Wie die Welt so tickt das konnte man in den meisten Medien gestern zur Heiligsprechung der beiden Päpste Johannes XXIII. und Johannes Paul II. erleben. Leider konnte ich weder live in Rom dabei sein, noch am Fernseher ich war freudiger Gast einer Erstkommunion! Aber wenn ich die Nachberichterstattung so beobachte, war es vermutlich auch kein Fehler, nicht über den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk an der Heiligsprechung der Päpste teilzunehmen.
Denn die Welt kommt nicht ohne Politik aus, sie überträgt ihre Maßstäbe einfach auf die Welt des Glaubens, und als Katholik kann man sich nur verwundert die Augen reiben, zu welchen Fehlschlüssen man dann kommt. Denn seit gestern weiß ich: Die doppelte Heiligsprechung ist nur erfunden worden, um liberale Kräfte in der katholischen Kirche mit der Heiligsprechung von Papst Johannes Paul II., und konservative Kräfte mit der Heiligsprechung von Johannes XXIII. zu versöhnen.
Denn der eine war schließlich der Initiator des II. Vatikanischen Konzils, das als Synonym gilt (von den einen kritisch, von anderen freudig so bewertet) für eine Öffnung der Kirche hin zur Welt, der andere hat mit seiner langen Amtszeit, seinem geistlichen Kampf gegen den Kommunismus und seine in aller Breite ausgelegte Theologie des Leibens (nebst der Unterstützung insbesondere junger, konservativer Bewegungen) das Glaubensleben vieler Menschen gefestigt oder eingemauert (ebenfalls je nach Standpunkt).
Vor diesem Hintergrund kann es natürlich nicht sein, dass beide heilig sind. Und den linken bis kirchlich-liberalen Medien folgend, war es nur der 23. Johannes, der es verdient hätte, heilig gesprochen zu werden, während der 2. Johannes Paul nur ein Zugeständnis an konservative Kräfte war, und dessen Lebenswerk offenbar nur in einer angeblich gespaltenen Kirche liegt. Dabei sollte, wenn man denn schon von außen einen Blick wagt, die Verantwortung für eine Spaltung eher im Konzil und damit bei Johannes XXIII. denn beim Konzilsteilnehmer und langjährigem, behutsamen Umsetzer Johannes Paul II. gesehen werden.
In Wahrheit stimmt aber beides nicht: Die Kirche geht ihren Weg durch die Zeit, in Kontinuität, die auch Wandel beinhaltet. Da gibt es dann die einen, die diesen Wandel kritisch betrachten, die anderen kritisieren eher die Kontinuität. An beiden Positionen kann man sich reiben, sie machen aber doch einen Wert des katholischen klar, der so habe ich es mehr und mehr verstanden sich vor allem in den Ergebnissen des Konzils zeigt, das eben nicht einen neuen Glauben, neue Wahrheiten erfunden hat, sondern sich bemühte, die richtige Sprache zu finden, diese Wahrheit in einer wahrheitsabgewandten Welt auch vernehmbar zu machen.
Wer diesen ich möchte es mal so nennen Wandel der Sprache, ablehnt, der lehnt im Grunde Evangelisierung ab, und stellt sich damit gegen unseren christlichen Missionsauftrag. Platt gesagt, kann ich meine Botschaft nicht der Welt auf Latein oder Altgriechisch zu vermitteln versuchen und mich dann beklagen, dass ich nicht verstanden werde und die Welt um mich herum für dieses fehlende Verständnis verantwortlich machen. Wer aber andererseits die Wahrheit des christlichen Glaubens ablehnt, der hat sich wenn man so will von einer anderen Seite vom Missionsauftrag entfernt, indem er, in welcher Sprache auch immer, nicht mehr das vermittelt, was Gottes Botschaft an uns ist.
Wie gesagt: Man kann sich an einzelnen Positionen reiben! Mir gefallen auch einige liturgische Entwicklungen nicht, kann sie aber eher akzeptieren, wenn mit ihnen Menschen tatsächlich zu Christus (und nicht zu einer Privatreligion mit christlichen Anklängen) geführt werden. Und die eine oder andere Wahrheit wartet unterdessen sicher auch noch auf eine Übersetzung, die ein Verständnis möglich macht. Und so gesehen sind die beiden jetzt heilig gesprochenen Päpste, in Kombination wunderbare Beispiele des katholischen Glaubens.
Beide gleichzeitig zur Ehre der Altäre zu erheben ist kein Kompromiss, eher schon eine Notwendigkeit. Es geht nicht darum, die jeweilige Gegenseite ruhigzustellen. Wenn überhaupt warum kommt eigentlich niemand auf den Gedanken, dass es sich eben einfach um zwei heiligmäßige Männer handelt? dann zeigt die gleichzeitige Heiligsprechung die katholische Weite, wie sie notwendig und gewollt ist. Vielleicht, nein sicher sogar, hatten Johannes XXIII. und Johannes Paul II. unterschiedliche Pontifikatsschwerpunkte (in auch historisch ganz anderen Zusammenhängen, die gerne ausgeblendet werden) aber mit der Heiligsprechung ist jetzt quasi offiziell verdeutlicht worden: Nicht derjenige, der ein Fan von Johannes XXIII. und nicht derjenige, der ein Fan von Johannes Paul II. ist, sondern wer eine der beiden Personen grundsätzlich ablehnt, der kann in Wahrheit nicht für sich in Anspruch nehmen, katholisch zu sein.
Die Anwesenheit von Papst em. Benedikt XVI., dessen Pontifikat in den Medien ebenfalls gerne als Gegenpol zu dem des jetzigen Papst Franziskus dargestellt wird, bei der Heiligsprechung, ist möglicherweise ebenfalls ein solches Zeichen für die Weite des katholischen Glaubens, vom deutschen Professor bis zum argentinischen Seelsorger. Vielleicht kann man die beiden als lebendige Spiegelbilder der Pontifikate von Johannes XXIII. und Johannes Paul II. sehen? Und so in etwa begreifen lernen, dass eine Lagerwelt, die sich auf Äußerlichkeiten beschränkt, im katholischen Glauben im Grunde nichts verloren hat.
Unser Auftrag ist es weiterhin, Menschen zu Christus zu führen, so wie es Johannes XXIII. und Johannes Paul II. getan haben, so wie es Benedikt XVI. und Franziskus noch immer tun. Und von politischen Spielereien wie sie oben beschrieben sind, sollten wir uns lieber fernhalten, sie engen den Blick auf die Kirche, den Blick auf unseren Glauben, den Blick auf Gott, nur ein.