Kommentare innerhalb weniger Tage hervorrief (Quelle: W&V). Das (unter anderem) brachte ihr die Teilnahme an diversen Talkshows zu dem Thema bei, in der sie die Rolle der unaufgeregten aber ob des journalistischen und medialen Furors genervten Kontrageberin übernahm. Ihre These: es mag ein Sexismus-Problem in Deutschland geben, aber die 50er-Jahre-Heinz-Erhard-Style-Anmache des Herrn Brüderle gehört nicht dazu; diesen Vorgang als Sexismus zu bezeichnen, beleidigt alle Frauen, die tatsächlich unter der geschlechtlichen Ausnutzung von Unterordnungsverhältnissen leiden.
Jetzt also das Buch zur Kolumne? Die Verlängerung eines Kurzfristerfolges mit den Mitteln der Literatur? Mitnichten, das Buch ist wesentlich mehr als das! Als Mann habe ich nicht bereut, es gelesen zu haben denn ab und zu braucht auch man(n) mal die Bestätigung, dass er möglicherweise nicht ganz verkehrt liegt, wenn er bestimmte Themen so anders sieht, als es der veröffentlichten Meinung entspricht. Wobei das Buch wohltuend zwar mit dem Thema Sexismus startet, von dort aus aber nachvollziehbar Kontrapunkte zu vermeintlich unumstrittenen „Frauenthemen“ wie Gleichberechtigung, Frauen am Arbeitsplatz, Abtreibung, Gender Mainstreaming, Frauenquoten oder die Erziehungsleistungen von Müttern und Familien in der politischen Wahrnehmung setzt. Alles Themen, zu denen man als Mann ganz im Sinne der von der von Birgit Kelle oft zitierten Elisabeth Noelle-Neumann so benannten Schweigespirale lieber den Mund hält, um sich nicht daran zu verbrennen: Wer möchte sich schon gegen die Alice Schwarzers dieser Welt wenden, wenn man sich damit direkt den Vorwurf der Frauenfeindlichkeit und des Sexismus einhandelt?
Erfrischend anders dagegen Birgit Kelle: sie sieht die Gleichberechtigung der Frau als weitgehend erreicht, betrachtet die Forderungen des noch immer nicht genug als eher kontraproduktiv, sie wendet sich gegen Frauenquoten, die gesetzlich regeln sollen, was in einer normalen Marktwirtschaft Frauen auch ohne staatliche Unterstützung zu erreichen in der Lage sind, sie wendet sich in deutlichen Worten gegen ein sogenanntes Recht auf Abtreibung, betrachtet das Gender Mainstreaming als was es ist, eine Ideologie zur Gleichsetzung von Dingen, die nicht gleich sind und zur Auflösung von Familienstrukturen, setzt sich für die verbesserte Honorierung der Erziehungsleistung von Müttern ein bis hin zu der Forderung, das Betreuungsgeld statt auf magere 150 zu begrenzen auf 600 aufzustocken um zumindest einigermaßen Wahlfreiheit für Familien herzustellen, die ihre Kinder in den ersten drei Lebensjahren zu Hause aufziehen wollen. Das alles nicht im dogmatischen Ton, nicht in der Weise, dass sie anderen Frauen oder Familien ihr Weltbild überstülpen will, sondern in dem verständlichen Ansinnen, unterschiedliche Positionen in diesen Themen überhaupt zu legitimieren. Da letzteres noch nicht gegeben ist, sogenannte Frauenrechtlerinnen wie Alice Schwarzer, Bascha Mika oder Elisabeth Badinter die Deutungshoheit darüber beanspruchen, was man (und frau) über Frauenthemen zu denken hat, ist der Ton Kelles verständlicherweise an vielen Stellen erfrischend angriffslustig. Polemik wird nur dort eingesetzt, wo sie auf Polemik in der medialen Darstellung trifft, ansonsten hat Birgit Kelle sauber recherchiert und feuert als Therapie gegen den Gleichstellungswahn einfach Argumente, nimmt fehlinterpretierte Studien auseinander und weist auf diese Art die Ideologisierung der Familienpolitik durch eine Ursula von der Leyen oder (teilweise) durch Kristina Schröder, derzeit Familienministerin, nach, gipfelnd in dem Aufruf endlich Auf die Barrikaden! zu gehen, gegen eine mediale Landschaft und Gesetzgebung wie Rechtsprechung, die die ganz normale Familie untergräbt.
So ist Dann mach doch die Bluse zu Ein Aufschrei gegen den Gleichheitswahn nichts für Männer, die sich gerne mit einem So isses! auf die Schenkel klopfen, wohl aber für Männer, die Interesse haben, wie Frauen jenseits der Feminismusideologie tatsächlich ticken mit handfesten Analysen von Studien unterlegt und nicht nur als reine Meinung in die Öffentlichkeit (und Universitäten) geblasen, wie es unwissenschaftliche Theorien wie Gender Mainstreaming tun. So ist denn auch das letzte Kapitel (vor dem Epilog) mit dem Aufruf Echte Männer braucht das Land (wohlgemerkt nicht neue) den hoffentlich zahlreichen männlichen Lesern gewidmet. Das Bild einer echten Frau, wie es in dem Buch gezeichnet wird, ist letztlich nur dann für Frauen reizvoll, wenn sie auch auf das eines echten Mannes stoßen (und umgekehrt). Jahrzehnte des Feminismus, der feministischen Schweigespirale und der erzwungenen und akzeptierten Anpassung des Mannes haben einen erheblichen Flurschaden hinterlassen. Wir Männer sind aufgefordert, analog zum Aufruf von Birgit Kelle, als Familien auf die Barrikaden zu gehen, ebenfalls für die Geschlechterunterschiede einzutreten, auch wenn diese negiert werden, für die natürlichen Rechte von Männern und vor allem unserer Söhne zu kämpfen und nicht die Rolle des Pauschalschuldigen zu akzeptieren. Vielleicht muss dazu ein Mann ebenfalls mal ein ähnliches Buch schreiben; wer Dann mach doch die Bluse zu mit Verständnis liest, wird aber keine Probleme haben, das dahinterstehende positive Männerbild, das wir nur allzu gerne unter Pseudofeminismus vergraben, zu entdecken und auch für sich selbst zu adaptieren.
In einer kurzen Rezension kann ich nicht alle Inhalte des Buches wiedergeben und bei Durchsicht meiner Notizen und Markierungen fallen mir all die von mir noch unerwähnten Aspekte der Themen auf, die ich bislang noch nicht angesprochen habe. Der hoffentlich interessierte Leser sollte aber ohnehin selbst zum Buch greifen. Es bleibt vielleicht noch die Frage, was eine Rezension dieses Buches in einem katholischen Blog verloren hat? Birgit Kelle, selbst katholisch, argumentiert an keiner Stelle sonderlich kirchlich, religiös, gar katholisch. Sie zitiert Friedrich II. mit seiner Forderung, jeder möge nach seiner Fasson selig werden, will diese Option allerdings auch für sich in Anspruch nehmen können. Das Buch ist keine Abwertung anderer, nicht im Buch vertretener Lebensstile, aber eine Apologie auf ihren eigenen alternativen Lebensstil, der in den Medien gerne als traditionell und gestrig verunglimpft wird. Gerade das aber macht den Reiz aus: Auch wenn man sich als Katholik im Weltbild von Frau Kelle wunderbar zurecht findet, ist ihre Sicht auch in einer areligiösen Welt durchaus vernünftig und zu vermitteln. Umgekehrt macht die Argumentation Kelles deutlich, wie vernünftig eine katholische Sicht auf Mutterschaft und Familie, Kinder und Geschlechterrollen sind. Wer in einer religiös unmusikalischen Welt katholische Werte vertreten möchte, der kann sich oft nicht einfach auf biblische Lehren oder kirchliche Positionen beziehen, da sie für viele keinen Argumentationswert haben. Wer aber die Vernunft als Argument heranzieht, der kann am Ende das As aus dem Ärmel ziehen, dass die katholische Lehre auch nichts anderes besagt als diese tief vernünftigen Positionen.
Birgit Kelles „Dann mach doch die Bluse zu Ein Aufschrei gegen den Gleichheitswahn“ ist erschinen im adeoVerlag (ISBN 9783942208093, 17,99 )
Jacinta maria
Sehr guter Kommentar! Bravo!