Man muss exorbitanten Reichtum nicht gutheißen. Die Schlagzeilen darüber verdeutlichen allerdings eine Werte-Schieflage.
„Den 62 Reichsten gehört die halbe Welt“ – Wenn ich eine solche Überschrift lese, überkommt mich jedes mal ein ordentlicher Schreck. Dabei ist nicht so sehr die Tatsache erschreckend, dass – angeblich, bei solchen Statistiken bin ich immer skeptisch – die 62 reichsten Menschen der Erde genauso viel besitzen wie die gesamte ärmere Hälfte der Weltbevölkerung, sondern die daraus direkt abgeleiteten Forderungen. Die orientieren sich nämlich nicht – wie man ja als vernünftiger Mensch durchaus denken könnte – in erster Linie an den Rahmenbedingungen, wie Wohlstand entsteht, sondern daran wie er verteilt werden kann. Die Hilfsorganisation Oxfam, von der auch die Studie stammt, fordert denn auch ein gerechteres Steuersystem und das Trockenlegen von „Steueroasen“.Nun gehöre ich nicht zu denjenigen, die meinen, der „real existierende Kapitalismus“ sei gerecht: Durch entsprechende Lobbyarbeit kann man das System nämlich kaum noch als Kapitalismus oder freie Marktwirtschaft bezeichnen, und es ist nicht so, dass ausgerechnet diejenigen davon profitieren, die keine besondere Macht vorzuweisen haben. „Korporatismus“ nennt man das, wenn eine allzu enge Zusammenarbeit zwischen „Kapital“ und Regierungen Raum greift und letztlich tatsächlich eine „Umverteilung“ von unten nach oben stattfindet. Die Forderung nach geänderter Besteuerung ist daher zwar gängig, man sollte allerdings nicht glauben, dass durch Besteuerung die Gerechtigkeit in der Welt zunimmt – schon gar nicht, dass die Leistungsfähigkeit der weltweiten Wirtschaftsordnungen zu Gunsten der Benachteiligten zunimmt. Trotzdem machen sich solche Schlagzeilen immer gut, und es zeigt sich jedes mal, wenn sie auftauchen, dass sich unsere Medien im Thema „Kapitalismuskritik“ noch immer wohl fühlen.
Ganz anders ein Thema, das immer wieder, jedes Jahr, weitgehend bis auf Kurzmeldungen unterhalb der Wahrnehmungsgrenze stattfindet: Die christliche Hilfsorganisation OpenDoors hat wieder mal den sogenannten Weltverfolgungsindex erstellt, in dem in einer Art Hitliste der Schande die Länder aufgeführt sind, in denen Christen am meisten verfolgt werden. Immer wieder auftauchende Rahmeninformation dazu ist, dass Christen weltweit die am meisten verfolgte Religionsgemeinschaft ist. Über 100 Millionen Christen werden weltweit wegen ihres Glaubens verfolgt, so berichtet OpenDoors auf seiner Homepage. Und schaut man sich das Ranking an, dann findet man seit Jahren erstens Nordkorea und auf den folgenden Plätzen muslimische oder muslimisch geprägte Staaten:
Dabei muss man die Zielsetzung des Rankings berücksichtigen: Es geht nicht um Verfolgung im Allgemeinen sondern um die Verfolgung des christlichen Glaubens. In Nordkorea beispielsweise wird jede Religion verfolgt, das trifft nicht nur Christen, in islamisch geprägten Ländern werden nicht selten auch islamische Minderheitsglaubensrichtungen verfolgt. Trotzdem fällt natürlich auf, dass die Verfolgung Andersgläubiger offenbar ein islamisches Phänomen ist. Das passt womöglich gerade jetzt nicht gut ins politische Konzept, wenn Hunderttausende auch muslimische Flüchtlinge aus islamisch geprägten Ländern in Europa oder auf dem Weg dorthin sind.
OpenDoors hält sich klassischerweise mit politischen Äußerungen zurück, auch um die Situation der Verfolgten in den einzelnen Ländern nicht noch zu verschärfen. Von außen betrachtet muss einen der Weltverfolgungsindex aber skeptisch werden lassen hinsichtlich allzu leicht dahergesagter Wir-schaffen-das-Rhetorik. Notwendig wäre eine eingehende Analyse der Verfolgungssituationen in den einzelnen Herkunftsländern der Flüchtlinge, um möglicherweise Konsequenzen zu ziehen hinsichtlich der Flüchtlings- und Anerkennungspolitik. Das setzt aber eine intensive Beschäftigung mit den Hintergründen voraus und könnte unangenehme Aussagen hinsichtlich der Integrierbarkeit mancher Flüchtlingsgruppen heraufbeschwören. Und also – so muss man wohl annehmen – und weil es auch „nur“ Christen betrifft, deren Verfolgung man in Mitteleuropa sowieso eher widerwillig zur Kenntnis nimmt, bleiben Nachrichten wie die über deren Verfolgungssituation in der Welt eher unbeachtet.
Und jetzt zurück zum Ausgangsthema: Ich möchte nicht die Armut in der Welt, die für viele auch einen Fluchtgrund darstellt, zu gering bewerten. Aber müsste nicht die größere Schlagzeile statt „Den 62 Reichsten gehört die halbe Welt“ diese sein: „9 der 10 Hauptverfolgerstaaten von Christen sind muslimisch“ sein? Zumal die erste Schlagzeile auch nicht an das Mitgefühl mit den Armen apelliert sondern an den Neid gegenüber den – vermeintlich ungerecht – Superreichen? Armut und Reichtum sind ein Spannungsfeld, das einen Christen und eine christlich geprägte Gesellschaft nicht kalt lassen kann (auch wenn man zu unterschiedlichen Handlungsempfehlungen kommt), aber kann die Verfolgung der Glaubensgeschwister in aller Welt tatsächlich so unter den Tisch gekehrt werden?
Pauschal gesagt, gibt es offenbar eine Schieflage in der Bewertung weltpolitischer Themen. Dass diese Schieflage auch politisch motiviert ist, scheint mir nur ein Verstärker zu sein. Denn – wiederum pauschal gesagt – bildet diese politische Motivation auch die Prioritäten einer früher mal christlich geprägten Gesellschaft nach: Geld und Neid – der Mammon und der Reichtum der Anderen – ist offenbar das besser vermarktbare Aufregerthema als Glaube und Mitgefühl für verfolgte Christen!
akinom
Ich wünsche mir die Schlagzeile:
„Kamel ging durchs Nadelöhr – Einer der 62 Reichsten dieser Welt überlässt all seinen Reichtum den Ämsten und ließ sich taufen!“
Möge doch einmal diese oder eine ähnliche Vison wahr werden!
LePenseur
Ich erlaube mir zu verlinken …
Anton Vogel
Es schleicht sich immer ein schelmisches Lächeln in mein Gesicht, wenn ich Beiträge wie diesen zum unendlichen Reichtum Einiger lese !
Abgesehen davon, das man zuerst fragen sollte “ Ist dieser >>Reichtum<< ehrlich erarbeitet, oder ist er ererbt, ergaunert, geraubt ? " Leider wird wohl Letzeres meistens zutreffen !
Aber was ist (dieser) Reichtum ? Das hängt wohl sehr von der Einstellung des Einzelnen ab ! Mancher ist schon "reich" wenn er 5 Kinder und eine treue Ehefrau hat. Ein Anderer wenn er 40 Kühe sein Eigen nennt. Aber es gibt auch welche , die sind grün vor Neid, weil ein Bekannter eine Million mehr auf dem Konto hat. Wobei die beiden ersteren wenigstens etwas greifbares haben. Der letzere hat vielleicht ein paar Bündel Papiergeld, eine Villa von imaginärem Wert und ansonsten nur ein "Bankkonto" auf dem viele, viele Bits und Bytes verwaltet werden, die eigentlich nicht existieren oder so gar keinen rechten Wert haben, außer den ihnen zugesprochenen ! Und an dieser Stelle muss ich grinsen !
Was ich habe und "mein Eigen" nenne hat (fast) Alles einen greifbaren oder abschätzbaren Wert. Davon kann/ muss/ darf ich leben. Ich muss mir keine großen Sorgen machen um mein bisschen Habe, Nur dem Herrn jeden Tag dafür danken. Aber was hat dieser Reiche ? Jeden Tag Sorge, sein Reichtum könnte schwinden. Jeden Tag die bange Frage " Was tue ich mit all dem Reichtum am heutigen Tag?" Und das meistens auch noch verbunden mit der Sorge, wie ich am Besten meinen Reichtum mehren kann……
Nein, da möchte ich nicht tauschen ! Gut, ein bisschen Mehr dürfte es schon sein aber……….☺ ☺ ☺ ☺
Imrahil
Wieso bitte stellst Du „ererbt“ und „ergaunert und geraubt“ auf eine Stufe?
Und wohin gehört da dann eigentlich „im Lotto gewonnen“ – sowohl buchstäblich, als auch in gewissen Glücksfällen wirtschaftlicher Entwicklung?
(Die Demut dürfte dem Erben und Lottogewinner sogar leichter fallen als dem, der von sich behaupten kann, er habe sich alles selbst erarbeitet, ihm sei nie etwas geschenkt worden und was dergleichen Phrasen mehr sind.)
Rosemarie Steins
Deutschland ist ja auch kaum noch ein christliches Land. Alles was Christen heilig ist, darf doch ungestraft verhöhnt und lächerlich gemacht werden.Wer für christliche Werte eintritt wird als homophob u.s.w. diffamiert und in die rechte Ecke gestellt. Somit haben auch wir schon eine Art von Verfolgung, auch wenn es noch nicht ans Leben geht, aber ruinierte Karieren schon.
Konrad Kugler
Wenn keiner in die Hölle käme, hätten wir sicher bessere Zustände hier auf der Erde.
Darum gibt es nur e i n völlig gewaltfreies Mittel, um die Welt zu verbessern.
Zwei Schritte: Mit sich selbst barmherzig sein und nach den Zehn Geboten leben.
Beten für die Anderen. Das uneigennützige Rosenkranzgebet.
Gott weiß, was wir brauchen. Wenn wir ihn demütig zwei, dreimal im Jahr darauf hinweisen, reicht das vollkommen.
Marco Gallina
Ich verstehe auch dieses Geschwafel und diese Neiddebatte nicht. All die Pharisäer, die auf diese 60 Leute mit erhobenen Finger deuten, würden doch selbst auch nicht ihren ganzen Reichtum hergeben. Als ob es um Quantität geht. Wie war das mit der Witwe und den zwei kleinen Kupfermünzen?
Persönlich halte ich diese ganzen Neiddebatten für Nebelbomben. Das alte Spiel des Divide et Impera. Wer Menschheit sagt, will betrügen. Was schert mich der Reichtum (= das Hab und Gut meines Nachbarn) anderer? Ist nicht das auch ein christliches Gebot? Was habe ich für ein Recht, sofort die Rechtschaffenheit dieser Person – wie es einige verdeckt, andere offen tun – infrage zu stellen?
Roland Baaders „Kreide für den Wolf“ ist mal wieder aktueller denn je.