Freiheit, auch Meinungsfreiheit, wird pervertiert, wenn man meint, man käme an der Verantwortung vorbei.
Meinungsfreiheit fängt da an, wo es wehtut. Ganz einfach lässt sich dieser Satz sagen … jedenfalls in der Theorie und wenn man nicht selbst betroffen ist. Meinungsfreiheit ist eines der höchsten Rechtsgüter, die wir in Deutschland haben, eine Freiheit, die nicht vom Staat huldvoll überlassen wird, sondern von ihm zu garantieren ist. Einen Staat, der nicht sicherstellt, dass Meinungsfreiheit herrscht, braucht kein Mensch.
Grenzen der Meinungsfreiheit? Für manche gibt es die gar nicht, für manche liegt sie in der Aufforderung zur Straftat, für andere in der Beleidigung, wieder andere sehen auch politische Grenzen als notwendig an. Während die einen solche Grenzen staatlich garantiert sehen wollen, sind andere der Auffassung, dass der Staat nun ausgerechnet der schlechteste Garant für eine solche „Steuerung“ der Freiheit wäre, wenn man die dann noch als solche bezeichnen wollte. Ich selbst stehe für einen möglichst weit zu fassenden Begriff der Meinungsfreiheit und glaube nicht, dass wir in dieser Hinsicht allzuviel Vertrauen in staatliche Organe haben sollten.
In den vergangenen Tagen beschäftigen besonders zwei herausragende Ereignisse: Das Messerattentat auf die Kölner Bürgermeisterkandidation Henriette Reker, offenbar mit einem fremdenfeindlichen Hintergrund. Und die Rede von Akif Pirinçci beim PEGIDA-Jahrestag in Dresden; ich habe reingehört und konnte das Geschwurbel irgendwann nicht mehr ertragen, wie auch viele der Demonstranten. Eigentlich frage ich mich seit ich das gesehen habe, ob er das wirklich ernst meint, was er da von „Moslemmüllhalden“, Politikern als „Gauleiter gegen das eigene Volk“ und KZs, die ja „leider derzeit außer Betrieb“ seien, von sich gab (letzteres, so viel Differenzierung tut not, bezog sich nicht auf Flüchtlinge sondern auf die Aussagen eines CDU-Politikers, der Menschen, die die Flüchtlingsströme mit Argwohn sähen, nahegelegt haben soll, das Land zu verlassen). Beide Ereignisse stehen in keinem ursächlichen Zusammenhang, zumal das Attentat zeitlich vor der Rede lag, aber trotzdem kann und muss man die Frage stellen, inwieweit sich Worte, von einer Person gesprochen, auf das Handeln anderer Personen auswirken.
Freiheit, davon bin ich überzeugt, sollte seine Einschränkung nur darin haben, wenn ihre Ausübung die Freiheit eines anderen einschränkt. Dieses Prinzip schließt Diebstahl und Betrug aus, lässt aber zum Beispiel finanziellen Erfolg, mit „rechten Mitteln“ erworben, in unbegrenzter Höhe zu. Bewegen kann ich mich frei, so lange ich dadurch nicht die Rechte anderer störe. Einfach in ein Haus reinspazieren, das mir nicht gehört, ist keine Freiheit sondern Einbruch. Und zur Freiheit gehört auch Verantwortung: Wenn ich einen Vertrag unterschreibe, ist es keine Unfreiheit, wenn die andere Vertragspartei auf Einhaltung pocht sondern eine Konsequenz meiner freien Entscheidung. Und bei Handlungen gilt es auch, Folgewirkungen zu beachten. Plastisches Beispiel: Ich kann einen Stein einen Abhang runter werfen, wenn der sich aber zu einer Gerölllawine entwickelt, bin ich mit verantwortlich.
Aber was ist mit den Folgewirkungen der freien Rede? Wenn ich äußere, dass irgend jemand den Hintern versohlt bekommen sollte, bin ich dann mit verantwortlich, wenn das jemand zum Anlass nimmt, zur Tat zu schreiten? Oder eben krasser: Wenn ich zum Ausdruck bringe, dass jemand den Tod verdient hat – auch ohne direkt zum Mord aufzurufen – bin ich dann verantwortlich, wenn ein anderer daraufhin einen Mordversuch begeht? Oder wieder indirekter: Wenn ich sagen würde, ein Politiker betreibe Hochverrat, bin ich dann verantwortlich, wenn jemand anderes meint, dass ein solches Verbrechen mit dem Tod bestraft werden sollte und darum einen Mordversuch begeht?
Ich spreche hier bewusst nicht von einem Aufruf zu einer Straftat: „Tue dies oder das“ ist keine Meinung, sondern eine Aufforderung, da sollten andere Regularien gelten. Ich spreche von Meinungsäußerungen – formulierbar nicht als „Tue dies“ sondern als „Ich bin der Meinung, dass …“ – , die andere als Legitimation von Gewalt verstehen könnten. Bezeichnet der PEGIDA-Organisator Lutz Bachmann Flüchtlinge als „Viehzeug“, dann halte ich das für widerlich … aber es ist zunächst mal eine Meinungsäußerung. Die eigenwilligen Thesen eines Björn Höcke, wie er sie am Sonntag bei Jauch vertreten hat, halte ich für politisch abgedreht, sein nationaler Kollektivismus steht mir bei allem Patriotismus fern wie sonst was, aber sie stellen seine Meinung dar.
Auch für politische Meinungsäußerungen gibt es in Deutschland Gesetze, zum Beispiel solche gegen Volksverhetzung. Aber ist das nicht letztlich gegen die Meinungsfreiheit gerichtet, wenn ich jemandem das Kundtun seiner Meinung verbieten möchte, so widerwärtig ich sie auch finden mag?
Rechtliche Konsequenzen gegen Hetze sind in Deutschland eine Folge des Nationalsozialismus im 3. Reich und damit nicht schlecht begründet. Während man in anderen Ländern zum Beispiel Nazi-Symbole wie das Hakenkreuz zeigen darf, ist das in Deutschland verboten. Dahinter steht nicht der Konsens, dass Meinungsfreiheit nicht gelten solle, sondern der, dass die Konsequenzen hetzerischer Meinungsäußerungen (egal aus welcher Richtung) so dramatisch sein können, dass man sie nicht erlauben möchte. Die potenziellen Folgen solcher Worte gehen weit über das hinaus, was man tatsächlich verantworten kann – und es ist umgekehrt gerade in solchen Fällen schwer bis unmöglich, eine Absicht nachzuweisen. Ist es da nicht besser, solche Äußerungen zu verbieten, bzw. sie mit einer Strafe zu belegen?
Ich weiß, dass ich mich damit auf eine „schiefe Ebene“ weg von der Freiheit bewege; dabei hatte ich ein flammendes Plädoyer für die Meinungsfreiheit gerade am letzten Freitag zum „Link der Woche“ erhoben:
Eine Meinung zu sagen, sollte immer möglich sein, gelegen oder – insbesondere dann – ungelegen. Jede Meinung zu hören sollte ebenfalls möglich sein, gelegen oder ungelegen. Insofern halte ich auch nichts davon, bestimmte Positionen aus politischen Talkshows herauszuhalten, um denen kein Forum zu bieten, deren Meinung man nicht hören will oder die man für abwegig hält. Wenn jemand, um im Thema zu bleiben, meint, Deutschland sei mit der Flüchtlingskrise überfordert, dann muss er das sagen dürfen, genau so wie der, der eher Merkels „Wir schaffen das“ folgt. Wenn jemand der Meinung ist, das Grundrecht auf Asyl gehöre abgeschafft, dann sollte er das genau so äußern dürfen wie ein anderer meinen könnte, Deutschland gehöre abgeschafft. Und wer meint, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, der hat genau so ein Recht wie ein früherer Bundespräsident, das Gegenteil zu behaupten. Von diesem Grundsatz will ich nicht weg.
Wer in dem oben beschriebenen Sinne aber nicht einfach seine Meinung sagt sondern hetzt, der weiß, was er tut, und trägt damit zumindest eine moralische Verantwortung für die Folgen. Weder Bachmann, noch Pirinçci noch Höcke können einfach sagen, sie hätten doch nur einen Stein in die Schlucht geworfen, für den Steinschlag seien sie aber nicht verantwortlich. Ich formuliere es bewusst vorsichtig: Ich nähere mich dem Gedanken, solche Äußerungen tatsächlich außerhalb des Rahmens der freien Meinungsäußerung zu sehen. Mir widerstrebt der Gedanke, dass der Staat die Grenzen dieser Freiheit festlegen sollte, aber was in jedem Fall notwendig ist, ist ein zivilgesellschaftliches Korrektiv, das helfen könnte, die Meinungsfreiheit gegen diejenigen zu verteidigen, die nicht nur hetzen sondern mit dieser Hetze auch in Kauf nehmen, dass andere – verführt oder angestachelt oder scheinbar legitimiert – Verbrechen begehen.
Bachmann und Höcke haben beim Anschlag auf Frau Recke nicht das Messer geführt, eine solche Verantwortungszuweisung, wie manche Medien sie thematisieren, führt zu weit. Aber sie können sich auch nicht der Verantwortung entziehen. Jeder, der seine Meinung äußert muss sich Gedanken darüber machen, welche Konsequenzen das haben könnte. Wer das nicht tut oder sie in Kauf nimmt, der ist dann eben auch mitverantwortlich. Zu lösen ist noch die Frage, wie eine solche Verantwortung aussehen kann. Rechtliche Konsequenzen sehe ich dabei überhaupt nicht als Option, da die Trennschärfe bei dieser Art der Verantwortung nicht gegeben ist. Und ich bin zutiefst überzeugt, dass die Antwort auch nicht in geforderten Redeverboten oder Denunziationen darüber liegen kann, wer mal was wann in welchem Medium veröffentlicht hat. Politische Korrektheit ist ein Sargnagel der Meinungsfreiheit. Ein solcher – um es gelinde zu sagen – Alarmismus dient der Sache der Freiheit ebensowenig wie diejenigen, die ihre Freiheit legalistisch nutzen, um anderen zu schaden.
Ich höre schon den Einwand „Jetzt rudert er zurück, sagt sich los von Freiheit und distanziert sich opportunistisch von Pegida & Co!“ Dazu kann ich nur sagen: Ich muss mich von Pegida, AfD und Konsorten nicht lossagen, weil ich sie nie vertreten habe. Ich halte es aber weiterhin für notwendig, dass Menschen, die Sorgen umtreiben, eine Stimme bekommen, auch wenn die einem im Einzelfall nicht gefallen mag. Ich komme andererseits auch nicht umhin festzustellen, dass Reden, die dort gehalten werden, Konsequenzen haben, bei denen mir die direkte Verantwortung beim konkreten Täter zu kurz gesprungen erscheint.
Je mehr solche Konsequenzen provoziert werden, umso notwendiger ist es, gerade im Sinne der Meinungsfreiheit dagegen Einspruch zu erheben. In diesem Sinne beruhigt mich die Tatsache, dass die Demonstranten der PEGIDA-Demo nach Medienberichten die Rede Akif Pirinccis zum Ende hin mit dem Ruf „Keine Hetze!“ quittierten! Das ist der Weg deutlich zu machen, wie man zur Hetze steht, die man auch nicht aus der vermeintlich richtigen Ecke hören will.
akinom
Auch hier liegen „Hosianna!“ und „Kreuzige!“ so nah bei einander wie Palmsonntag und Karfreitag .Es waren die gleichen Demonstranten die erst das eine und dann das andere auf ihre Fahnen geschrieben hatten.
Aber es waren auch die Jünger, die scheinbar gegen alle Vernunft Farbe bekannten: „… Während er dahinritt, breiteten die Jünger ihre Kleider auf der Strasse aus. Als er an die Stelle kam, wo der Weg zum Ölberg hinauf führt, begannen die Jünger freudig und mit lauter Stimme Gott zu loben wegen Seiner Wundertaten, die sie erlebt hatten. Sie riefen: ‚Gesegnet der König, der kommt im Namen des Herrn. Im Himmel Freude und Herrlichkeit in der Höhe!’ Da riefen ihm einige Pharisäer aus der Menge zu: ’Meister, bring deine Jünger zum Schweigen!’ Er erwiderte: ‚Wenn sie schweigen, werden die Steine schreien!’“ (Lk 19.11-40)
Haben die offenbar überaus vernünftigen Pharisäer gerufen: „Kein Aufstacheln und keine Provokation!“? Doch die Brisanz der Wort Jesu lag darin, dass er kommen sah: Am Karfreitag würden die „Steine schreien“. Es bebte die Erde und der Vorhang im Tempel zerriss….
Wer hat hier Steine den Abhang herunter geworfen. Und wer war verantwortlich dafür, dass sie sich zu einer Gerölllawine entwickelten? „Meinungsfreiheit fängt da an, wo es weh tut“ ? Wann darf sie weh tun? Wann muss sie weh tun?
Konrad Kugler
Ich bin seit 1956, wegen der Niederschlagung des Ungarnaufstandes durch die Sowjets, Antikommunist und UNO-Skeptiker. Als 13-Jähriger denkt man noch nicht ideologisch, sondern nur praktisch. Drei Jahre zuvor bin ich zur Erstkommunion gegangen. Seither glaube ich an die leibliche Gegenwart Jesu im Allerheiligsten Altarsakrament.
Weder der „Geist des Konzils“, noch die 68er Verwahrloser konnten mir einen Schepper beibringen. Dank der Gnade Gottes! Zeitlebens konnte mich keine Ideologie beeindrucken. Das gilt leider nicht für DE. Beide zuvor genannten haben es in Verbindung mit der Ablehnung von Humanae vitae geschafft, DE aus das heutige Niveau herunter zu manipulieren. ie Abtreibund
Warum ist die Wortwahl von Akif Pirincci so anstoßerregend, wo er sich doch nur auf dem Niveau der Linken äußert? [Fernsehen und Bühnen für Unkultur. Und die Medien präsentieren Tag für Tag Nazizeit und „Rechts“, um über die täglich stattfindenden Verbrechen von 300 Abtreibungen, den Antifachisten-Taten, die Hetze gegen das Katholische; den Unterschlagungen in der Berichterstattung (Marsch für das Leben, Demo in Stuttgart, Pirincci-Lüge!) hinweg zu täuschen.
Das ZdK, statt gegen Genderismus sturmzulaufen, kämpft lieber um den Diakonat der Frau. Und statt über die PGR Buskolonnen für Berlin oder Stuttgart zu organisieren, sitzt man auf seinem Hirn rum.
Papsttreuer
Danke für den Kommentar, den ich aufgrund des Themas besonders ernst nehme. Ich hoffe, Sie nehmen mir als regelmäßiger Leser ab, dass ich mit der Verurteilung der Wortwahl von Pirincci, Bachmann oder Höcke keine Absolution für linke Hetzer aussprechen wollte, die es natürlich genau so gibt. Da mir aber die konservative Seite deutlich näher steht, schmerzt es mich umso mehr, wenn man sich dort im Ton vergreift und damit berechtigte Anliegen in den Schmutz zieht. Es widerstrebt mir, an dieser Stelle Gleiches mit Gleichem zu vergelten – Lieber sähe ich „uns“ auf der Seite der Guten. Das funktioniert aber nur, wenn wir uns nicht auf das demagogische Niveau der Linken einlassen sondern mit Argumenten punkten. Es ist heute leider schwer, diese Argumente anzubringen, ohne in die rechte Ecke gestellt zu werden, es wird aber nicht dadurch leichter, dass wir unsere eigenen Prinzipien aufgeben und stattdessen den politischen Gegnern Futter liefern.
Ich hoffe, Sie verstehen, was ich meine … vielleicht muss ich dazu auch noch mal was schreiben?
Ihnen Gottes Segen!
Jochen Schmidt
Dass Pirincci sich im Ton vergreift, dürfte unbestritten sein. Auch Bachmann hat sich schon fragwürdig geäußert. Aber welches Problem haben Sie mit Herrn Höcke, der hier so beiläufig eingestreut wird? Das wirkt für mich alles eher wie eine Unterstellung, dass „jemand wie“ Höcke doch sicherlich nationalen Kollektivismus vertrete – kein leichter Vorwurf! – ohne dass dies an konkreten Äußerungen festgemacht wird. Ich habe bisher jedenfalls noch keine derartigen Zitate von Höcke gehört und fände dies auch abwegig, da die AfD nach der Zerlegung der FDP doch noch am näherungshaftesten die liberale Nische des Parteienspektrums ausfüllt. – Oder die erwähnte Hetze, die sogar Mitverantwortung an Messerstechereien tragen soll – konkret, was soll diese Hetze sein? Oder mutmaßen Sie, der wird schon irgendwas gesagt haben, weil das ins Bild passe?
Sie selbst schreiben, es sei heute „leider schwer, diese Argumente anzubringen, ohne in die rechte Ecke gestellt zu werden,“ was vielleicht auch daran liegt, dass man auf unserer katholisch-konservativen Seite – gerade weil wir eben nicht die Nazis sind, als die die Antifa uns gern sähe – uns lieber zu oft als zu wenig distanzieren – und dabei im Zweifel mal lieber diesen oder jenen dadurch in ebenjene Ecke schieben. Wir alle wissen, dass der Spiegel oder die Tagesschau z.B. beim Thema Papst Fakten verdreht, wie sie lustig sind, aber in der Politik ist sie dann plötzlich wieder Leitschnur unserer Urteile – die konkrete Behauptung mögen wir vielleicht noch bezweifeln (so haben Sie zum Beispiel Pirincci ja auch für das kritisiert, was er tatsächlich gesagt hat, statt dem was Spiegel und Co. daraus gemacht haben), aber die Wertungen sind dann doch dem einen oder anderem im Hinterkopf – gemäß dem Motto von Francis Bacon: „Verleumde nur dreist, irgendwas bleibt immer hängen“
Jochen Schmidt
Ich erlebe zum Beispiel oft, wie Menschen eine demokratische Position vertreten, die in der Politik nicht berücksichtigt wird. Wenn sich Politiker zu Wort melden, die genau diese Position vertreten, werden diese in den Medien zu Nazis gestempelt – und dieselben Menschen wenden sich von ihnen ab, weil sie schließlich keine Nazis wollen (wie Sie und ich ebenfalls nicht) und wundern sich anschließend, warum niemand sie vertritt und es nur Einheitsbrei oder Nazis in Deutschland gibt. Kunststück. So ist z.B. die AfD ja europapolitisch nicht für einen Austritt Deutschlands aus der EU, sondern eben Adenauers „Europa der Vaterländer“ – ein Kompromissvorschlag auf Linie der ECR- zu haben. Wer sich ausschließlich aus der „Lügenpresse“ informiert, wird anderes glauben müssen.
Ich empfehle dazu übrigens aus Umberto Ecos Meisterwerk „Die Name der Rose“ den Abschnitt vor der Inquisition zu lesen, wie die Herde die Ketzer hervorbringt, die sie selbst richtet. Eco hatte damals die linke Parteienlandschaft Italiens im Auge, aber als Ketzer lässt sich jede abweichende APO einsetzen.
Mit Gottes Segen,
Jochen Schmidt
Papsttreuer
Vielen Dank, Herr Schmidt, auch für Ihre beiden Kommentare. Sie haben Recht insofern Recht, als dass die Kategorien der Wortwahl von Pirincci und Bachmann einerseits und die von Höcke andererseits differenziert gesehen werden müssen. Ich beziehe mich bei meinen Äußerungen zu Höcke auf sein agressives Auftreten bei Jauch wie auch auf die bekannt gewordenen Ausschnitte aus Reden bei Veranstaltungen. Nun bin ich sicher, dass man die Berichte darüber mit Vorsicht genießen muss, das vieles womöglich aus dem Zusammenhang gerissen ist. Unbestreitbar erscheint mir aber, dass Höcke mit seiner Wortwahl vono „1000 Jahre Deutschland“ und den Abgrenzungen des Fremden vom Deutschen Ressentiments zumindest bedient – und als Lehrer würde ich annehmen, dass er intelligent genug ist, das auch zu wissen.
Um es noch mal klarzustellen: Ich bin kein Verfechter, derartige Reden zu unterbinden oder gar zu verbieten; auch Pirincci sollte sagen dürfen, was er gesagt hat. Aber wenn man bemerkt, dass die eigenen Worte zu Radikalisierung im eigenen Lager beitragen könnten, dann ist es an der Zeit, selbst auf die Bremse zu treten. Tut man das nicht, muss man auch deutlichen Widerspruch ertragen, der sich nicht nur an den Inhalten sondern auch an der Art der Vortrags orientieren darf.
Gottes Segen auch für Sie!
Jochen Schmidt
Aus dem Verweis auf tausend Jahre deutscher Geschichte im abendländischen Kulturraum (denn darum ging es im Kontext) ziehen Sie den Aufruf zur Messerstecherei?
Das muss man sehen wollen.
Theodreds Schicksal
Die Frage nach der Verantwortlichkeit ist so alt und so missbraucht, wie die Debatte um die Freiheit selbst.
Die extremsten Beispiele sind da wohl die kräftigsten. J. Hinckley wollte die schöne und begehrenswerte Jodie Foster beeindrucken, als er auf Präsident Reagan schoss. Hintergrund war, dass die (später bekennende Lesbierin, soviel zur Erfolgsaussicht) Foster in einem ihrer eine Frau spielte, die von einem Mord an einem Poltiker beeindruckt war.
Ist sie also verantwortlich?
Ist Salinger, der Autor von „Fänger im Roggen“ (mit)verantwortlich für den Mord an John Lennon, dessen Täter das Buch als „sein statement“ bezeichnete?
Verantwortlichkeit beginnt in meinen Augen bei jeder Person selbst. Wer sich selbst nicht an der Grenze der Gewaltausübung betrachten und hinterfragen kann, der ist m.E. nicht erwachsen und sollte weder Wahlrecht noch Führerschein besitzen – geschweige denn Waffen oder Alkohol erwerben dürfen.
Erst weit kommt der Aufruf. Und zwar ein eben solcher. Er kann direkt („drum geht jetzt los und erschlagt mir meine Kritiker“) oder indirekt („und wie viel besser wäre dieses Land, wenn jemand alle diese bösen Kritiker umbringen würde“) sein. Und deutlich dazwischen der Befehl.
All dies kann man der AfD odre Pegida, ja nichtmal ProNRW oder REPs oder wie sie alle heissen, nicht anlasten. Nchts dergleichen haben sie oder ihre Vertreter gesagt – denn wenn, dann würden unsere Organe über sie kommen wie ein Gewitter, so sehr stehen sie unter der Beobachtung.
Ganz anders als die Linke, bei der offen von „Polizeiketten durchfließen mithilfe des Schwarzen Blocks“ von Parteivertretern offen propagiert wurde. Wo AfDler u.a. als Nazis bezeichnet und eben diese nahezu alle Grundrechte entzogen werden (von Meinungsfreiheit über Freizügigkeit bis Unversehrtheit).
Wir haben es doch schon immer wieder erlebt. Man mag von den Menschen halten was man will – es bleiben Menschen und theoretisch sollten sie die gleichen Rechte haben. Aber die Tagesschaumoderatorin, die es wagt zu sagen, dass selbst in Zeiten der Nazi-Dikatur nicht alles schlecht war, die Olympia-Ruderin deren Lebensgefährte ehemaliges NPD Mitglied war, die Polizeibeamtin deren Vater und Ehemann der NPD angehören und die alle darum plötzlich verfehmt im wahrsten und mittelalterlichen Wortsinn werden.
Oder der 85jährige AfDler, der von einem Gegendemonstranten den Schädel eingeschlagen bekam oder der Pegida-Demonstrant, der schwer verletzt wurde.
Die Frage nach der Verantwortung wird hier gar nicht gestellt – obwohl mehr und deutlichere Worte fielen, als umgekehrt. Kein AfDler hat Migranten oder die Verteidiger der merkelschen Einwanderungspolitik als „Pack“ bezeichnet und die Teilnahme an deren Kundgebungen als regelrechtes Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Was Pirrinci angeht: die Reaktionen waren, wie Sie schrieben, eindeutig. Weder die Pegida-Demonstranten noch die Orga haben akzeptiert, wie er sagte, was er sagen wollte. Er ging vorzeitig, die Orga hat sich distanziert.
Das Klima hierzulande und was passiert ist ein Teufelskreis. Der kommt nicht von den Reden denen Sie Verantwortung anheim stellen, sondern im Gegenteil von dem was geschieht und wie darauf reagiert wird. Es sind ja nicht die Gegner der Einwanderung die rheotorisch eingepeitscht und juristisch mit Freibrief versehen werden, sondern die anderen. Es sind nicht die Pegida-Demonstranten, die bestehendes Recht aussetzen, sondern unser aller Regierung. Es sind nicht Pirccini und AfDler die Vergewaltiger nicht verfolgen und deren Beschreibung bei Aktenzeichen XY ungelöst verschweigen wollen, weil die Herkunft und Hautfarbe „etwas auslösen könnte“ – sondern deren Kritiker.
Wenn Ängste und Sorgen kleingeredet, verlacht oder ignoriert werden, dann entsteht daraus Frust und irgendwann Hass. Wenn diese Ängste sich dann auch noch, und sei es im Kleinsten, als berechtigt erweisen…. Und wer dann zuschlägt, zündelt oder Schlimmeres begeht ist trotzdem noch immer als Individuum verantwortlich und kann sich nicht darauf berufen, von anderen zur Gewalt überredet oder gezwungen worden zu sein.
Und wenn es dabei nicht bleibt, dann erhalten Kriminelle Freibriefe und die Meinungsfreiheit ist das Papier nicht wert auf dem es steht.