Irgendwie war es absehbar, dass irgendwann das „Karnickel-Gate“ ausgerufen würde: Der Papst spricht Klartext mit Worten, die man von einem Papst nicht erwarten würde. Die kirchenfeindliche – progressive – Presse stürzt sich auf die Aussagen, die vermeintlich einen Kurswechsel in der Kirchenlehre bedeuten. Müssen die Katholiken also doch nicht bei jedem Sex ein Kind bekommen!
Auftritt der Konservativen: Wenn der Papst von den Medien bejubelt wird, dann muss er gegen die kirchliche Lehre verstoßen, etwas gegen Papst Benedikt gesagt oder konservative Katholiken beleidigt haben, am besten alles gleichzeitig. Die, die schon immer gewusst haben, dass mit Franziskus der Antichrist in den Vatikan eingezogen ist, sehen sich bestätigt und heulen schon mal, weil sie kommen sehen, dass der Papst in der kommenden Familiensynode die Sexuallehre der Kirche ins Gegenteil und Kirche und Welt damit ins Chaos stürzen wird.
Irgendwann kommt das Thema nicht nur in der Mainstreampresse sondern auch im Boulevard an, wenn zum Beispiel ein Franz-Josef Wagner in seinem Bild-Leitartikel nicht nur fälschlich über „Karnickel“ statt Kaninchen spricht, sondern auch noch – sein Sexualleben offenbar verallgemeinernd – dem Papst den Begriff des „Rammelns“ in den Mund legt („Der Papst hat sinngemäß den Satz rausgehauen: Rammelt nicht wie die Karnickel.“)
Irgenwie hoffe ich, der Tiefpunkt der Diskussion sei damit erreicht, bin aber wenig optimistisch. Da findet sich sicher noch ein Schmierfink, der Wagners Niveau unterbietet. Was bleibt einem da als kleiner papsttreuer Blogger als immer und immer wieder richtigzustellen, den Papst im O-Ton und möglichst ohne eigene Interpretationen zu zitieren und die Leser zu bitten, sich selbst ganz neutral Gedanken zu machen: Was hat der Papst wirklich gesagt? Liegt es auch nur entfernt nahe, dass das was er gesagt hat auf einen Wechsel der Kirchenlehre deuten würde? Und wie immer die Frage „cui bono?“: Wem nutzt es, wenn der Papst immer wieder falsch und/oder aus dem Zusammenhang gerissen zitiert wird, Kommentatoren ihre eigenen Wunschvorstellungen in der Analyse Raum greifen lassen und damit die Botschaft bis zur Unkenntlichkeit verfälschen wenn nicht gar umkehren?
Der Papst trägt für all das natürlich dennoch Verantwortung. Es ist ja nicht das erste mal, dass er falsch interpretiert wird (ürbigens nichts, was seinem Vorgänger anders gegangen wäre, damals nur mit veränderten Vorzeichen), dass er oder seine Sprecher genötigt gewesen wären, klarzustellen und zu schärfen. Es müsste langsam klar sein, dass „die Welt“ dem Papst nicht wohlgesonnen ist und es auch innerkirchlich Kräfte gibt, die nur auf das nächste Konklave hoffen. Papst Franzikus ist nicht Benedikt XVI. und wird nie aus dem Stehgreif so druckfertig formulieren – aber könnte er sich nicht vorher überlegen, wie seine Aussagen verdreht werden könnten? Sollte er als das Oberhaupt von mehr als einer Milliarde Katholiken nicht seine Worte, egal ob vor der Presse, bei einer Audienz oder auch nur in einer morgendlichen Messe in Sankta Martha, besser abwägen, um sich nicht dem Vorwurf ausgesetzt zu sehen, theologisch nicht gefestigt zu sein oder gar gegen bisherige theologische Lehr zu agitieren?
Aber halt: Wollen wir wirklich so einen Papst? Einen, der eine automatische Schere im Kopf hat, die ihm verbietet, die Dinge einfach so auszusprechen, wie er sie denkt? Muss alles, was er sagt, vorher den theologischen Stresstest durchlaufen haben? Papst Benedikt war offenbar in der Lage, eine solche Prüfung parallel immer im Kopf mitlaufen zu lassen, eine wunderbare intellektuelle Leistung. Und selbst er war mehr als einmal nicht davor geschützt, vorsätzlich falsch verstanden zu werden. Manche würden die Frage womöglich sowieso bejahen, sie wollen keinen Papst, dessen Aussagen sie erst noch selbst im Kopf deuten müssen, sie wollen geschliffene Aussagen, die keinen Zweifel zulassen. Sie sind womöglich auch müde, Papst und Kirche gegen Vorwürfe der Art der Presse von Matthias Drobinski bis Franz-Josef Wagner zu verteidigen, gegen außer- und innerkirchliche Kritik.
Dafür habe ich einerseits Verständnis, zähle mich aber trotzdem nicht dazu. Ich sehe uns als Gläubige viel mehr in der Verantwortung, richtig mit den Worten des Papstes umzugehen. Papst Benedikt hat uns das „Jahr des Glaubens“ geschenkt, auch um uns unseres eigenen Glaubens zu vergewissern, aber jetzt ist es an uns, die Botschaft Jesu in die Welt zu tragen – gemeinsam mit dem Papst an unserer Seite. Da ist nicht nur – vielleicht nicht mal in erster Linie – theologische Fachkenntnis gefragt; die Anforderungen die die Kirche an uns, an den Papst vorneweg, stellt sind in der Evangelisierung andere als in der Apologetik. Unter Papst Benedikt XVI. hatte ich selbst meine Freude daran, seine Schriften, Predigten und Ansprachen wiederzugebebn und hier im Blog zu erläutern. Das war nicht nur sinnvoll um auch ihn auf bescheidene Weise vor Misdeutungen zu schützen, er hat mich damit auch im Glauben gestärkt und geleitet. Ich gebe zu, das Leben ist für einen papsttreuen Blogger mit Franziskus komplizierter geworden, aber ich würde ihn – gerade wegen dieser Erfahrungen – nicht tauschen wollen. Er ist der richtige Papst zur richtigen Zeit, der heilige Geist hat im letzten Konklave – was auch sonst – die richtige Wahl getroffen, und die anschwellenden Diskussionen belegen genau das mehr als sie dem widersprechen.
Steins
Sie sprechen mir wieder aus der Seele.
Danke
Papsttreuer
Danke für dieses kurze Statement. Ihnen und Ihrer Familie Gottes Segen!
Moin
Hallo,
kleiner Tipp: Einfach den „L’Osservatore Romano“ abonnieren und lesen. Da kann man vieles vom Papst im Original lesen und sieht so viele Meldungen und Aufregungen um Zitate des Papstes genauer und gelassener.
Ich habe es u.a. aus diesem Grund auch gemacht und bin heilfroh, dass ich diese Originaltexte selbst nachlesen kann.
Link: http://www.osservatore-romano.de/
Papsttreuer
Danke für den Tipp. Ich selbst schaue ab und zu auch auf der Internetseite vorbei. Das Magazin selbst habe ich nicht abonniert, da ich schon jetzt mit dem Lesen all der Dinge, die lesenswert wären, nicht nachkomme. Aber ich bin sicher, dass es eine gute Lektüre ist. Es lohnt auch immer, wenn eine Rede des Papstes wiedergegeben wird, sich an anderer Stelle auf die Suche nach dem Originalwortlaut zu machen – Überraschungen sind meist vorprogrammiert.
Herzliche Grüße und Gottes Segen!
Claudia Sperlich
Dank für diesen klugen Kommentar zu den zahlreichen gar nicht klugen Kommentaren. Dank für diese guten Worte zu einem guten Papst.
Papsttreuer
Danke für den Kommentar – „ein guter Papst“, so sehe ich das auch, wenn er mich auch anders herausfordert, als es Papst Benedikt getan hat (Johannes Paul II. habe ich nur in meiner kirchenfernen Zeit erlebt). Raus aus der Komfortzone – das ist christliches Leben, oder?
Viele Grüße und Gottes Segen!