Habe ich eine persönliche Verantwortung für die toten Flüchtlinge im Mittelmeer? Warum sollten sie mich etwas angehen?
Im Mittelmeer sind gerade wieder mehrere Hundert Flüchtlinge ertrunken. Wieder ist so ein Flüchtliingsschiff aus Libyen vor deren Küste gekentert, mehr als 400 Menschen werden vermisst, was bei der Situation – vertraut man nicht auf ein Wunder – nur bedeuten kann: Sie haben es nicht überlebt! Zwischenzeitlich werden die Opferzahlen unter der Flüchtlingen in Tausenden gezählt, allen Apellen von Regierungen, örtlichen Behörden, selbst dem Papst zum Trotz: Es ist offenbar kein Ende dieser Tragödie in Sicht.
Und es werden Forderungen laut, man dürfe die Rettung und/oder Abschiebung der Flüchtlinge nicht alleine Italien überlassen. Man müsse sowieso mehr tun, als die Grenzen zur EU einfach nur abzusichern. Es vermengen sich in den Diskussionen darum Argumente wie die, die Flüchtlingswelle sei eine indirekte Folge westlicher Interventionspolitik, aber auch, dass es sich bei den Flüchtlingen in der Mehrzahl gar nicht um Verfolgte sondern um Wirtschaftsflüchtlinge handelt. Wobei sich die Begriffe wohl kaum – jedenfalls nicht aus einer moralischen Sicht – so eindeutig abgrenzen lassen. Und wobei man durchaus verstehen kann, dass es sich bei „Wirtschaftsflüchtlingen“ aus dieser Ecke der Welt nicht um Menschen handelt, die sich um einen besseren Job bemühen, sondern die tatsächlich in ihrer Heimat vor dem Nichts stehen. Niemand – Ausnahmen mögen die Regel bestätigen – verlässt Heimat, Familie und Freunde wegen ein paar Euro mehr. Aber wenn die Not groß genug ist … Wer wollte es dann diesen Menschen verdenken, das Heil im Norden, in der EU zu suchen?
Wenn man parallel aber zugesteht, dass die staatliche Flüchtlingspolitik eben nicht darauf angelegt ist, in der heimischen Bevölkerung Vertrauen zu schaffen, wenn sich unter die Flüchtlinge immer wieder auch mal ganz gewöhnliche Kriminelle, womöglich islamistische Extremisten mischen, wenn Flüchtlinge – ob kulturell bedingt oder durch die Bedingungen zumindest beeinflusst, straffällig werden, fragt sich der Mitteleuropäer: Wie viele müssen wir denn aufnehmen? Wann ist es genug, wann ist das „Boot voll“?
Zumal sich irgendwann auch die Frage stellt, wie sie jetzt zwischen Kommunen, Ländern und Bund diskutiert wird: Wer zahlt die Rechnung? Als normaler Bürger können wir uns da beruhigt zurücklehnen, es sind sowieso unsere Steuergelder, die dafür aufgewendet werden, bei denen eigentlich nur eins sicher ist: Sinnvoll eingesetzt und verteilt werden sie nicht! Dabei ist die Bereitschaft zur Aufnahme von „echten“ Flüchtlingen offenbar ungebrochen. Wer verfolgt wird und bei uns Schutz sucht, sollte den auch finden. Mit dieser Bereitschaft sind aber die Probleme nicht gelöst: Flüchtlinge müssen untergebracht werden … aber doch bitte nicht in meiner Nachbarschaft! Flüchtlinge müssen versorgt werden … aber da sollte doch bitte nicht übertrieben werden! Flüchtlinge, die länger hier bleiben, müssen integriert werden … aber doch bitte nicht mit meinem Arbeitsplatz, von meinen Steuergeldern! Das Flüchtlingsthema ist wieder mal eines, das keine einfachen Antworten zulässt, und Demagogen – von rechts wie von links – erkennt man daran, dass sie sie versprechen.
„Alle reinlassen, Flüchtlinge und Migranten sind alles Kulturbereicherer“ ist ebenso fehlegeleitet wie „Grenzen dicht machen, sollen die sich doch selbst helfen!“ Aber bevor man mit dem Finger auf Politiker zeigt, sollte sich jeder die persönliche Frage stellen: Was habe ich damit zu tun? Wieso sollte ich persönlich verantwortlich sein. Linke Demagogen sind dann schnell zur Hand mit dem Hinweis auf internationale Handelsbeziehungen, von denen wir als Konsumenten profitieren, unter denen Menschen in Dritte-Welt-Ländern aber leiden. Aber haben wir wirklich die Möglichkeit, uns dem zu entziehen, selbst wenn wir wollten? Und ginge es den Menschen in Syrien wirklich besser, wenn wir uns nur noch mit fair gehandeltem Kaffee versorgten?
Aber wissen Sie was: Das sind alles nur Ausreden! Erinnern Sie sich an meinen Beitrag von gestern zum Jubiläum der Barmherzigkeit? An die leiblichen Werke der Barmherzigkeit, die der Papst in seiner Ankündigung des Heiligen Jahres aufgeführt hat?
Die Verkündigung Jesu nennt uns diese Werke der Barmherzigkeit, damit wir prüfen können, ob wir als seine Jünger leben oder eben nicht. Entdecken wir erneut die leiblichen Werke der Barmherzigkeit: Hungrige speisen, Durstigen zu trinken geben, Nackte bekleiden, Fremde aufnehmen, Kranke pflegen, Gefangene besuchen und die Toten begraben.
Da steht keine Bedingung! Wir sind als Christen nicht aufgefordert, Hungrige zu speisen, nur wenn wir für deren Hunger verantwortlich sind, Fremde aufzunehmen, nur wenn wir an deren Obdachlosigkeit einen Beitrag haben, Tote zu begraben, nur wenn wir sie kennen! Ich weiß, das klingt wie Sozialromantik, aber was ist unser christlicher Glaube wert, wenn wir anfangen, Bedingungen für unsere Barmherzigkeit aufzustellen? Wer mich kennt weiß, dass ich nichts von staatlichen Umverteilungen halte – der Staat ist der denkbar schlechteste Monopolist zur Hilfeleistung an Bedürftige. Das heißt aber nicht, dass wir unsere Hände in den Schoß legen dürfen, nur weil der Staat uns schröpft und nicht in der Lage zu sein scheint, diese „Werke der Barmherzigkeit“ zu leisten. Da sind Menschen auf der Flucht, sie hungern, dürsten, sind nackt, fremd, vielfach krank, werden eingesperrt … und Tausende sind schon gestorben ohne Chance, begraben zu werden!
Bei dem Flugzeugabsturz der German-Wings-Maschiene in Frankreich ging eine Welle des Mitgefühls durch dieses Land … und wie ich finde, auch bei manchen Ausreißern insbesondere in der Berichterstattung, zurecht. Aber dieses Mitgefühl war „gratis“, die Flüchtlingswelle aus Afrika wird uns kosten … und daran wird sich unsere Moral und unser Glauben beweisen müssen.
Dazu – nur als Anregung:
qed
Es ist atemberaubend, mit welcher Chuzpe uns sog. „Christen“ die Selbstauslöschung predigen- spätestens mit dem heutigen Tage bin ich glühender Atheist. Ein „Glaube“, der eine ganze Kultur und ihre Zivilisation den Barbaren zum Fraße vorwirft, ist nichts weiter als ein brandgefährlicher, antihumanitärer, satanischer Kult.
Wir müssen dereinst unsere Kinder auf den Knien um Vergebung anflehen, sie in eine Welt hineingezeugt zu haben, die ihnen nur das Los von Sklaven läßt, weil sie Weiße sind.
Es gab einen, der es genau so vorhergesehen hat: Der berühmte norwegische Blogger ‚Fjordman‘.
Er wurde zum geistigen Ziehvater des Massenmörders Breivik stilisiert und existenziell vernichtet.
Hier sind einige seiner Essays übersetzt worden:
https://fjordman.wordpress.com/
Papsttreuer
Verehrte/r qed,
Danke für den Kommentar – ich schätze ehrliche Worte, auch wenn ich Ihre Meinung, wie Sie sich denken können, nicht teile. Ich habe mich bemüht, keine „einfachen Antworten“ zu geben, aus der Überzeugung heraus, dass es die nicht gibt. Weder die Grenzen dicht zu machen, noch sie schleusentorartig zu öffnen, ist eine Lösung. Aber ich bin davon überzeugt, dass Christen gefordert sind, auf Katastrophen wie die, die sich in Nordafrika – auch und vor allem unter den Christen – abspielen, eine Antwort zu geben.
Gottes Segen!
Dirk Bernard
Sehr geehrter Papsttreuer, ich lese seit einiger Zeit mit Gewinn Ihren Blog. Wenn ich auch nicht alle Ihre Ansichten teile, kommen von Ihnen immer wieder gute Denkanstöße, für die ich mich bedanke. Bei Ihrem obigen Artikel habe ich allerdings den Eindruck, daß ein zentraler Aspekt gar nicht beleuchtet wurde, nämlich daß es sich bei den Flüchtlingen in erschreckend großer Zahl gar nicht um Asylberechtigte handelt. Um ein Beispiel zu nennen: In Bayern wurden in einem Zeitraum von einem Monat tausend Flüchtlinge aufgenommen, von denen nur zwei ein Bleiberecht zuerkannt wurde. Und dies nicht, weil sie Asylgründe nachweisen konnten, sondern weil sie krank waren, ihnen also aus humanitären Gründen ein Bleiberecht zuerkannt wurde.
Ich habe die christliche Lehre, Jesus und die katholische Kirche immer so verstanden, daß man alles in seiner kraftstehende zu tun hat, um seiner Familie, seinen Freunden, ja auch mal Fremden, zu helfen. Vollkommen fremd ist mir allerdings der Aspekt, sich für dumm verkaufen zu lassen. Ich halte es auch nicht für besonders edel – oder fromm -, Fehler bei anderen zu sehen und trotzdem nichts zu sagen. Das ist so ein typisches 70er Jahre evangelische Kirche wir tanzen ums Feuer Eia Po Peia.
Oder um es vielleicht etwas schärfer zu formulieren: Es ist ein Zeichen der Dekadenz, wenn man verlernt hat, sich um das Eigene zu kümmern, sich um das Eigene zu sorgen.
Gottes Segen.
Papsttreuer
Lieber Herr Bernhard,
vielen Dank für den Kommenter, der zu den differenzierteren gehört, die mich zwischenzeitlich zu dem Beitrag erreicht haben. Mein heute Morgen veröffentlichter Beitrag „Leser-Bashing: …“ ist daher nicht auf Sie gemünzt. Ich bin der Ansicht, dass wir als Christen Verantwortung tragen, barmherzig zu sein haben auch für Wirtschaftsflüchtlinge. Wie das aussehen kann, und das wir in Nordeuropa nicht jeden aufnehmen können, der kommen will, steht auf einem ganz anderen Blatt.
Gottes Segen!
Dirk Bernard
Lieber Papsttreuer,
ich muß Ihnen gleich nochmal antworten: Die Barmherzigkeit, von der sie sprechen, ist ganz richtig. Natürlich kann auch nicht jeder aufgenommen werden. Aber: Was meinen Sie konkret? Wie sollte der Staat auf den Flüchtlingsstrom reagieren, wie sollten wir als Christen darauf reagieren?
Zudem: Sie schreiben davon, daß auch wir „Verantwortung tragen“. Was meinen Sie damit konkret?
Es kann durchaus sein, daß wir d’accord liegen, aber wieso sollte ich Verantwortung tragen für Kenia? Oder für Somalia und das dortige politische und wirtschaftliche System? Ich trage doch vielmehr für mich und meine Umgebung Verantwortung: Für die Oma, daß sie nicht ins Altenheim kommt, sondern zu hause gepflegt wird. Oder für meine drei Kinder, daß sie ordentlich lernen und später wiederum die Gemeinschaft unterstützen können. Da wird doch ein Schuh daraus.
Doch wenn ich Solidarität für alles und jeden einfordere, dann wird es zuviel, dann fällt das Einzelwesen auf das eigene Ich zurück, dann zerfällt die Gemeinschaft, dann zerfällt der Sinn für das Gemeinsame. Weil eben nicht die ganze Welt Gemeinschaft sein kann.
In diesem Sinne, Gottes Segen.
Papsttreuer
Lieber Herr Bernhard,
vermutlich sind wir wirklich nicht weit auseinander, schon allein deshalb weil ich Ihrem Kommentar entnehme, dass Sie sich die Beschäftigung mit dem Thema nicht leicht machen. Und sie legen den Finger auch zu Recht in eine offene Wunde: Ich weiß nämlich in der Tat nicht, wie Regierungen oder wir als Christen damit umgehen können, schließlich können wir nicht die Probleme der Welt lösen, die die sich teilweise auch noch selbst „eingebrockt“ haben. Prämisse muss aber nur sein, und mehr will ich eigentlich gar nicht sagen, dass es uns was angeht. Wir tragen persönlich keine Verantwortung für die Zustände in Syrien, Libyen etc. Aber das „Prinzip Barmherzigkeit“ sollte auch ohne diese Prämisse der persönlichen Verantwortung gelten. Dazu kann ich niemanden zwingen, sollte niemanden dazu zwingen, aber als Christen übernehmen wir Verantwortung, wo wir sie nicht direkt haben.
Gottes Segen auch Ihnen!