Für die Lektüre von Amoris Laetitia wird man Zeit brauchen – und viele Journalisten und Interessierte werden sie sich nicht nehmen.
„Das mit Spannung erwartete …“ – Wetten, dass wir in den kommenden Stunden und Tagen diese Worte aus Kirchen- und Medienkreisen öfters hören werden? Das mit Spannung erwartete nachsynodale Schreiben von Papst Franziskus, mit dem Titel „Amoris Laetitia“ (Die Freude der Liebe) wird am 08.04.2016, gegen Mittag, in Rom vorgestellt. Damit werden alle Unkenrufe und Zwischendokumentationen zur Familiensynode ihre Bedeutung verlieren, egal aus welcher Richtung sie kommen: Der Papst ist frei in seiner Interpretation, wenn er auch schon mehrfach klargemacht hat, dass ihm der synodale – und damit gemeinsame – Prozess unter den Bischöfen am Herzen liegt.Das Dokument soll auch kurzfristig in deutscher Sprache zur Verfügung stehen, und ich plane, es möglichst umgehend zu lesen – aber ich werde es auch erst lesen, bevor ich mich zu einem Beitrag durchringen werde. Denn noch eine zweite Wette würde ich eingehen: Die Kommentatoren werden sich überschlagen, und je nach Inhalt interpretieren, dass der Papst seiner Linie der Liberalisierung treu geblieben sei, oder dass ich konservative Kräfte im Vatikan durchgesetzt hätten, oder der Papst die kirchliche Lehre zur Ehe und zur Familie zur Disposition stelle – je dramatischer umso auflagenstärker. Daran will ich mich nicht beteiligen, empfehle aber allen „Schnelllesern“ bei der Lektüre die Schwerpunktsetzung des Papstes zu berücksichtigen:
Auch wenn manche das als misslich empfinden, aber Papst Franziskus ist kein Kirchenlehrer, der vorgibt, wo „vorne“ ist; er ist ein Seelsorger, der die Menschen mitnehmen möchte, sie verstehen und von ihnen verstanden werden will. Das bedeutet, dass seine Formulierungen, ob in seinen Predigten, Ansprachen und Katechesen oder auch in schriftlichen Dokumenten, meist Interpretationsspielraum lassen. Da hilft dann in der Tat die Einschätzung von Walter Kardinal Brandmüller, der sich im Vorfeld der Veröffentlichung von „Amoris Laetitia“ geäußert und ein paar Grundsätze formuliert hat (Quelle: kath.net):
Wer also den Glaubenssatz (Dogma) von der Unauflöslichkeit der Ehe leugnet, hat den Boden der katholischen Lehre verlassen. Wer dennoch trotz bestehendem Eheband nach einer Scheidung eine neue zivile Verbindung eingeht, begeht darum Ehebruch. Solange ein Katholik nicht bereit ist, diesen Zustand zu beenden, kann er weder die Lossprechung in der Beichte noch die Eucharistie (Kommunion) empfangen.
Alle Bemühungen, Betroffenen dennoch seelsorglich beizustehen, müssen von diesen Voraussetzungen ausgehen, denn pastorales Handeln, das mit der Glaubenswahrheit nicht in Einklang stünde, müsste an seiner inneren Unwahrhaftigkeit scheitern. Das gilt auch für den Versuch, in ungültiger „Zweitehe“ Lebende durch die Zulassung zu liturgischen, katechetischen etc. Funktionen kirchlich zu integrieren. Eben dadurch würden nämlich nicht nur die Betroffenen in Konflikte und Verlegenheit gebracht – es würde auch die Glaubwürdigkeit der kirchlichen Verkündigung untergraben. Vorschläge der genannten Art zeugen weniger von lebensfremder Naivität, sie entlarven sich vielmehr als Versuche, mit Hilfe einer „Salamitaktik“ am Ende doch die Zulassung Betroffener zu den Sakramenten zu erreichen.
Auch der „Ausweg“, in Einzelfällen Ausnahmen zuzulassen, ist eine Sackgasse. Was aus Glaubensgründen grundsätzlich unmöglich ist, ist es auch im Einzelfall.
Diese entschiedenen Feststellungen entbinden jedoch Bischöfe und Priester keinesfalls von der Pflicht, Gläubigen auch in der besagten Situation mit Verständnis und Mitgefühl seelsorgliche Hilfe anzubieten, besonders in nicht selten tragischen Fällen.
Diese Worte beschreiben sehr gut den Spagat, in dem man sich teilweise als Katholik befindet: Ich möchte, ja ich bin verpflichtet, den Menschen mit Barmherzigkeit zu begegen, sie zu Christus zu führen, der die Barmherzigkeit selbst ist. Und ich bin gleichzeitig der Wahrheit verpflichtet. Letzteres setzt die Leitplanken fest, was nicht bedeutet, dass man sich dazwischen nicht seelsorgerisch betätigen kann. Auf die Frage „Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene“, auf die die Synode oft verkürzt wird, ist ein „Nein“ zwar eine richtige, aber keine auskömmliche, keine umfassende, also keine katholische Antwort.
Damit ist das Spannungsfeld – soweit es nicht sowieso schon präsent war – klargestellt. Und in diesem Spannungsfeld, so Kardinal Brandmüller, wird auch „Amoris Laetitia“ zu lesen sein:
Das Postsynodale Schreiben „Amoris laetitia“ ist also im Lichte der dargelegten Grundsätze zu interpretieren, zumal ein Widerspruch zwischen einem päpstlichen Dokument und dem Katechismus der Katholischen Kirche nicht vorstellbar ist.
Gerade der letzte Halbsatz hat es mir angetan, denn er zeugt von der tiefen Glaubensüberzeugung, dass es der Papst richtig machen wird, das richtige meinen wird, selbst wenn man ihn zu missinterpretieren versucht. Wer nicht gleichzeitig glaubt, dass die Papstwahl Bergoglios nicht vom Heiligen Geist geleitet war, der wird den Satz „ein Widerspruch zwischen einem päpstlichen Dokument und dem Katechismus der Katholischen Kirche ist nicht vorstellbar“ als Basis seiner Überlegungen zur Lektüre des Schreibens sehen müssen.
Und was ist vor diesem Hintergrund vor interpretativen Schnellschüssen zu halten, die nach wenigen Minuten der Lektüre vorgeben, das Dokument durchdrungen zu haben? Eben! Also, Gemach, in Ruhe und mit Vertrauen in die Kirche und den Papst lesen. Und – auch diese Wette gehe ich ein: Es wird ein gutes und reichhaltiges Schreiben sein, beseelt von Barmherzigkeit und dem Wunsch der Seelsorge und gleichzeitig der Wahrheit verpflichtet. Wer darum „Amoris Laetitia“ aus nur einer der beiden Blickrichtungen betrachtet, wird notwendigerweise falsch liegen!
Nachtrag: Hier der Link zum Dokument „Amoris laetitia“, dass sich auch als pdf laden lässt.
akinom
… und trotz aller Risiken noch eine sehr erfreuliche Nebenwirkung: Felix Honekamp ist und bleibt papsttreu, froh und voller Überzeugung, anfänglichen Irritationen und kleineren seelischen Bauchschmerzen zum Trotz, die weder ihm noch Papst Franziskus geschadet haben. Deo gratias!
Marco Gallina
Ich habe das Papier bisher nur überfliegen können, aber mein erster Eindruck ist, dass Amor Laetitia bei großen Teilen der Medien heftige Bauchschmerzen auslösen wird. Franziskus betreibt tatsächlich „Reformen“. Aber eben im eigentlichen Sinn: Rückführung in alte, bessere Formen. Insbesondere die konkrete Geißelung von Gender lässt den Löwen Purzelbäume schlagen. Ich orientiere mich leider viel zu oft am Inhaltsverzeichnis, um einige Punkte sofort einsehen zu können…
H.H.Legris
Vielleicht kann man das auch mal in Ruhe lesen…
http://www.catholicworldreport.com/Item/4696/in_iamoris_laetitiai_who_is_admonishing_whom.aspx