In der Osterzeit eine Rosenkranzbetrachtung über den schmerzhaften Rosenkranz zu schreiben, fällt schwer. Aber Kreuz und Auferstehung gehören eben zusammen.
In der Leidensgeschichte Jesu ist das Kreuz erst mal sehr plastisch zu verstehen. Ob es nun ein ganzes Kreuz war oder nur ein Querbalken, den er durch Jerusalem schleppen musste, ohnehin geschwächt von Folter und Müdigkeit – die Beschreibungen der Bibel machen deutlich, was es für ein Schmerz gewesen sein muss. Gerade in der Fastenzeit oder Karwoche schauen viele den Film „Die Passion Christi“ von Mel Gibson und hier bekommt der Kreuzweg neben der Folterung einen besonderen Stellenwert. Es wird körperlich deutlich, wie schwer der Weg nach Golgotha gewesen sein muss.
Aber natürlich hat dieses Kreuz auch für uns eine, nein, mehrere Bedeutungen. Zunächst mal die bekannte Übertragung unserer Sünden auf das Kreuz: Christus ist für unsere Sünden gestorben, er trägt unsere Sünden, die Sünden der Welt von Anbeginn bis zum Ende, mit auf das Kreuz. Ich selbst habe ein Bild vom Fegefeuer vor Augen, dass nicht einem echten Feuer entspricht, sondern eine Zeit, eher eine Situation darstellt, in der mir meine Sünden bewusst werden: Was habe ich getan, was hätte ich tun können, was tun müssen – wie weit bin ich mit meinem Leben, mit jeder Sekunde meines Lebens hinter dem zurückgeblieben, für das ich mal geschaffen wurde? Und dabei geht es nicht um einen Sadimus Gottes, der mir mein Versagen vor Augen führt, sondern um eine notwendige Reinigung, die nur durch Erkenntnis erfolgen kann. Was für ein furchtbarer Augenblick der Erkenntnis! Und hoffentlich: Wie befreiend und liebevoll!
Überträgt man dieses Bild des Fegefeuers auf Jesus, wird einem wiederum klar, warum er nicht einfach schnell ermordet werden konnte. Er musste den ganzen Weg des Leidens gehen, und mit dem Kreuz aus Holz das Bewusstsein für alle Sünden dieser Welt mitnehmen. Jesus trägt in seinem schweren Kreuz eben unser aller Kreuze, manche größer, manche kleiner, niemand aber ohne ein solche Kreuz. Abgesehen von der Gottesmutter, mit deren Augen wir diesen Rosenkranz wieder beten, und die die Sünden der Menschen nicht selbst begangen hat, die sie aber gerade jetzt, auf dem Kreuzweg ihres Sohne sieht, haben selbst die Heiligen ein solches Kreuz von Verfehlungen und Irrwegen, Beleidigungen gegen und Abwendungen von Gott zu tragen. Und auf dem Kreuzweg trägt sie Jesus.
Und es kommt noch ein zweites Bild des Kreuzes ins Bewusstsein in einem Wort Jesu, dass er noch weit vor seinem Leidensweg gesagt hat:
Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.
(Matthäus 16,24)
Wir sind in die Nachfolge Jesu gerufen. Er hat sich selbst, seine Gottheit, in der Menschwerdung verleugnet und das Kreuz unserer Sünden, unseres Todes, auf sich genommen. Und nun ist es an uns, so zu werden wie er. Wir sind Abbild Gottes, der Anspruch kann nicht höher sein. Und so fragen wir zu Recht, was das denn bedeutet „sein Kreuz auf sich nehmen“? Man kann es sich einfach machen und nur die eigenen Sünden, wie oben beschrieben, auf sich nehmen. Man kann es auch so interpretieren, dass wir die Belastungen, die unser Leben, auch unser Leben als Christen, ausmachen, bereitwillig auf uns nehmen.
Anfeindungen zu erleben, verlacht zu werden, unverstanden zu bleiben, das alles gehört zum Christsein dazu und kann ein schweres Kreuz sein. Und damit kommen wir dann auch zu dem, was vielleicht der eigentliche Sinn dieses Wortes ist: Warum nehme ich diese Kreuze auf mich? Hoffentlich nicht aus einem eher egoistischen Wunsch, in den Himmel zu kommen, sondern aus dem Wunsch, andere in den Himmel zu führen. Wenn wir so denken, dann handeln wir wie Jesus, der sein Kreuz auch nicht auf sich genommen hat um sich, sondern um uns zu erlösen!
Von da aus passt so eine Betrachtung dann auch wieder in die Osterzeit: Denn nach dem Kreuz, nach der Erkenntnis und dem Fegefeuer, nach den Leiden, die man für die Welt auf sich nimmt, folgt die Auferstehung, Ostern! Dieses Osterfest, eines das uns alle noch viel persönlicher betreffen wird als die Auferstehung Jesu – die ihre Bedeutung letztlich daraus erfährt, ist das Ziel des Lebens, auch das Ziel und die Erfüllung des Leidens. Jesus hat es vorgemacht, und alles was wir tun müssen ist, ihm nachzufolgen. Klingt einfach … und ich bin mir nur zu sehr, fast schmerzlich bewusst, wie schwer das eigentlich ist, und wie schwer es für Jesus, ganz Gott doch auch ganz Mensch, gewesen sein muss.
akinom
Mir hat „mein Rabuni“ auf seinem Kreuzweg in Gegenwart der Gottesmutter als Muttertagsgeschenk die „Berufung zum Weinen“ geschenkt: „Weine über Dich und Deine Kinder!“ Und dies ist für mich Teil meines Fegefeuers, das ich auf Erden leben darf.
Das Fegefeuer sehe ich als Ort schmerzlichster Sehnsucht mit der Gewissheit, dass diese Erfüllung findet. Die Hölle kann ich mir dagegen nicht als Feuer vorstellen, sondern als Ort unvorstellbarer Eiseskälte des Hasses.