Die Stadt Münster will keinen Geldzuschuss zum Katholikentag 2018 beisteuern. Das kann man gut oder schlecht finden – kalt lassen sollte es niemanden.
Trennung von Staat und Religion ist gleichzeitig ein hohes Gut und ein Totschlagargument. Auf der einen Seite bedeutet es, dass sich ein Staat nicht in die Religionen einzumischen hat, dass aber auch die Religionen keine Überordnung zum Staat wahrnehmen, quasi die Richtlinien den Politik bestimmen können. Andererseits wird es aber auch so gedeutet, dass sich der Staat aus jedweder religiösen Äußerungen herauszuhalten habe, die Religionen keinen Einfluss auf die Politik nehmen dürfen. Während die eine Sicht eher ein störungsfreies Miteinander betont, sieht die andere den Konflikt zwischen Staat und Religion im Vordergrund.
Aus christlicher Sicht sind beide Positionen schwierig – die letztere aus naheligenden Gründen, die erstere eher aus theologischen: Natürlich befasst sich der christliche Glaube auch mit der moralischen Bewertung von Handlungen und sieht als obersten Maßstab die Bibel und – insbesondere für Katholiken – Tradition und Lehramt der Kirche. Sie kann sich einer solchen Beurteilung also gar nicht enthalten und nimmt damit Einfluss auf die Politik über den Glauben der Handelnden und Beteiligten wie zum Beispiel der Wähler. Verurteilt die Kirche eine Gesetzesvorlage als unmoralisch kann sie deren Verabschiedung in einer säkularen Demokratie wie der unseren nicht direkt verhindern, sie kann aber auf Wähler und Politiker einwirken. So, so denke ich, ist das Selbstverständnis des Christentums im Verhältnis zum Staat wohl in den meisten demokratischen Ländern der Welt.
Unter einem anderen Blickwinkel stehen Religion und Staat aber auch in einem Abhängigkeitsverhältnis zueinander. Staatliches Handeln kann Religionen stützen oder ihnen schaden, die Lehre einer Religion kann eine politische Richtung befördern oder eher behindern. Das immer wieder zitierte Böckenvördesche Diktum, wonach der Staat nicht die Grundlagen seiner Existenz selbst schaffen kann, ist ein solches Beispiel, dass der Staat von der Kirche auch profitiert. Er profitiert vom Christentum beispielsweise in der Übereinstimmung moralischer und gesetzlicher Regeln und er profitiert, wenn eine vorherrschende Religion dafür Sorge trägt, dass es bestimmte gesetzliche Regelungen gar nicht erst geben muss, weil sich manche Handlungen direkt moralisch verbieten und bis auf ein Strafrecht keine weiteren gesetzlichen Regulierungen notwendig sind. Je weniger Einfluss die Religion auf die Menschen hat, umso mehr setzt sich der Staat – aus seinem inneren Zwang der Ordnung heraus – an ihre Stelle.
Gerade in Fragen von Kirchensteuer und staatlichen Unterstützungsleistungen für die Kirchen wird auch von Kirchenseite immer wieder die Vorteilhaftigkeit der Religion für den Staat als Argument angebracht. Der christliche Glaube ist ein ordnender Faktor in der Gesellschaft, ganz abgesehen von karitativen Leistungen, die durch die Kirchen und ihre Institutionen erbracht werden. Das allerdings ist eine gefährliche Argumentation insofern, als dass es nicht das Ziel des Christentums, nicht der Zweck der Kirche ist, staatliche Ordnung aufrecht zu erhalten. Der Zweck der Kirche ist die Mission, und wer diesen Fakt aus den Reihen der Kirche außer acht lässt, läuft Gefahr, in eine zu starke Abhängigkeit vom Staat zu geraten: Ein Staat macht dann – durchaus nachvollziehbar – seine Unterstützung, materielle und ideelle, für die Kirche abhängig von deren Nutzen für die Gesellschaft, möglicherweise noch von deren Zustimmung für eine bestimmte Art der Politik. Aus ist’s mit der Unabhängigkeit von Staat und Religion.
Die Trennung von Staat und Kirche, das ist damit hoffentlich deutlich geworden, ist nicht gerade ein einfaches Thema, das aus sich heraus einfache Antworten zulässt. Nimmt die Kirche also staatliche Leistungen an ist das genau so aus beiden Sichten differenziert zu bewerten, wie wenn die Kirche mit ihren Leistungen für Staat und Gesellschaft argumentiert. Unter diesen Aspekten muss man die Entscheidung der Stadt Münster bewerten, für den 2018 dort stattfindenden Katholikentag keine finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen. Das Zentralkommittee der deutschen Katholiken (ZdK) beziffert die Gesamtkosten der Veranstaltung auf 9,3 Mio €, von denen die Stadt Münster 1,5 Mio € beisteuern sollte (Bund: 0,4 Mio €, Land NRW: 1,6 Mio €, Bistum Münster: 1,5 Mio €, Verband der Diözesen Deutschlands: 1 Mio €, Rest aus Eigenmitteln des ZdK wie auch Teilnehmerbeiträgen – Quelle: kath.net).
Als Argument wird in Münster die Haushaltslage der Stadt angeführt – das kann man angesichts des Gesamthaushalts schon mal in Frage stellen. Einleuchtender ist da wohl die Erklärung, dass mit den Stimmen von SPD, Grünen und Linkspartei aus dem Grund die Bezuschussung abgelehnt wurde, dass es eine kirchliche, noch dazu katholische Veranstaltung ist (wobei man sich nebenbei bemerkt über den „katholischen“ Charakter des Katholikentages auch keine Illusionen machen muss). Wie andere Kommentatoren, zum Beispiel der von mir bekanntermaßen geschätzte Klaus Kelle, betonen, wird in den Städten so viel Geld für völlig Unnützes ausgegeben, da hätte man bei Sparwillen die 1,5 Mio € schnell wieder drin.
Nein, die „Väter der Stadt Münster“ wollen das Geld nicht bereit stellen, weil es eine kirchliche Veranstaltung ist, daran wird man keinen Zweifel aufkommen lassen müssen. Die Frage, die mich dabei aber nach dem oben gesagten umtreibt: Ist das so schlimm? Vor Augen führen muss man sich schließlich auch, ganz neutral betrachtet, dass die insgesamt beantragten 3,5 Mio € aus Stadt-, Landes- und Bundesmitteln letztlich finanziert werden aus Steuergeldern. Es ist nicht „der Staat“, der für den Katholikentag bezahlen soll, es sind die Steuerzahler, denen die Kosten aufgebürdet werden. Auch hier könnte man mit Blick auf die Summe sagen, was soll’s schon, wo so viel Geld an anderer Stelle versenkt wird, aber hier geht es dann ums Prinzip: Sollte der Staat Gelder zur Verfügung stellen für eine kirchliche Veranstaltung, von der man nicht sagen kann, dass sie zumindest einer Mehrheit der Bevölkerung zu Gute kommt?
Auch hier wieder: Wie viele andere Zwecke werden mit städtischen oder anderen öffentlichen Mitteln gefördert, die bei weitem nicht die Reichweite haben, wie ein Katholikentag? Aber kann das ein Argument sein – für die Stadt Münster – Gelder zur Verfügung zu stellen? Eigentlich ist das ein Argument die gesamte Ausgabenpolitik auf den Prüfstand zu stellen, damit Münster, andere Städte, Nordrhein-Westfalen und der Bund zukünftig gar keine Schulden mehr machen. Das wäre ein Leichtes, stellte man alle Ausgaben ab, die beim Staat nichts zu suchen haben. Hier hat es nun eben den Katholikentag getroffen – im Prinzip und mit neutraler Brille betrachtet, ist das nachvollziehbar.
Etwas wird aber in jedem Fall deutlich, nämlich die Fronten, die in den vergangenen Jahren neu entstanden sind! Ein Stadtrat wie der von Münster hat sonst auch keine Hemmungen, Geld auszugeben, aber von einer Veranstaltung wie einem Katholikentag distanziert man sich lieber. Da geht es dann nicht mehr nur um Ersparnisse der Stadt, es geht nicht mehr darum, für welche Zwecke eine Kommune überhaupt Geld ausgeben sollte, hier wird bewusst ein Exempel an der katholischen Kirche (und nicht mal an ihrer konservativen Seite) statuiert. Die erschreckende, aber auch klärende Botschaft aus dem Münsteraner Stadtrat lautet: „Ihr Katholiken seid uns nicht willkommen! Ihr bietet keinen Mehrwert für die Gesellschaft, jedenfalls nicht so, wie wir ihn verstehen wollen! Ihr könnt bei uns feiern, aber ‚bringt Essen und Getränke selber mit!'“
Damit aber wieder, und das ist das eigentlich bedrohliche Signal aus Münster, verabschiedet man sich aus der kooperativen Sicht der Trennung zwischen Staat und Kirche, sucht die Konfrontation und entbindet sich von den kirchlichen Wurzeln, gerade in einer Stadt, von der man sagt, entweder regne es oder es läuten die Glocken. Münster – besser: die Vertreter der Stadt Münster geben die Wurzeln der Gesellschaft auf. Das sollte – auch vor dem Hintergrund anderer Ausgaben – auch Nicht-Katholiken beunruhigen!
Rosemarie Steins
Ich bete, dass ich mich irre, aber ich glaube, der Startschuss gegen die kath. Kirche ist gefallen.
Der Stadtrat weiß aber auch, dass der Katholikentag trotzdem stattfindet und Geld und die Stadtkasse fließt.
Papsttreuer
Danke für den Kommentar. In der Tat weiß der Stadtrat, dass die Stadt Münster im Zweifel nur gewinnen kann. Nur ein ergänzender Gedanke dazu: Schade, dass wir nicht in der Situation sind wie Olympia oder eine WM, deren potenzielle Austragungsorte darum bewerben müssen. Das wäre doch mal ein Ziel …
Gottes Segen!
Buchbaer
Wieder sehr zum Nachdenken anregender Text, vielen Dank. Ich stimme Ihnen zu, es geht selbstverständlich nicht um die paar Euro von der Stadt Münster. Wichtiger ist es, Handlungs-Räume klar zu benennen. Als Nichtchrist wünsche ich mir, dass wir beide unsere Unterschiedlichkeit leben können. Beispielsweise könnte Münster den Katholikentag fördern, weil dieser Kaufkraft in die Stadt bringt. Hinsichtlich des Werte-Nutzens sehe ich dies aus naheliegenden Gründen etwas abweichend. Wennich´s mal sehr vereinfacht formuliere: Gäbe es ihn, lebten wir alle glücklich in einer Katholischen Bundesrepublik.
Zu Ihrem Block mein großes Lob, ich lese Ihn oft und gern – ist immer wieder schön, wenn Menschen eine völlig andere Meinung haben!
Peter Paul
Liebe Katholiken,
stellt euch doch einmal die Frage ob nicht ihr diejenigen gewesen seid die zuerst Münster und mit Münster alle Menschen in Deutschland aufgegeben habt.
Wer sich nicht um die Menschen in seiner Gemeinde kümmert muß sich nicht wundern dass diese sich abwenden.
Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht? (Lk 6,41)
Und damit meine ich nicht die materiellen Dinge, repräsentative Bauten sind mir egal, nein was habt ihr denn für den Zusammenhalt dieser Gesellschaft getan wann genau haben die Menschen in Münster oder in Deutschland mal Eure Führsorge gespürt? Wenn ihr mal wieder die N*keule geschwungen habt um Geld für die Welt zu erpressen? Wann habt ihr das letzte Mal öffentlich die Deutschen ein gutes und fleißiges Volk genannt oder habt die deutsche christliche Kultur als schützenswert und als zu fördern benannt?
Und jetzt wenn sich die letzten Reste dieser Kultur auflösen habt ihr nichts anderes zu tun als zu bejammern das die Gelder nicht mehr fließen und Euch schnell den Neuen Insignien Halbmond und Sterne zuzuwenden. Ja, das ist natürlich auch einfacher als den David in der Löwengrube zu geben.
Ich bin getaufter Atheist, kein Gottesfeind, aber ich bin tieftraurig und auf höchste Beunruhigt das nicht einmal der Glaube der Katholiken ausreicht um den Zeitgeist etwas entgegen zu setzen.
2000 Jahre scheinen dem Christentum genug zu sein (die Evangelien sind ja nicht besser), und so werden dann wohl die nächsten 700 Jahre dem Islam gehören.