Positionen zum Thema Abtreibung hat die „eigentümlich frei“ zusammengestellt. Und hält konträre Meinungen in diesem Fall bewusst draußen. Danke dafür!
Über das Thema Abtreibung emotionslos diskutieren? Unmöglich! Das sage ich durchaus selbstkritisch, weil ich auch wenig geneigt bin, bei der Frage des Rechts auf die eigene Unversehrtheit und das Recht auf Leben irgendwelche Abstriche zu machen. Nun ist die Welt so gut wie nie schwarz/weiß, und darum ist es gut, gerade in der Beurteilung einer konkreten Abtreibung den Einzelfall zu betrachten: Inwieweit war das eine freie Entscheidung der Mutter? Inwieweit kann die Mutter die Folgen einschätzen? Aus welcher Notlage heraus handelt eine Mutter, die eine Abtreibung vornehmen will? Alles Fragen, die sich nicht pauschal beantworten lassen. Und dennoch kann es für einen Christen und auch für einen Verfechter der Freiheit nur eine Position geben: Abtreibung ist eine Schande! Eine Schande für die Gesellschaft, eine Schande auch für das Umfeld der Betroffenen. Ein Kind wird getötet – in Deutschland 100.000 mal pro Jahr – und Politik, Medien und ein Großteil der Gesellschaft stehen achselzuckend daneben. Eine Schande!
Nun hat sich „mein“ libertäres Leib-und-Magen-Magazin „eigentümlich frei“ in der neuesten Ausgabe, die man bereits jetzt online erstehen kann und in Kürze auch in Papierform vorliegen wird, sich dieses Themas angenommen. Mit dem Herausgeber und Chefredakteur André Lichtschlag hatte ich vor ein paar Wochen gesprochen, und er war sich noch unschlüssig, ob man dem Thema eine Pro-Contra-Sicht widmen wolle. Man hat sich nun dagegen entschieden, und ich glaube, diese Entscheidung war genau richtig. Dem Thema kann man sich aus unterschiedlichen Richtungen nähern aber es bleibt der Schluss, dass man aus moralischer wie aus freiheitlicher Sicht nicht zu einer Rechtfertigung von Abtreibungen kommen kann. Da mag es auch Widerspruch geben, aber die Redaktion der ef hat sich entschieden, hier eindeutig aufzutreten.
Und so gibt es Beitzräge von Carlos A. Gebauer, Christian Rogler, Robert Grözinger, Eva-Maria Michels, Luis Pazos und mir, die allesamt, auf unterschiedliche Weise und mit unterschiedlichen Konsequenzen gegen Abtreibungen argumentieren. Dabei kann man durchaus in Frage stellen, inwieweit ein Einschreiten des Gesetzgebers sinnvoll und möglich ist, aber das Faktum, das auch aus liberaler Sicht das Lebensrecht des ungeborenen Kindes unantastbar ist, kann man aus allen Beiträgen heraus lesen. Ich selbst habe versucht, mich in meinem Beitrag („Hochrisikogruppe Ungeborene – Ein ignoriertes Gesellschaftsproblem“; ab Seite 32) nicht allzu sehr auf den Glauben zu beziehen; die katholische Sicht auf diese Dinge sollte einigermaßen klar sein. Daher habe ich mich dem Thema über die Abtreibungszahlen und -statistiken genähert. Natürlich bleibt der Glaubensaspekt nicht außen vor, hat aber keinen Schwerpunkt. Vielleicht ein kurzes Zitat dazu:
13 Prozent der im Jahr 2013 potenziell geborenen Menschen in Deutschland haben nie lebend das Licht der Welt erblickt. Man stelle sich vor, irgendjemand plane, mehr als ein Zehntel eines Jahrgangs von Kleinstkindern zu töten – es sind nur Zahlen, aber sie machen deutlich, um was es hier geht.
Als Lebensschützer und Liberaler, der als grundlegendes Recht eines jeden Menschen das der körperlichen Unversehrtheit begreift – als Christ das Leben auch als Geschenk eines Schöpfers, über das man nicht nach Belieben verfügen kann –, kann einen eine solche Statistik auch dann nicht kalt lassen, wenn die absoluten Zahlen von Abtreibungen 2014 auf knapp unter 100.000 gesunken sind. Die schiere Masse von Menschen, denen das Lebensrecht verweigert wird, macht sprachlos.
Berücksichtigt man dabei, dass es sich nur bei einem Bruchteil der Abtreibungsfälle um Abtreibungen nach medizinischer oder kriminologischer Indikation handelt, und der Großteil der Abtreibungen in einem Alter der Frauen erfolgt, in der man durchaus von einer Einsicht in die Konsequenzen persönlichen Handelns ausgehen kann, wird deutlich, dass es sich auch um ein Problem des Umgangs mit der Sexualität handelt. Da blitzt wieder der Katholik durch, mir scheint es aber auch weltlich einleuchtend:
Sieht man also die Notwendigkeit, die nur als skandalös zu bezeichnenden Abtreibungszahlen zu senken, wird man nicht umhin kommen, auch den Wert der Sexualität noch einmal zu überdenken, sie nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Freiheit und der Befriedigung von Bedürfnissen zu sehen. Ein solches Umdenken wäre aus heutiger Sicht ein Paradigmenwechsel – aber notwendig, will man dem hunderttausendfachen Tod von Kindern im Mutterleib konsequent begegnen.
Die anderen Beiträge beleuchten das Thema aus anderen Perspektiven, die mindestens so bedenkenswert sind. Den Autoren und der Redaktion des ef kann man nur danken, dass sie sich dieses Themas annehmen, von dem andere Medien am liebsten die Finger lassen.
Da weiß ich doch mal wieder, dass ich sowohl als Leser als auch als gelegentlicher Autor bei der eigentümlich frei gut aufgehoben bin!
akinom
In Deutschland 100.000 Abtreibungen pro Jahr? „Bei Dir kommt es auf ein paar Nullen nicht an, wenn es um Zahlen geht!“ Das musste ich mir schon öfter anhören. Aber bei allem fehlenden Vorstellungsvermögen: Wie kommt diese Zahl zustande? Ich fürchte, es wäre gut, wenn es „nur“ 100.000 wären. Ganz große „Bauchschmerzen“ mcht mir da die sogenannte „Pille danach“, deren Verkauf nach der Freigabe drastisch angestiegen ist. Sind diese Kindstötungen keine Abtreibungen und wie kann man sie statistisch erfassen?
Alex
Die „Pille danach“ beendet keine Schwangerschaft, sondern verzögert den Eisprung.
Klaus Ebner
Das hat sich aber bis in diese Kreise nicht durchgesprochen. Zumal ja auch Opus Dei in Gestalt von http://www.imabe.at mit nachweislich gefälschten „wissenschaftlichen“ Studien „nachgewiesen“ hat, dass diese Wirkstoffe „frühabtreibend“ wirken.
Magdalena Gewies
Ich kann den Artikel nur unterstreichen. Jeder Gedanke davon ist mehr als richtig.
Wie kann man Eltern motivieren, Mut ihren Kindern gegenüber zu haben und sich gegen die allgemeine Meinung zu stellen, die zu frühzeitiger Sexualität geradezu auffordert. Schon Kindern wird suggeriert, dass Sexualität etwas ähnliches wie essen und trinken ist. Das Fernsehen ist ein ebensolcher Lehrmeister.
Die Kinder sollen eben Sexualität einfach ausprobieren, es gibt ja die Pille! Was diese Pille mit dem jugendlichen Körper macht, interessiert auch kaum jemanden.
Eine ungewollte Schwangerschaft ist zwar ärgerlich, kann aber problemlos beseitigt werden. Eine Diskussion zu diesem wichtigen Thema ist notwendig.
Klaus Ebner
Für ein „libertäres“ Debattenmagazin scheint es mir aber schon ein sehr eigenartiger Ansatz zu sein, bei einem so kontrovers diskutierten Thema nur eine Denkrichtung zu tolerieren. Vor allem wenn man bedenkt, dass sich derzeit gerade einige bekannte katholische Blogger darüber zurecht aufregen, dass sie bei feministischen Veranstaltungen weder zuhören noch mitdiskutieren dürfen. Etwas mehr Austausch und Dialog wäre wohl zu begrüßen und gerade ein solcher Schwerpunkt hätte ein guter Anlass dazu sein können. Auch die christliche Zeitung „Christ und Welt“ hat dieses Thema ja offen diskutiert, es scheint also doch nicht so weit her zu sein mit dem „liberalen“ Ansatz. Ganz abgesehen davon, dass es „liberale“ Befürworter einer Strafbarkeit der Abtreibung ungefähr so viele gibt wie Weinkenner beim Islamischen Staat. „Libertäre“ offensichtlich etwas wehr aber da steckt ja auch eine ganz andere Ideologie dahinter.
buscemi
@Klaus Ebner: Ich bin eher kritisch zum ef-Magazin eingestellt, jedoch bin ich hier anderer Meinung als Sie: Daß das ef-Magazin im Heft nur die eine Richtung vertreten hat, heißt ja nicht, daß man nur eine Denkrichtung toleriert. Wenn es so wäre, dann wären ja praktisch alle Blätter mit dezidierter politischer Ausrichtung intolerant. Wenn jemand einen guten Artikel einreicht, der sich aus liberaler Sicht pro Abtreibung ausspricht, würde das ef-Magazin diesen sicher auch nicht ablehnen. Raum für Kontroverse wird m.E. im ef-Magazin durchaus geboten – wenn sich denn Autoren finden, die diesen Raum in Anspruch nehmen wollen…