Der Iran ist nach der Doktrin, dass der Feind eines Feindes ein Freund ist, zwischenzeitlich fast ein Partner des Westens. Die innere Lage des Landes spricht aber dagegen, ihn zum Freundeskreis zu zählen.
Der Iran baut die Bombe … nicht! Zu dieser Ansicht sind die UNO-Vetomächte (USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien) und deutsche Vertreter im Dialog mit Diplomaten des Iran gekommen. Seit Jahren schwelte der Streit um die zivile Nutzung der Atomenergie im Iran, bei der man argwöhnte, man würde Know-how und Technik dazu benutzen, eine Atombombe zu entwickeln und bauen. Jetzt hat man sich auf Rahmenbedingungen geeinigt, die sicherstellen sollen, dass das nicht passiert. Im Gegenzug werden entsprechende Sanktionen und Embargos fallen gelassen. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat an den Regelungen Zweifel und hält – Israel ist selbst Atommacht – die Einigung für „einen Fehler historischen Ausmaßes“, aber ansonsten scheinen die meisten ganz aus dem Häuschen zu sein über die Fortschritte.
Dazu mag beitragen, dass sich die zukünftig im Iran nachgefragten Technologien und Ingenieurleistungen – nicht nur im Umfeld der Atomenergie – auch gut verkaufen lassen. Und nun, wo man den Iran an der Seite im Kampf gegen den Islamischen Staat wähnt und der iranischen Regierung auch im Atomstreit über den Weg traut, rollt die Wirtschafts-Maschinerie los. Im Iran ist Geld zu verdienen, da wird es sich selbst unser Wirtschaftsminister Gabriel nicht nehmen lassen, das Land zu besuchen. Wie berichtet wird, reist er vom Sonntag bis Dienstag mit einer Delegation von Wirtschaftsvertretern nach Teheran und Isfahan: zur Pflege von Wirtschaftskontakten, wie es heißt. n-tv zitiert den Außenwirtschaftschef des Spitzenverbandes DIHK, Volker Treier, mit den Worten: „Wenn alles gut läuft, könnten wir in drei, vier Jahren die 10-Milliarden-Marke beim Export knacken“, und „Das Land hat einen Riesennachholbedarf. Es gibt eine potenziell große Nachfrage nach deutschen Produkten, etwa bei der Erdöl- und Erdgas-Exploration, Chemie, Konsumgüter, Textil und Nahrungsmitteln.“
Es kann einen schon nervös machen, wenn sich nun nicht nur Wirtschaftsvertreter über einen sich öffnenden Markt freuen sondern sich auch die Politik einmischt. Schon werden Forderungen laut, dass auch die Banken ihre Geschäftspolitik gegenüber dem Iran ändern müssten. Die Finanzinstitute, so zitiert n-tv Ulrich Ackermann, beim VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau) zuständig für Außenwirtschaft, müssten nach dem Politikwechsel ihre Geschäftspolitik anpassen, sonst „lassen sie die produzierende Industrie im Regen stehen“. Industrie, Banken und Politik schwören sich auf ein koordiniertes Vorgehen ein. Das nennt man wohl Korporatismus, ist aber andererseits natürlich dann verständlich, wenn andere Staaten letztlich nicht anders handeln. Ein freier Markt ist das nicht, da kommt man schnell und nachvollziehbar auf den Gedanken, sich dem anpassen zu müssen, um am Ende nicht in die Röhre zu schauen.
Aber bevor demnächst seitens der Politik wieder Krokodilstränen mit Blick auf die Opfer des islamischen Terrorismus vergossen werden, lohnt vielleicht auch mal ein Blick jenseits wirtschaftlicher Parameter: Die Menschenrechtslage im Iran ist nämlich, entgegen dem Eindruck, den man aktuell durch die Berichterstattung bekommen könnte, nur desaströs zu nennen. Im Iran herrscht als Staatsreligion der schiitische Islam. Alle Gesetze des Landes müssen scharia-konform gestaltet sein. Kein Wunder also, dass hier die Verfolgung von Christen und insbesondere von Konvertiten höchst dramatische Ausmaße annimmt.
Der christliche Verein OpenDoors verortet den Iran darum auf Rang 7 im jährlich erscheinenden Weltverfolgungsindex – noch vor Pakistan, das hierzulande als deutlich extremistischer wahrgenommen wird. Die Situation im Iran beschreibt OpenDoors unter anderem wie folgt:
Die Hauptakteure der Christenverfolgung sind Regierungsbeamte, nicht-christliche religiöse Leiter, fanatische Bewegungen und revolutionäre sowie paramilitärische Gruppierungen. […] Das Christentum wird als ein verdammungswürdiger, westlicher Einfluss betrachtet und gilt als beständige Bedrohung der Islamischen Identität der Republik. Dies trifft umso mehr zu, als die Anzahl der Christen wächst und angeblich sogar Kinder politischer und geistlicher Leiter sich dem christlichen Glauben anschließen. Neben den Christen erleben auch andere religiöse Minderheiten wie Juden, Bahai, Zoroastrier, Derwische und Sunniten, dass ihre Rechte verletzt werden. Dies trifft besonders hart die Bahai, die laut Verfassung nicht anerkannt sind.
Muslimen, die den Islam verlassen, droht die Todesstrafe. Besonders im Fokus der Regierung steht, wer sich um Konvertiten kümmert. Auch gut etablierte Kirchen sind in diesem Fall nicht sicher vor Schikanen: Ihre Mitglieder werden verhört, verhaftet und auch ins Gefängnis gesteckt und geschlagen.
Aufschluss über die Lage im Iran vermittelt auch die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM), die von konkreten Beispielen der Verfolgung berichtet:
Durch Tritte bei „Verhören“ erlitt Pastor Abedini innere Verletzungen, die nach wie vor in seinen Magen bluten. Ärzte des Gefängnisses und eines Zivilkrankenhauses fordern seit über einem Jahr, dass er wegen der Misshandlungen durch die Wärter und Polizei operiert werden muss, doch die Behörden verweigern ihm die dringend notwendige Hilfe. Monatelang sah Abedini kein Sonnenlicht. In der Einzelhaft brannte das Kunstlicht in seiner winzigen Zelle Tag und Nacht. Eine Matratze hatte er nur kurz, als er nach einem „Verhör“ in ein Krankenhaus eingeliefert wurde. Als die Wärter ihn wieder abholten, schlugen und demütigten sie ihn vor dem schockierten Krankenhauspersonal. Seine Peiniger machen ihm immer wieder deutlich, dass es nur einen einzigen Weg in die Freiheit gäbe: Er muss wieder Muslim werden.
Die IGFM zitiert auch aus einer Resolution der UN-Generalversammlung aus dem Jahr 2012 diverse Menschenrechtsverletzungen, die im Iran an der Tagesordnung sind:
- „Folter und grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlungen oder Strafen, namentlich Auspeitschen und Amputationen“
- „große Anzahl von Hinrichtungen, die unter Missachtung international anerkannter Garantien durchgeführt werden, namentlich öffentliche Hinrichtungen und Hinrichtungen von Minderjährigen“
- „Personen in Gefangenschaft, denen weiterhin eine Verurteilung zur Hinrichtung durch Steinigung droht“
„zunehmende Diskriminierung und andere Menschenrechtsverletzungen gegenüber Angehörigen religiöser Minderheiten, ob anerkannt oder nicht, unter anderem Christen, Juden, Sufis und sunnitische Muslime und derjenigen, die sich für sie einsetzen, und insbesondere Angriffe gegen Bahá’ís und ihren Glauben“- „Festnahme und gewaltsame Unterdrückung von Frauen, die ihr Recht, sich friedlich zu versammeln, ausüben, sowie die Verhängung von Strafen gegen diese Frauen, eine Einschüchterungskampagne gegen Verfechter der Menschenrechte von Frauen und die fortdauernde Diskriminierung von Frauen und Mädchen im Gesetz und in der Praxis“
- „fortdauernde, systematische und schwerwiegende Einschränkungen der Freiheit, sich friedlich zu versammeln, der Vereinigungsfreiheit sowie der Meinungsfreiheit und des Rechts der freien Meinungsäußerung“
Der Iran baut hoffentlich keine Atombombe; die Zweifel, die Israel hegt, kann man verstehen, wenn man die zumindest verbalen Drohgebärden des Iran, der die Existenzberechtigung des Landes immer wieder in Frage stellt, ernst nimmt. Aber selbst wenn nicht: Der Iran ist vor dem Hintergrund der Menschenrechtssituation kein Land, dessen Vertreter man als Freunde am Tisch sitzen haben möchte. Wenn also jetzt aufgrund des Durchbruchs bei den Atomverhandlungen so getan wird, als sei alles gut in Persien, dann offenbart man damit – unser Wirtschaftsminister vorne weg – eine recht eigenartige Prioritätenliste, auf der die Nöte der Verfolgten im Iran offenbar ganz hinten stehen. Ich halte nicht viel von Handelsbeschränkungen und Embargos, aber jeder der handelnden Akteure möge doch bitte auch sein Gewissen befragen, ob eine Stärkung des iranischen Regimes durch Handel tatsächlich bereits angeraten ist. Man muss nicht jedes Geschäft machen, nur weil es nicht mehr verboten ist!
Siegfried Simperl
Moon of Alabama Zwischen dem Iran und einigen Mitgliedsländern des Unsicherheitsrats wurde ein Abkommen geschlossen. Es wird einige Zeit brauchen, um den vollen Text und die Anhänge, rund 160 Seiten, zu lesen und zu begreifen und das Ergebnis zu beurteilen.werden, wird hauptsächlich Meinungsmache von beiden Seiten sein, und der Abgrubd steckt wie immer im Detail.
Das Abkommen selbst ist ein bedeutender Eingriff in die Souveränität des Iran, erzwungen durch eine künstlich erzeugte Krise rund um ein iranisches ergänzende Ansicht……
Atomprogramm, das es nicht gibt und das niemals existiert hat. Um die Scheinheiligkeit zu erkennen, braucht man nur die Atombomben zu zählen:Die Vereinigten Staaten von Amerika haben einen schlechten Leumund in Bezug auf die Einhaltung von internationalen Abkommen, die sie geschlossen haben. Nordkorea wurden zwei Kernkraftwerke versprochen, die die Vereinigten Staaten von Amerika errichten würden, wenn es seine nuklearen Aktivitäten einstellt. Gebaut wurde keines und Nordkorea begann wieder mit seinem Waffenprogramm. Libyen stimmte zu, ein kleines in der Frühphase befindliches Atomprogramm aufzugeben, und die Vereinigten Staaten von Amerika zerstörten den Staat.
Netanyahus Unterstützer im Kongress der Vereinigten Staaten von Amerika werden ihr bestes geben, um das laufende Abkommen zu blockieren. Sollten sie dazu nicht imstande sein, dann werden Versuche erfolgen, den nächsten Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika dazu zu bringen, das Abkommen zu brechen. Der Iran muss jetzt sehr vorsichtig sein, um nicht in die Falle neuer Zugeständnisse oder sogar eines Krieges zu tappen.