Die Griechen haben gewählt und sich gegen die Reformauflagen der EU entschieden. Unbeantwortet bleibt: Wozu hat Griechenland mit diesem Nein „Ja“ gesagt?
Ganz ehrlich, mir ging das Theater um die Rettung der griechischen Wirtschaft in den vergangenen Wochen mehr und mehr auf den Wecker. Man ahnte so langsam, dass es auf dem eingeschlagenen Weg jedenfalls nichts mehr werden würde, sich das aber niemand einzugestehen bereit war, weder die Verhandlungsführer der Griechen, noch die der restlichen EU. Im Hinterkopf musste man dabei immer haben, dass auch die anderen Staaten, die möglicherweise in eine ähnliche Situation wie die Griechen kommen könnten, mit Argusaugen beobachten, wie EZB & Co. reagieren. Nun also das „Nein“ der Griechen zu den Forderungen der Gläubigerstaaten … und man fragt sich, ob da nicht der Schwanz mit dem Hund wedelte. Der Kabarettist Dieter Nuhr postete gestern auf Facebook „Meine Familie hat demokratisch abgestimmt: Der Hauskredit wird nicht zurückgezahlt. Ein Sieg des Volkswillens!“
In der Tat: Der griechische Staat ist bis über beide Ohren verschuldet, als Privatperson oder kleines Unternehmen wäre man unter ähnlichen Bedingungen schon lange pleite gegangen. Aber so wie große Unternehmen und Banken oftmals als „systemrelevant“ gelten, ist das auch bei Staaten: Too big to fail! Ist diese Situation erst mal erreicht, hat man als Schuldner schon wieder bessere Karten. Das nutzten die Griechen in den vergangenen Wochen bis zum Exzess, und so muss man wohl auch dieses „Nein“ verstehen: „Ihr werdet schon sehen, was Ihr davon habt, wenn Ihr uns so drangsaliert!“
Nun kann man als freiheitlich denkender Mensch dieser Sicht der Griechen nicht viel abgewinnen: Jedes Handeln in Freiheit ist mit Konsequenzen verbunden. Wenn ich einen Kredit aufnehme, kann ich mich nicht anschließend über Zinsen und Zahlungsbedingungen beschweren. Besonders dann nicht, dass sei an dieser Stelle nicht vergessen, wenn ich mir den Kredit wie die Griechen die Euro-Beteiligung über Falschaussagen über meine wirtschaftliche Situation erschlichen habe! So sind auch viele der Reaktion aus dem Rest der Euro-Länder, vor allem in den Boulevard-Medien verständlich: „Wenn Ihr nicht wollt, dann drehen wir Euch jetzt eben den Geldhahn zu!“
Andererseits stellt sich aber auch die Frage, ob denn die bisherige Entwicklung mit dem Anspruch der Freiheitlichkeit überein gebracht werden kann? Der Rentner, der heute kein Geld mehr bekommt, und weinend vor dem Geldautomaten sitzt, der seine Existenz ganz konkret bedroht sieht, ist nicht gefragt worden, ob er denn den Euro haben wollte, geschweigen denn, dass er hat überschauen können, was es bedeutet, wenn eine Volkswirtschaft wie die der Griechen plötzlich in direkter Konkurrenz zur deutschen steht, ohne die Möglichkeit der Währungsanpassungen. Und während heute viele über die Rettung von Banken und Großkonzernen genau so schimpfen wie über den „Raubtierkapitalismus“, den man in Griechenland nun abgewählt hätte, fällt denen gar nicht auf, dass es sich dabei um einen Widerspruch handelt: In einem freien Markt rettet der Staat (und damit der Steuerzahler, aber ohne dessen direkte Einwilligung) keine Banken, auch keine Großen.
Nun ist man im Nachhinein immer schlauer, wenn man feststellt, dass es die unterschiedlichen Regierungen Griechenlands in den letzten Jahren – gemeinsam mit den Kredit- und Währungs-„Experten“ der EU – waren, die das Land in die Misere geführt haben, der einzelne Grieche nur insofern dafür verantwortlich ist, als er diese Regierungen in demokratischen Wahlen gestützt hat. Aber vor diesem Hintergrund wird das griechische Nein noch dramatischer: Man hat nämlich nicht den Euro abgewählt, als eine Währung, die für Griechenland von Anfang an nicht passte, man hat nicht die Regierung abgewählt, die in den vergangenen Monaten unfähig war, an Alternativen zu arbeiten.
Man hat sich in Griechenland nicht gegen fehlerhafte staatliche Einmischungen in den Markt gewendet, man bekämpft mit dem „Kapitalismus“ eigentlich nur Windmühlen, denn dieser Kapitalismus ist keiner! Man hat sich – auch aufgrund der ausgewählten Fragestellung des Referendums – nicht für mehr Freiheit sondern für mehr Sozialismus entschieden, man erwartet die Rettung weiterhin von einer Regierungsorganisation, die sich bereits als inkompetent erwiesen hat.
Wenn also heute umgekehrt auch manche Liberale jubeln, man habe sich in Griechenland gegen den Euro entschieden, muss man dem widersprechen: Ich interpretiere die Entscheidung als eine für MEHR Euro , MEHR Staatswirtschaft, MEHR Interventionen, MEHR ungedeckte Kredite – am Ende: WENIGER Freiheit! Das Spiel könnte man auch unter diesen Bedingungen noch eine Weile weiter so spielen. Am Ende ist es aber der vor dem Geldautomaten weinende Rentner, der die Zeche zahlen muss. Freuen kann ich mich darüber nicht im geringsten!
Karl
Wenn „nein“ die falsche Entscheidung war, wäre dann „ja“ die richtige gewesen? Das wird man doch wohl nicht gut sagen können; denn „ja“ hätte „weiter so“ bedeutet, weiter so, wie es bisher schon nicht funktioniert hat. Nun haben wir ein „nein“, und da meinen die Griechen natürlich, es bedeute weiter so bei der Kreditnahme, aber nicht weiter so bei den Auflagen. Wenn sich die Kreditgeber das gefallen lassen, sind sie endlich demaskiert. Von da an brauchen sie im Grunde in keine Verhandlung mehr zu gehen, es wäre offenkundig und für jeden sichtbar, daß sie nicht das Wohl der eigenen Bevölkerung im Auge haben. Deswegen glaube ich, daß das „nein“ ein besseres Ergebnis ist, als es das „ja“ gewesen wäre.