TTIP-Gegner wie -Befürworter gackern über ungelegte Eier. Die eigentliche Herausforderung liegt aber nicht in dem potenziellen Vetragswerk.
Sind Sie für oder gegen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership – Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft)? Oder haben Sie dazu – Gott bewahre – keine Meinung? Das wäre schlecht, denn dann können Sie nicht mitreden. Ist aber im Grunde ganz einfach: Sind Sie gegen amerikanische Chlorhühnchen und für den Erhalt deutscher Arbeitsplätze, dann sind Sie gegen TTIP. Sind Sie für friedenssichernden Handel und für den Erhalt deutscher Arbeitsplätze, dann sind Sie für TTIP. Alles klar? Sie meinen, so einfach sei das alles nicht, und es würde sich schon lohnen, da abzuwägen … und überhaupt seien die von mir genannten Alternativen nicht überschneidungsfrei … dann haben Sie Recht und vermutlich mehr verstanden als die mehr oder weniger aggressiven Für- oder Gegensprecher dieses geplanten und noch in Verhandlung befindlichen Abkommens. Ein Nein oder Ja zu TTIP kann also immer nur bedeuten, bestimmte Verhandlungspositione der EU oder der USA gutzuheißen oder abzulehnen. „Stop TTIP“ ist mithin eine der unsinnigsten Parolen, die es derzeit politisch zu bestaunen gibt – genau so unsinnig allerdings ist das undifferenzierte Go-TTIP der anderen Seite.Freihandel – das wird die Leser dieses Blogs nicht verwundern – hat in erster Linie mal meine Zustimmung. Dazu allerdings müssen auch die Bedingungen stimmen. Wen also heute die Sorge um den Mittelstand umtreibt, gegen eine vermeintliche Übermacht amerikanischer Großkonzerne nicht bestehen zu können, dem muss man Recht geben. Denn das letzte, was ein kleines bis mittelständisches Unternehmen in Deutschland derzeit gebrauchen kann ist, nachdem es sich durch den deutschen und europäischen Regulierungswust gekämpft und nicht wertschöpfende Kosten getragen hat, mit einem Unternehmen als Wettbewerber konfrontiert zu sein, das in einem vergleichsweise freien Markt agieren kann. Notwendig für den Freihandel wäre es also, entweder die Ausgangslagen „gleichnamig“ zu machen, oder in einen Wettbewerb der Nationen zu treten, was dann hieße: Auf beiden Märkten überzeugen, warum hohe deutsche und europäische Sozial-, Steuer-, Sicherheits-, Umwelt-, Verbraucherschutz- und regulatorische Kosten für den Kunden am Ende besser sind (von Währungs- und Zinspolitik ganz zu schweigen).
Das allerdings wird schwerfallen und man sitzt allzu schnell dem Missverständnis auf, der Preis einer Leistung errechne sich aus Kosten und erwartetem Gewinn. So stellen sich das jedenfalls die linken Strategen in der Politik das vor: Mehrkosten für irgendeine unsinnige und nicht wertschöpfende Regulatorik wie die Zeiterfassungen zum Mindestlohn können doch auf den Preis aufgeschlagen werden – der Kunde wird es schon bezahlen. Wird er im Zweifel auch (mit abnehmender Tendenz), aber nur, wenn er keine Alternativen hat. Darum sind bei solchen nationalen oder auch regionalen Alleingängen immer auch Folgemaßnahmen zum Schutz der heimischen Unternehmen notwendig – die Interverntionsspirale nimmt seinen Lauf. In Wahrheit bestimmen aber Angebot und Nachfrage den Preis und der bestimmt – abzüglich der Renditevorstellungen – die maximalen Kosten einer Leistung. Das ist keine „Raketentechnik“, wird aber, gerade von Politikern, die nie in der freien Wirtschaft tätig waren, gerne vergessen, verdrängt oder – wohl noch eher – intellektuell nicht durchdrungen.
Bestrebungen wie TTIP legen diese Problematik erneut offen. Demonstranten gegen TTIP, die einen „ungerechten Wettbewerb“ befürchten, haben insofern durchaus Recht: Wenn europäische Unternehmer und Unternehmen staatlicherseits gegängelt werden, dann ist der Wettbewerb mit einem Unternehmen, dass diesen Regierungseskapaden nicht ausgesetzt ist, tatsächlich nicht „gerecht“. Andererseits sind aber diese Einschränkungen nicht allein auf dem Mist der Politiker gewachsen – die wurden für Vorschläge, die die Arbeitskosten belasten im Zweifel demokratisch gewählt. Insofern wäre TTIP die Gelegenheit, aus einem linken Traum aufzuwachen: Dem Traum, man könne soziale Wohltaten ausgießen, „Verteilungsgerechtigkeit“ herstellen, die Unternehmen mit allerlei scheinbar doch „guten“ Auflagen belasten, ohne dass das Konsequenzen hätte. In einem wirklich freien Markt wären Vereinbarungen wie TTIP gar nicht notwendig: TTIP kann, wenn es denn kommt und wenn es denn dem Namen „Freihandelsabkommen“ gerecht wird, nur eine Reparatur darstellen für einen aktuell zutiefst durch staatliche Eingriffe – von Interessengruppen gefordert – gestörten Markt.
Lasst also Unternehmen unter möglichst freien Bedingungen in Wettbewerb zueinander treten. Die besseren, innovativeren, kundenorientierteren, strategisch besser agierenden werden dann langfristig gewinnen – und die, die verlieren, werden etwas anderes tun. Das bringt nicht nur mehr Wohlstand für alle – weltweit -, sondern sichert auch Arbeitsplätze in verantwortlich agierenden Unternehmen und sorgt für eine bessere Bedienung der Kunden auf allen Ebenen. Daran, und nicht an europäischen Umwelt- und Sozialstandards, muss sich ein potenzielles TTIP-Vertragswerk messen lassen: Sind die Bedingungen für die Wettbewerber in diesem Markt gleich? Idealerweise gleich gut, vermutlich – je nach Durchsetzungskraft der Interessengruppen – aber gleich schlecht. Sollten die TTIP-Bedingungen aber gleich schlecht werden, werden sich insbesondere amerikanische Unternehmen noch mehr auf anderen Märkten wie dem Pazifikraum engagieren. Die Europäer dürfen dann staunend wahrnehmen, wie sie selbst den Entwicklungen hinterherhinken, andere Unternehmen es – gestärkt durch dieses Engagement – selbst mit einem regulierten und überbürokratisierten europäischen Markt aufnehmen können … und wollen wir wetten: Dann schimpfen sie wieder auf die Internationalisierung und kämpfen gegen einen ungerechten Wettbewerb! Und werden vergessen haben, dass sie mit einem vernünftigen Freihandelsabkommen den Schlüssel zum Erfolg in der Hand gehalten, ihn aber nicht umgedreht haben.
laurentius
Glauben Sie das, was Sie da geschrieben haben?
Haben Sie sich schon einmal mit den Folgen ähnlicher Freihandelsabkommen befaßt?
Bisher haben ähnliche Abkommen nur zur weiteren Verelendung (siehe entsprechende Freihandelsabkommen zwischen EU und afrikanischen Ländern) und zur weiteren Monopolisierungen (frei nach K. Marx). Ein „wirtschaftswunderlicher Wohlstand für alle“ ist dabei bisher nicht herausgekommen. Das mit diesen Abkommen die staatlichen Rechtssysteme via Schiedsgerichte ausgehebelt werden sollen, sprich die Souveränität der Völker abgeschafft werden soll zugunsten von frei agierenden Firmen, haben Sie leider überhaupt nicht in Betracht gezogen.
Und was soll man wohl von einem Vertragswerk halten, daß an allen demokratischen Gremien vorbei in irgendwelchen Hinterzimmern erstellt wird und von dem nur Grundzüge entlang ähnlicher Abkommen erschlossen werden können?
Es gewinnen nicht die besten Unternehmen, mit den besten Artikeln. Es gewinnen die, die mit ihrem Geld die anderen unterbieten können, bis die Konkurrenz am Boden liegt oder aufkaufen oder demnächst mit Klagen überziehen können. Sie glauben wohl noch immer, es ginge um gute Produkte. Es geht um Marktbeherrschung, Macht.
Nicht nur Grüne sind weltfremd. Jünger des Wirtschaftsliberalismus sind es nicht weniger. Es sind halt zwei Ideologien …
Klaus
Wenn TTIP vernünftig verhandelt wird, bringt das dem Westen über viele Jahre Arbeit und Wohlstand. Bin absolut dafür.
Theodreds Schicksal
Haben Sie den Artikel gelesen? Scheinbar nicht. Denn Sie unternehmen genau das, was Eingangs beklagt wird.
Und was die Geschichte angeht: ich fühle mich stets auf den Fuß getreten, wenn sie pauschalisiert wird ohne bemüht zu werden.
Das erste EU Freihandelsabkommen existiert seit 1973 mit Liechtenstein, Schweiz, Island und Norwegen. Keines der Länder und erst recht nicht die EU sind darüber verarmt.
Sie brauchen nun nicht Länder wie Kenia rauszusuchen, die über ihre Abkommen wirklich massive Einbußen hatten, da widerspreche ich Ihnen nämlich nicht.
Fakt ist, es kann in die eine wie die andere Richtung gehen. Eines oder beide Länder können vor die Hunde gehen, eines oder beide Länder profitieren – das lässt sich erst mit den Details des Vertrages sagen – den wir noch nicht kennen.
Also: Stimme senken, Meinung reflektieren und auf Fakten warten.
Siegfried Simperl
Die Europäische Union hat sich verpflichtet, bei allen ihren Entscheidungen nicht nur an sich selbst, an ihre Bürgerinnen und Bürger und an ihre Nationen zu denken. Vielmehr hat sie sich verpflichtet, alle ihre Verträge daraufhin zu überprüfen, ob sie dem Ziel einer nachhaltigen Entwicklung dienen, das heißt die Kluft zwischen armen und reichen Staaten und Menschen verkleinern und eine faire und ökologische Entwicklung fördern.
Genau das leistet TTIP nicht: Die Exporte der industrialisierten Landwirtschaft aus der EU und USA in die Entwicklungsländer werden steigen; die kleinbäuerlichen Produzenten im globalen Süden werden auf ihren einheimischen Märkten zurückgedrängt werden und die bisherigen Erleichterungen für Importe aus Entwicklungsländern in die USA und die EU werden an Bedeutung verlieren.
Die Perspektive für eine globale Handelspolitik: Sie ist nur zukunftsfähig, wenn Gerechtigkeit und Menschenwürde für alle ihre Grundlage bilden, wenn sie den Schwachen eine neue, bessere Lebensperspektive eröffnet und wenn sie dazu beiträgt, die Schöpfung Gottes für alle Menschen zu bewahren!