Als Eltern lernen wir nie aus und das nicht nur in Bezug darauf, was sich Kinder so alles einfallen lassen um irgendein Gefäß zum Umsturz oder die Hose dreckig zu kriegen, oder darauf, welche Wortfetzen sie aufschnappen und tatsächlich richtig verstehen oder sie manchmal führt das zum Lacher, manchmal zum peinlichen Erröten innovativ zusammensetzen. Man lernt aber auch nie aus, wie einen der Staat oder die Kommunen ganz selbstlos unterstützen bei der schwierigen Arbeit der Kindererziehung, bildung und förderung.
Wer mich kennt weiß aber, dass ich, wenn ich höre, dass ein Staatsdiener, und sei es mit noch so gutem persönlichen Gewissen, mir oder meinen Kindern etwas Gutes tun will, extrem hellhörig werde. Und da man in einer guten Familie miteinander redet, färbt so was offensichtlich auch ab, was dazu führte, dass mir gestern meine Frau von einer Aktion des Rhein-Kreis-Neuss berichtete, über die sie sich echauffierte und ich habe auch schnell verstanden, warum. Es geht um das Programm prokita untertitelt mit Ein Programm zur Förderung von Gesundheit und Bildung für Kinder in Kindertagesstätten im Rhein-Kreis Neuss. Die Beschreibung zum Nachlesen findet man hier.
Nun scheint es ja erst mal nichts Schlechtes zu sein, wenn sich jemand um Kinder kümmert, die möglicherweise vernachlässigt werden. Dass man die in Stadtteilen mit Merkmalen sozialer Benachteiligung vermutet, bedürfte vermutlich zwar erst mal einer Bestätigung, aber augenzwinkernd wollen wir mal darüber hinwegsehen. Bei uns wird prokita jedenfalls im Kindergarten auch angeboten und in der Tat ist die soziale Struktur dort nicht ganz einfach bislang sind mir und meiner Frau aber noch keine Kinder aufgefallen, die nun ja, eben besonders auffällig wären.
Als Probleme hat man jedenfalls identifiziert Entwicklungsdefizite und/oder Entwicklungsstörungen der 5 bis 6 jährigen Kinder in den Bereichen der Sprache, der Motorik, des Körpergewichtes, der Wahrnehmung, des Verhaltens und der Sozialkompetenzen. Und da wird der geneigte Vater (und die Mutter) schon aufmerksam. Da der Schwerpunkt dabei, so wie man uns das schmackhaft machen will, auf der Untersuchung der physischen und psychischen Kindesentwicklung liegt, stellt sich zunächst mal die Frage nach der Notwendigkeit. Schließlich gibt es für Kinder jeder Altersstufe für die ganz Kleinen häufiger, anschließend sporadischer Vorsorgeuntersuchungen, die genau das in den Blick nehmen. Das sind die Vorsorgeuntersuchungen U8 und U9, die für Kinder diesen Alters vorgeschrieben sind.
Das macht die Untersuchungen aus prokita nicht nur überflüssig sondern im Zweifel auch gefährlich. Die U-Untersuchungen werden nämlich von den Kinderärzten der Familie durchgeführt, die die Geschichte des Kindes, auch seine Krankheiten und bisherige Entwicklung kennen und Fortschritte und Mängel gut bewerten können. Was kann da eine einmalige Untersuchung durch einen amtlich bestellten Kinderarzt anderes bringen als maximal Verwirrung? Wir jedenfalls vertrauen unserem Kinderarzt, der uns dann zu einer Therapie rät, wenn es notwendig ist und abrät, wenn er sie nicht für geboten hält. Anders gesagt: Wenn der alarmiert ist, dann sind wir es auch, wenn er sich zurücklehnt, tun wir das auch das ist das Ergebnis unserer Erfahrungen mit ihm, und wir werden unsere Kinder sicher nicht in die Hände eines unbekannten Arztes geben, der sie nur vom Augenschein her beurteilen kann.
So erscheint das Programm zunächst mal als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die bestellten Kinderärzte und die dahinter stehende Verwaltungsstruktur (Bezahlt von wem? Genau, von uns allen, nicht aber von den Akteuren!). Langfristig erscheint mir das Programm aber auch als ein Baustein zur weiteren Gängelung der Familien. Denn dezidiertes Ziel ist es, die Kinder fit zu machen für die Schule dagegen kann doch eigentlich niemand was haben, aber in wessen Kompetenz sollte das fallen wenn nicht in die der Eltern? Wenn also direkt Bezug genommen wird auf gezielte und bedarfsgerechte Hinweise, Anregungen und Empfehlungen zu den Förderbedürfnissen und einem eventuellen Therapiebedarf [der] vierjährigen, wenn von Chancengleichheit für alle Schulneulinge und Reduzierung der Anzahl entwicklungsauffälliger/ -gestörter Kinder beim Eintritt in die Schule gesprochen wird, dann ist klar, dass man den Eltern diese Kompetenz abzusprechen versucht. Und das nicht etwa nur in sozialen oder erzieherischen Extremsituationen sondern flächendeckend!
Ob die diagnostizierten Entwicklungsdefizite oder Entwicklungsstörungen dabei möglicherweise eine Resultat eines zu frühen Kita-Aufenthalts sein könnten, wird logischerweise nicht thematisiert, die Frage stellt sich aber natürlich, wenn sich solche Defizite in den vergangenen Jahren mit der zunehmenden Intensivierung der Verwahrung von Kleinkindern außerhalb der Familien, tatsächlich häufen sollten. Sucht man also nach einer Lösung für ein selbstgeschaffenes Problem? Oder sieht man im Gegenteil behördlicherseis den erzieherischen Einfluss derjenigen Eltern, die ihre Kinder nicht kurz nach der Entbindung in die Krippe gegeben haben, mit Skepsis und versucht so gegenzusteuern?
Augen auf ist jedenfalls angesagt, und so wie ich das sehe, werden wir weiter unserem elterlichen Instinkt, unserem mittlerweile langjährigen Kinderarzt und unseren Beobachtungen im sozialen Umfeld vertrauen statt irgendeiner kommunalen Aktion, die angeblich nur zu unserem Besten und zum Besten unserer Kinder initiiert wurde. Achja, und wenn Leser dieses Blogs bereits Erfahrungen mit prokita oder anderen derartigen Aktionen gemacht haben, freue ich mich über Kommentare und Rückmeldungen!