Gehört Klaus Kelle zu einer aussterbenden Art von Journalisten? Ich hoffe nicht, bin aber nicht sicher.
Wer differenziert, so war letztens zu lesen, habe im Zweifel keinen Erfolg. Und in der Tat, Positionen zwar konsequent zu vertreten, aber sich dabei nicht von Ideologien vereinnahmen zu lassen, bedeutet auch, immer wieder anderen zu widersprechen, mit denen man eben noch einer Meinung war. In der Politik scheint das beinahe tödlich zu sein, hindert es doch an der notwendigen Kompromissbildung, was bestimmte Kooperationen von vorneherein ausschließt. Da ist es gar nicht mal so schlecht, wenn man dort zu Entgegenkommen bereit ist, in Themen, die einem als weniger wichtig erscheinen und so am Ende handlungsfähig zu sein.
Von einem Journalisten erwarte ich etwas anderes. In Anlehnung an das Diktum, ein Journalist dürfe sich mit keiner Sache gemein machen, selbst wenn sie gut ist, glaube ich, dass sich ein Journalist mit keiner Partei (ob politisch im engeren Sinne oder gesellschaftlich im weiteren Sinne) gemein machen sollte, auch wenn sie in Teilen eine gute Sache bzw. seine Sache vertritt. Das heißt nicht, dass ein Journalist nicht auch in einer Partei sein darf (das anstehende „Experiment“ des Schweizer Journalisten und Verlegers Roger Köppel mit der SVP verspricht spannend zu werden), aber in seiner Funktion als Journalist muss er sich von parteipolitischen Positionen auch frei machen können.
Das führt dann bei jemandem wie Klaus Kelle dazu, dass die einen in ihm einen PEGIDA-Anhänger und Putin-Freund vermuten, andere einen Vasallen der USA und Merkel-Anhänger. Die Linken verorten ihn – gemeinsam mit seiner Frau – in der neurechten Ecke der „gefährlichen Bürger“ (ich muss immer kichern, wenn ich darüber nachdenke), die Rechten sehen in ihm einen Vertreter des Systems eines unfreien Deutschlands. Eine Hobbypublizistin meinte auf meine Rezension – okay, es war eher ein Verriss – zu ihrem gemeinsam mit einem Kollegen verfassten Buch, mich damit auf Facebook abkanzeln zu müssen, ich sei ja ein Freund von Klaus Kelle. Und soll ich Ihnen was sagen: Darauf bin ich ein bisschen stolz!
Klaus Kelle schreibt neben anderen journalistischen Aktivitäten einen eigenen Blog, dessen Name „Denken erwünscht“ Programm ist, und den ich im Rahmen der Links der Woche schon einmal zitiert habe. Heute spricht er mir aber in der Art aus der Seele, dass ich ihn gerne noch mal in diese Rubrik hole. Sein Beitrag „Ein Narrenschiff auf großer Fahrt“ macht die Zerrissenheit der politischen Szene deutlich, die sich in der Form in keiner Partei wiederfinden kann:
Fast hat man das Gefühl, die Parteien sind irgendwann aus dem politischen Geschäft ausgestiegen. Keine klaren Aussagen mehr, keine eigenen, durchdachten Konzepte, kaum erkennbares Interesse daran, was ihre Wähler bedrückt, es ist gespenstisch.
Kein Wunder also, dass diejenigen, die nicht einfach sowieso immer die Partei wählen, sich von den Altparteien abwenden und auf die Suche nach Neuem gehen: die AfD reüssiert nach einem kurzen Dämpfer sogar nach ihrer Spaltung. Mein Eindruck: Nicht weil sie Wähler inhaltlich überzeugt, sondern weil sie Positionen vertritt, die die anderen, besonders konservative Parteien, links – bzw. rechts – liegen lassen.
In Summe führt dieses Konglomerat aber zu Verwerfungen im politischen System, die Klaus Kelle ganz plastisch deutlich macht:
In Dresden verzeichnet derweil Pegida wieder starken Zulauf, in Erfurt trommelt die AfD 8.000 Anhänger zusammen, um die Kanzlerin aufzufordern, sich doch einen anderen Job zu suchen. Im Fernsehen kanzelt ein unerträglich arroganter Verlegersohn-Schnösel eine junge Polizistin ab, die von ihrem unerfreulichen Alltag mit vorzugsweise jungen Muslimen berichtet. Weitergezappt! Auf N24 ist Michel Friedman mit einem Kamerateam unter Flüchtlingen unterwegs. Es war wirklich spannend, zu hören, was einige von ihnen über ihr Leben und ihre Motivation, nach Deutschland zu kommen, erzählten. Weitergezappt! Polizisten führen einen grinsenden Asylbewerber ab, der sich in einer Flüchtlingsunterkunft geprügelt hat. Es war wohl sogar noch etwas bunter, insgesamt 60 Beamte mussten anrücken, erfahre ich. Auf Facebook vergleichen zum wiederholten Mal Menschen, die mit ihren Sorgen ernst genommen werden möchten, Merkel mit Hitler. Ja, mit Hitler. Manchmal ist man einfach nur sprachlos, einmal wegen des widerlichen und sowieso unhistorischen Vergleichs an sich, aber auch, weil dieselben Leute immer beklagen, dass man ja in der politischen Auseinandersetzung stets einen mit der „Nazikeule“ übergebraten bekomme. Nicht ganz zuende gedacht, würde ich meinen.
Wer so schreibt, verliert natürlich politische Freunde, jedenfalls solche, die sich nur mit denen umgeben, die ihrer Meinung sind oder einer „Parteilinie“ folgen. Und umso notwendiger sind solche Positionsbeschreibungen, die in den gängigen Medien mit ihrem recht eindeutigen Freund-Feind-Links-Rechts-Schema meist nicht mehr vorkommen, weder auf der progressiven noch auf der konseravtiven Seite. Und das ist der Grund, warum ich „Denken erwünscht“ lese und in meinem Blogroll habe, und warum ich Blog und Beitrag hier bewerbe.
Pirkl
Danke für das Bewusstmachen. Auch bei mir stellt sich ein leichtes Kichern bei dem Buchtitel „Gefährliche Bürger“ ein, das ich nicht gelesen habe.
Aber es gibt auch eine ernste Seite: wir Juristen lernen in den ersten Semestern, dass früher im Obrigkeitsstaat jahrhundertelang bis 1945 man der Auffassung war, der Staat müsse vor dem Bürger geschützt werden. Daher in früheren Verfassungstexten die Erstnennung der Rechte des Staates und seiner Organisation. Erst nach 1945, so diese Lehre, habe sich die Erfahrung durchgesetzt, dass man umgekehrt den Bürger vor dem Staat schützen müsse, daher im Grundgesetz die Erstnennung der Grundrechte des Bürgers gegen den Staat in Art. 1ff GG.
Ich hielt das bisher für gesichertes selbstverständliches Wissen unserer demokratischen Republik. Der merkwürdige Buchtitel bestätigt aber auch hier das Wort Benedikts XVI. von den „rapidis mutationibus“.
Konrad Kugler
Nicht ganz zu Ende gedacht?
Das ist die Situation der armen Gutmenschen. Hat einer von denen schon überrissen, was es bedeutet, wenn die eine Million Eingetroffener übers Smartphone nach Hause mailt: [Damit es jeder verstehen kann, deshalb nicht auf arabisch!] „Die Deutschen heißen uns herzlich willkommen; kommt alle nach.“
Ist das Smartphone der echte Flüchtlingsausweis?
Ein Afghane, den ich seit etwa 20 Jahren kenne, sagt etwa so: „Wenn DE sagt, Afghanen dürfen kommen, dann kommen alle!“ [Inklusive Taliban; denen geht es nicht um ein leeres Land, sondern um die Menschen, die sie missionieren wollen! – Auf ihre Art!]
Dieter Schrader
Auch ich gehöre zu den Lesern des Blogs von Klaus Kelle und bin dankbar , daß es ein Journalist wagt unangenehme Dinge beim Namen zu nennen, übrigens seine Frau auch. Daß ich die Kelles entdeckt habe verdanke ich als blutiger Internetanfänget Ihnen. Also auch dafür vielen Dank und Gottes Segen.