Das Thema Prostitution taucht alle Jahre lang mal wieder auf und erhitzt nicht wenige Gemüter. Zeit, auch mal grundsätzlich zu werden.
Die Regierungskoalition hat sich am Mittwoch auf einen Gesetzentwurf zum Schutz von Prostituierten geeinigt. Darin wird Prostitution nicht verboten, es soll aber zum Schutz der Prostituierten eine Kondompflicht des Freiers geben, die die Frauen vor Erkrankungen und wohl auch in einem Mindestmaß an Würde schützt. Vereinbart wurde wohl auch, dass Betreiber von Bordellen zukünftig eine Erlaubnis brauchen. Für die Prostituierten soll eine Anmeldepflicht eingeführt werden. Bei welcher Behörde sie sich registrieren lassen müssen, ist noch offen.
Vor diesem Hintergrund gebe ich hier gerne einen Beitrag wieder, den ich bereits im November 2013 auf meinem damaligen Blog veröffentlicht habe (mit ein paar Rechtschreib- und Grammatikkorrekturen, die mir damals durchgegangen sind):
Es hat sich herumgesprochen: Prostitution ist das neue Thema der Gesellschaft, die gesellschaftlichen, politisch bislang nur auf lokaler Ebene, festzustellenden Bestrebungen eines Verbots haben es sogar bis in die Talkshows der Republik geschafft, in der sich Befürworter und Gegner eines Verbots, betroffene Prostituierte und Frauenrechtlerinnen sowie Bordellbetreiber und Polizeivertreter darüber austauschen wollen, wie denn ein Verbot – zum Schutz der Frauen – durchgesetzt werden kann. Spätestens seit den Veröffentlichungen von Alice Schwarzer und der von ihr geleiteten „Emma“ steht das Thema auf der Tagesordnung.
Da stand es schon mal, als vor einigen Jahren die damals rot-grüne Koalition in dem Bestreben, Prostituierte zu schützen (offiziell) und deren Tätigkeit zur Normalität zu erheben (inoffiziell), die Prostitution quasi legalisierte, ihnen den Zugang zu Angestelltenverhältnissen zu öffnen oder ihnen auch den Sozialversicherungsbereich zugänglich zu machen. Je nachdem welchen Statistiken man glaubt, hat von diesen Möglichkeiten aber nur eine verschwindend kleine Minderheit der Prostituierten Gebraucht gemacht, dafür mussten sich Bordellbetreiber nicht mehr mit dem Vorwurf der „Förderung der Prostitution“ herumschlagen.
In den Diskussionen heute geht es aber im Wesentlichen um ein Thema: die Zwangsprostitution und wie ihr beizukommen ist. Dabei erscheint die Bestrafung der Freier das Mittel der Wahl, um die Frauen, die sich möglicherweise in einer Notsituation zur Prostitution entschließen oder gar dazu gezwungen werden (inklusive aller Schattierungen dazwischen) nicht auch noch strafrechtlich zu verfolgen. Was aber deutlich wird an dieser Diskussion, was nur nirgends ausgesprochen wird: Die Prostitution ist eben kein Beruf wie jeder anderer, die Art des Verbrechens der Zwangsprostitution ist, zusammen mit der ihr verwandten Vergewaltigung, kein normales Verbrechen wie ein Diebstahl oder Steuerhinterziehung. Da ist es vielleicht gut, darauf zu verweisen, wie denn das Thema aus katholischer Sicht zu bewerten ist.
Sexualität gehört für den Katholiken in den geschützten Rahmen einer Ehe mit der Intention, Nachwuchs zu zeugen. Das schließt – innerhalb einer Ehe – nicht bestimmte natürlich Maßnahmen der Empfängnisverhütung aus, Sexualität zur reinen Lustbefriedigung widerspricht aber der Natur dieses wunderbaren Geschenkes Gottes. Klartext gibt es dazu – wie sollte es anders sein – im Katechismus der katholischen Kirche:
2351 Unkeuschheit ist ein ungeregelter Genuß der geschlechtlichen Lust oder ein ungeordnetes Verlangen nach ihr. Die Geschlechtslust ist dann ungeordnet, wenn sie um ihrer selbst willen angestrebt und dabei von ihrer inneren Hinordnung auf Weitergabe des Lebens und auf liebende Vereinigung losgelöst wird.
[…]
2353 Unzucht ist die körperliche Vereinigung zwischen einem Mann und einer Frau, die nicht miteinander verheiratet sind. Sie ist ein schwerer Verstoß gegen die Würde dieser Menschen und der menschlichen Geschlechtlichkeit selbst, die von Natur aus auf das Wohl der Ehegatten sowie auf die Zeugung und Erziehung von Kindern hingeordnet ist. Zudem ist sie ein schweres Ärgernis, wenn dadurch junge Menschen sittlich verdorben werden.
2355 Prostitution verletzt die Würde der Person, die sich prostituiert und sich dadurch zum bloßen Lustobjekt anderer herabwürdigt. Wer sie in Anspruch nimmt, sündigt schwer gegen sich selbst: er bricht mit der Keuschheit, zu der ihn seine Taufe verpflichtet hat, und befleckt seinen Leib, den Tempel des Heiligen Geistes [Vgl. 1 Kor 6,15-20.]. Prostitution ist eine Geißel der Gesellschaft. Sie betrifft für gewöhnlich Frauen, aber auch Männer, Kinder oder Jugendliche (in den beiden letzteren Fällen kommt zur Sünde noch ein Ärgernis hinzu). Es ist immer schwer sündhaft, sich der Prostitution hinzugeben; Notlagen, Erpressung und durch die Gesellschaft ausgeübter Druck können die Anrechenbarkeit der Verfehlung mindern.
2356 Vergewaltigung ist ein gewaltsamer Einbruch in die geschlechtliche Intimität eines Menschen. Sie ist ein Verstoß gegen die Gerechtigkeit und die Liebe. Vergewaltigung ist eine tiefe Verletzung des jedem Menschen zustehenden Rechtes auf Achtung, Freiheit, physische und seelische Unversehrtheit. Sie fügt schweren Schaden zu, der das Opfer lebenslang zeichnen kann.
Sie ist stets eine in sich zutiefst verwerfliche Tat. Noch schlimmer ist es, wenn Eltern oder Erzieher ihnen anvertraute Kinder vergewaltigen.
Das alles ist starker Tobak für die Welt da draußen und macht doch insbesondere eine Überzeugung deutlich: Die Sexualität, die Geschlechtlichkeit ist ein Geschenk Gottes an uns Menschen. Papst Johannes Paul II. hat über dieses Thema eine eigene Theologie entwickelt, bekannt geworden unter dem etwas sperrigen Titel „Theologie des Leibes“. Dieses Werk ist durchtränkt von dem Gedanken, dieses Geschenk wertzuschätzen, den anderen dabei in seiner Würde zu achten, und sich nicht mit dem zufrieden zu geben, was uns eine moderne Welt als sexuelle Erfüllung vorschlägt. Vielen ist das heute nicht mehr begreiflich zu machen, auch ich selbst war lange Jahre anders von der Gesellschaft geprägt, aber wer die Würde und Schutzwürdigkeit der Sexualität und der Geschlechtlichkeit des Partners einmal verstanden hat, für den ist – um es mal platt zu sagen – der Sex wesentlich erfüllender als das, was „die Welt“ darunter versteht.
Meine Mutmaßung ist die, dass auch die säkulare Gesellschaft dieses Gefühl für die Besonderheit der Sexualität nicht verloren hat. Welchen Grund könnte es sonst haben, dass uns Berichte über Vergewaltigungen mehr schockieren und abstoßen als sagen wir mal eine normale Körperverletzung. Eine Verletzung der Geschlechtlichkeit eines Menschen verletzt nicht nur den Körper sondern auch die Seele – das ist das Bewusstsein, so meine These, das auch in einer sexualisierten Welt nicht ganz verschüttet ist. Vor diesem Hintergrund wird auch die Prostitution immer anders bewertet werden als andere, eben normale Tätigkeiten.
Die christlich-ethische Bewertung der Prostitution erscheint daher klar. Weniger klar ist aber der gesetzgeberische Umgang damit. Dort entsteht die Frage, ob es Aufgabe des Staates ist, das zu verbieten oder zu erschweren, was eine Religion als Sünde betrachtet? Versuche, lediglich einen Schutz von Frauen gegen Zwangsprostitution zu etablieren, scheitern offensichtlich an der Frage, wie man denn „normale“ von der Zwangsprostitution unterscheiden soll. Der Zwang der auf diese Frauen ausgeübt wird, reicht soweit, dass sie ihren Körper zur Verfügung stellen, wer würde annehmen, dass ein Großteil der Betroffenen das auch zugeben würde, wenn der Zuhälter im Hintergrund steht? Mit einer angedachten Bestrafung der Freier wäre aber die Prostitution in Gänze verboten, auch diejenige, die sich einvernehmlich zwischen einer Prostituierten und einem Freier abspielt (die Frage, ob es in diesem Thema überhaupt eine echte Freiwilligkeit gibt oder ob es nicht bestehende seelische Verletzungen sind, die eine Frau glauben machen, dass ihre prostituierende Tätigkeit für sie freiwillig und normal sei, steht mir zwar vor Augen, das Fass möchte ich aber an dieser Stelle nicht aufmachen).
Das hat zwei Konsequenzen: Erstens zeigen Erfahrungen mit Verboten generell, dass zur Umgehung so etwas wie ein „Schwarzmarkt“ entsteht, in dem Illegalität der Normalfall wäre. Natürlich müsste ein Freier befürchten, erwischt zu werden, der Schutz von Frauen vor Zwangsprostitution, die heute schon nicht legal sondern nur schwer nachzuweisen ist, ist damit aber wiederum nicht gegeben. Und zweitens mischt sich der Staat tatsächlich in eine möglicherweise freie Entscheidung zweier Menschen ein, miteinander Sex zu haben, nur eben gegen Geld. Ein libertärer Geist muss hier Zweifel und Widerspruch anmelden. Der Herausgeber der „eigentümlich frei“, André Lichtschlag, hat in der Papierversion des Magazins dazu einiges Erhellendes geschrieben und steht auf dem Standpunkt, der Staat dürfe genau das nicht tun; auch eingedenk der Tatsache, dass man als Christ derartige Handlungen als Sünde betrachtet.
Aber ist dieser Widerspruch gerechtfertigt? Das wäre er dann nicht, wenn die oben beschriebene Erkenntnis, dass es sich bei der Prostitution eben nicht um eine normale Tätigkeit handelt, dahingehend interpretiert wird, dass Prostitution generell den Bruch eines ethischen Rechtes, eine Naturrechtes, darstellte. An dieser Stelle befinden wir uns aber in einer Zwickmühle: Der Naturrechtsgedanke ist christlichen Menschen zwar nahe, sieht sich aber durchaus der Kritik von atheistischer oder rechtspositivistischer Seite ausgesetzt. Kann man einem Atheisten, der dieses Naturrecht nicht anerkennt und die Prostitution nicht für verwerflich hält, den Gang zur Prostituierten verbieten?
Und meine These zu dieser Frage ist: Wenn ich als Katholik der Sexualität diesen Stellenwert einräume, wenn ich die Verletzung göttlicher Ordnung und des Naturrechts in der Prostitution sehe, dann darf und muss ich als Christ, auch als libertärer, auf ein solches Verbot hinwirken. Ideologische Libertäre vertreten bisweilen die Einstellung, dass jede (!) einvernehmliche Handlung zwischen den betroffenen Beteiligten (also ohne negative Auswirkungen auf andere) zulässig sein müsse. Dem widerspreche ich als Katholik mit der Einschätzung, dass es Handlungen gibt, die in sich so unmoralisch sind, dass auch ein gegenseitiges Einvernehmen diesen Verstoß gegen das Naturrecht nicht aufheben kann. Die Frage, ob es sich bei der Prostitution um ein solches Thema handelt, erscheint mir durch die Abschnitte des Katechismus beantwortet. Offen bleibt dabei aber natürlich die Frage, wie man Frauen vor den möglichen Auswirkungen der Illegalität der Prostitution schützen kann. Das ist kein einfaches Thema, aber die Grundsatzentscheidung, Prostitution zu verbieten, stellt das nicht mehr in Frage.
Allerdings: die oben beschriebenen Gedanken, spielen in der öffentlichen Diskussion kaum eine Rolle. Da können sich nun also Atheisten, Christen, Libertäre und libertäre Christen munter über die rechte Auslegung streiten – so lange wie die Gesellschaft sich nicht über eine generelle Einschätzung von Prostitution einig wird (oder besser: wieder einig wird), bleiben gesetzliche Regelungen ohnehin Stückwerk.
Abschließende Anmerkung: Ein Kommentator dieses Blogs hat mal geschrieben, man könne mir in manchen Blogbeiträgen „beim Denken zuschauen“ – das ist wahrscheinlich so einer, denn gestartet bin ich mit der Einstellung, dass staatlicherseits die Prostitution nicht zu verbieten sei, und ich bin auch nicht sicher, ob ich nicht zu einem späteren Zeitpunkt noch zu einem anderen Schluss komme.
Soweit mein damaliger Text – und jetzt stellt sich im Anschluss an den letzten Absatz die Frage: Sehe ich das heute auch noch so? Ich hatte mir meine Argumentation nicht leicht gemacht und so komme ich auch heute nur zu einem zögerlichen Nicken. Ich würde es heute vielleicht anders schreiben, auch angesicht der Argumente, die gegen ein Verbot der Prostitution auch von libertären Vertretern. Dort wird mitunter mit dem Begriff der „opferlosen Verbrechen“ argumentiert, die eben keine Verbrechen seien und insofern auch nicht verboten werden sollten. Dazu wird beispielsweise neben der Prostitution auch der Drogenkonsum gezählt, bei der der Konsument eine freie Entscheidung trifft, mit dem Konsum niemand anderen schädigt und insofern nur seine Freiheitsrechte ausübt. Man kann nun durchaus Zweifel haben, ob der Drogenabhängige tatsächlich in Freiheit handelt, immerhin schädigt er aber – jedenfalls körperlich und soweit er sich ansonsten korrekt verhält – niemanden sonst.
In dieser Hinsicht ist die Prostitution aber etwas anders gelagert, da hier tatsächlich zwei Personen übereinstimmend tätig werden müssen, und die Frage stellt sich, ob der Freier die Freiheit der Prostituierten einschränkt. Nicht wenige stehen auf dem Standpunkt, dass er das nicht täte, weil beide schließlich zum gemeinsamen Sex übereingekommen seien. Hinsichtlich der Bedeutung der Sexualität komme ich aber wiederum zu einer anderen Einschätzung: Sexualität ist eben kein rein körperlicher Akt und eine Prostituierte wird in anderer Hinsicht geschädigt als – als Teil des Geschäfts und freiwillig – nur körperlich. Die seelischen Verheerungen sind kaum überschaubar, der Grad der Freiwilligkeit und der wirklich übereinstimmenden Willen bei einem „Geschäft“ mit diesem Blick zumindest zweifelhaft.
Das Argument, mit einem Verbot die Prostitution in die Illegalität zu treiben, und betroffenen Frauen damit mehr zu schaden als zu helfen, bleibt weiterhin stichhaltig, an meiner grundsätzlichen Einschätzung, dass Prostitution nicht legal sein sollte, hat sich aber bis heute nichts geändert.
Wolfgang R
Warum soll dann der Staat dafür sorgen, dass katholische Werte eingehalten werden? Nicht mal 1/3 der in Deutschland lebenden Menschen sind katholisch. Und laut Grundgesetz ist Staat und Kirche getrennt.
Niemand hindert katholische Gläubige, den Katechismus einzuhalten.
Papsttreuer
Bitte entschuldigen Sie, dass ich erst jetzt zum Antworten komme. Vielen Dank zunächst für den Kommentar. Natürlich muss der Staat nicht dafür sorgen, dass katholische Werte eingehalten werden. Wenn Sie meine anderen Beiträge lesen, werden Sie feststellen, dass mir wenig ferner liegt als eine solche Forderung (siehe zum Beispiel hier). Beim Thema Prostitution mache ich deshalb eine Ausnahme, weil es um den Schutz der Frauen geht und darum, dass das Thema Sexualität ganz generell auch in der säkularen Gesellschaft anders gehandhabt wird als andere Themen.
Dabei bin ich auch nicht der Meinung, dass ein Staat, der Prostitution nicht verbietet, grundfalsch handelt (zumal ich keine Lösung für die daraus resultierenden Probleme wie „Illegalisierung“ habe), ich meine aber – im Gegensatz zu anderen Themen wie z.B. Blasphemie – dass sich Katholiken hier durchaus legitim für ein Verbot einsetzen sollten.
Ich hoffe, ich habe das damit ein bisschen klarstellen können?
Ihnen Gottes Segen und alles Gute!
Richard
Die beste Antwort haben Sie bereits selbst in Ihrem Artikel gegeben: „Sexualität gehört für den Katholiken in den geschützten Rahmen einer Ehe mit der Intention, Nachwuchs zu zeugen.“ Es gibt in Deutschland mehr konfessionslose als Katholiken. Und selbst von den Taufscheinkatholiken würden wohl nur eine kleine Minderheit diese Aussage unterstützen bzw. nach ihr leben. Sowohl Scheidung wie auch hormonelle Verhütung wie auch trauscheinloses Zusammenleben sind unter Katholiken in Deutschland eine Selbstverständlichkeit. Ein Verbot der Prostitution aus diesem Grund würde daher nur von einem kleinen Teil der Bevölkerung unterstützt werden.
Papsttreuer
Danke für diese Erläuterung. Allerdings bezog sich mein Hinweis aus die katholische Lehre auch nicht darauf, dass sie gesellschaftlicher Konsens wäre – so blauäugig bin ich auch nicht!
Nur: „Sowohl Scheidung wie auch hormonelle Verhütung wie auch trauscheinloses Zusammenleben sind unter Katholiken in Deutschland eine Selbstverständlichkeit.“ – Das stimmt, Prostitution ist es aber trotzdem, auch unter Nicht-Katholiken, nicht. Da liegt für mich der Unterschied, warum ich mich beim Thema Verhütung und ähnlichem auch nicht für ein geseztliches Verbot aussprechen würde, bei Prostitution schon.
Gottes Segen!