Mit „Umvolkung“ ist Akif Pirincci wieder eine kleine Wiederholung seiner Provokationen gelungen. Die Bedeutung liegt aber woanders.
Eigentlich wollte ich zu Akif Pirinccis „Umvolkung“ ganz was anderes schreiben. Denn eigentlich bin ich von diesem Buch nicht besonders begeistert – eher im Gegenteil. Der Titel meiner Rezension war bis vor ein paar Wochen darum auch „Ein ziemlich unnötiges Buch“. Mein Gesinnungswandel ist insofern erklärungsbedürftig – auch um den folgenden Text einschätzen zu können.
Ein neuer Verlag
Wenn man sich nämlich positiv über die beiden vorherigen Bücher Pirinccis – „Deutschland von Sinnen“ und „Die große Verschwulung“ – geäußert hat, dann hat man sich erstens ein bisschen Ärger mit den gängigen Mainstreamern eingehandelt und zweitens eine Erwartungshaltung an einen Text über das neueste Buch, das den reißerischen – weil bewusst der Nazi-Sprache entlehnten – Titel „Umvolkung“ trägt, erzeugt. Die meisten Leser werden sich erinnern: Der Aufschrei nach „Deutschland von Sinnen“ war schon hoch, entsprechend die Resonanz bei „Die große Verschwulung“ – wobei die Bücher Pirinccis aus den Regalen und dem Versand der gängigen Verlage geflogen sind nicht wegen deren Inhalt, sondern wegen einer ziemlich wirren (aber immer wieder falsch zitierten) Rede Pirinccis vor einer Pegida-Demonstration. Der eine oder andere verortete mich selbst darum schon allein deshalb in der rechten Ecke, weil ich für „Die große Verschwulung“ positive Worte gefunden habe.
Nachdem Pirincci also seinen früheren Verlag „verloren“ hatte, musste es ein neuer werden – und mit dem Nischen-Verlag „Antaios“, der politisch der „Neuen Rechten“ zugeordnet wird, wogegen sich selbst die Betreiber nicht wehren, auch gefunden. Damit allerdings – das trifft auch für andere Bücher dieses Verlages zu – ist man auf eine bestimmte Kundenklientel festgelegt, während andere selbst dann nicht bei Antaios bestellen würden, wenn es ein Buch von Claudia Roth wäre.
Notwendige Diskussionen
„Umvolkung“ ist zeitlich vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise geschrieben. Es thematisiert die Sorgen und Probleme, die sich jedem interessierten und mit offenen Augen durch die Welt laufenden Bürger ganz offensichtlich klar sind, selbst wenn man unterschiedliche Antworten auf die gestellten Fragen geben würde. In dem kleinen Buch macht darum Pirincci seinem Unmut darüber Luft, wie die politischen Entscheidungen – ohne parlamentarische Beschlüsse geschweige denn intensive gesellschaftliche Diskussionen – zustande gekommen sind. Und er wirft einen Blick in eine von ihm befürchtete Zukunft eines von Migranten überrannten und ausgebeuteten Deutschlands; eine Zukunft, die – so seine These – von antideutschen Kräften durchaus gewünscht wird.
Dabei bleibt er aber die Antwort auf die Frage, wer eigentlich an welcher Stelle mit welchem Interesse agiert, schuldig, argumentiert eher im vagen. In einigen Nebenrechnungen wirft er Fragen hinsichtlich der Machbarkeit und Finanzierbarkeit der Flüchtlings- und Migrantenaufnahme auf – immer eingedenk der Tatsache, dass offenkundig nicht die intellektuelle Elite aus Nordafrika zu uns strömt. Diese Rechnungen kranken an ihrer Milchmädchenhaftigkeit und Monokausalität … sind allerdings auch nicht einfach von der Hand zu weisen.
Ärgerlich
Insofern wäre dieses Buch durchaus ein Diskussionsbeitrag, den man erst mal entkräften muss. Gewürzt wird das Buch aber auch mit der Pirincci-üblichen Sprache, die für meinen Geschmack diesmal aber als allzu bemüht daher kommt. Bei der ersten Erwähnung des Begriffs „Invasoren“ schreckt man noch auf angesichts der politischen Inkorrektheit, beim fünften oder sechsten Mal wünschte man sich selbst als Zuwanderungskritiker ein bisschen mehr Differenzierung. Beim ersten Mal ist der Begriff des „Flüchtilanten“ noch einigermaßen witzig, beim fünften oder sechsten mal beschleicht einen das Gefühl, dass hier ein Begriff etabliert werden soll, der sich einer vernünftigen Definition ebenso entzieht wie die strapazierte Dehnung des Begriffs Flüchtling.
Die mühsam erscheinenden Grenzüberschreitungen dessen, was in der öffentlichen Diskussion gesagt werden sollte und was einer Diskussion zuträglich ist, machen das Buch – angesichts der drängenden Fragestellungen – darum tatsächlich zu einem kleinen Ärgernis.
Provokation geht anders
Nun ist es nicht Akif Pirinccis Sache, ein wirtschafts- und sozialpolitisches Fachbuch zu schreiben. „Umvolkung“ ist wieder mal ein Wutausbruch, wie es die beiden vorherigen Bücher schon waren. Er arbeitet dabei allerdings mit Pauschalierungen, die er umgekehrt den Refugees-Welcome-Apologeten vorwirft, nur eben in eine andere politische Richtung. Das eine ist so falsch wie das andere, und als – im positiven Sinne – besorgtem Bürger helfen einem solche Pauschalierungen in keiner Weise weiter. Pirincci benennt die richtigen Themen, wirft aber seine eigene Argumentation mit der Art, wie er es beschreibt wieder von der Agenda. Das ist erstens schade, und legt zweitens den Verdacht nahe, dass es ihm lediglich darum ging, ein „Nachfolgebuch“ insbesondere zu „Deutschland von Sinnen“ zu schreiben.
Interessant und in gewisser Weise sogar provokanter wäre tatsächlich ein echtes Sachbuch Pirinccis gewesen: Verständlich, von mir aus schnoddrig, geschrieben aber fundiert durch Experten, die ansonsten in den Medien kein Forum mehr bekommen. Seine Fans und Kritiker hätte Pirincci überraschen können mit einer sachlichen Analyse, der dann durchaus dramatische Forderungen und Konsequenzen hätten folgen dürfen. Meine Befürchtung zu Beginn der Lektüre war, dass Pirincci eine noch härtere, provokantere Wortwahl als in den Vorgängerwerken genutzt hätte. Das hat sich zum Glück nicht bestätigt. Falls er allerdings wieder in der öffentlichen Diskussion ernstgenommen werden wollte, auch für diejenigen interessant sein wollte, die mindestens seinen Sprachstil ablehnen, dann hat er diese Chance deutlich verfehlt.
Ein Nachfolgebuch?
Vielleicht war das aber auch gar nicht sein Ziel: Vielleicht sollte „Umvolkung“ genau das sein, was die Vorgängerbücher schon waren: Wutausbrüche, Provokationen und dosierte Grenzüberschreitungen. Das wäre dann gelungen – die Diskussion über Flüchtlingspolitik, Integration und Migration wird durch die 160 Seiten jedoch nicht beflügelt. Insofern ist Umvolkung ein Buch geworden, das so manchen Leser in seiner Ansicht bestärken wird. Viel überflüssiger kann es damit aber auch nicht sein.
Aber jetzt …
So, das war mein Verriss von „Umvolkung“, wie ich ihn bis vor ein paar Wochen noch hätte schreiben und beenden wollen. Zum Glück bin ich aber nicht dazu gekommen und habe nun die Möglichkeit, noch mehr in die Betrachtung aufzunehmen – das Umfeld hat sich nämlich seit der Veröffentlichung von „Umvolkung“ noch mal dramatisch verändert.
Die bundesdeutsche Flüchtlingspolitik ist im Wesentlichen die gleiche geblieben. Allerdings schickt der eigentliche Irre vom Bosporus sich gerade an, Merkels „Willkommenspolitik“, die sie auf Kosten der Türkei durchsetzen wollte, vor die Wand fahren zu lassen. Von einem Scheitern des „Wir schaffen das“ wollen aber weder die Kanzlerin noch ihre Claqueure etwas wissen.
Von Task Forces und Linksradikalen
Unser Justizminister hat – vielleicht hat er durch die mediale Vernichtung Pirinccis Blut geleckt? – eine Task Force unter Führung einer ehemaligen Stasi-IM eingesetzt, die Beiträge in sozialen Medien auf politische Korrektheit durchforsten soll. Da fliegen dann politisch missliebige Postings raus, selbst solche der FDP und solche, die auf Missstände im Umgang mit islamistischem Extremismus hinweisen. Kein Wunder wenn in einer solchen Task Force Mitarbeiterinnen Wortführer sind, die sich selbst als Fans von Bomber Harris sehen!
Wahlkampfveranstaltungen der AfD werden immer wieder von Linksextremisten mit gewaltsamen Mitteln gestoppt. Das vor dem Hintergrund, dass der Präsident des deutschen Verfassungsschutzes mehrfach darauf hingewiesen hat, dass er keinen Anlass zur Beobachtung der Partei sähe. Man kann sich also über die Politik der AfD streiten, verfassungsbrüchig ist sie bislang jedenfalls nicht geworden. Dennoch braucht es zwischenzeitlich Mut, wenn man als Wirt oder Eigentümer eines Veranstaltungsraumes an die AfD vermieten will.
Nicht nur gegen die üblichen Verdächtigen
Und es geht nicht nur um die angeblichen oder echten Neuen Rechten: Selbst als Libertärer wird man Opfer linker Gewalt. So konnte eine Veranstaltung des Hayek-Clubs Köln erst nach Gewaltandrohung und Wechsel der Räumlichkeiten stattfinden. Ein Skandal? Nicht für die Mainstreampolitik und –medien. Dazu passt auch eine Seite der Amadeu Antonio Stiftung, die ein Netzwerk Neuer Rechter alleine aufgrund der Tatsache zweifehafter Verbindungen nachweisen will: Da sind dann Autoren, die der „eigentümlich frei“ ein Interview gegeben haben schon alleine deshalb in diesem Netzwerk, weil dieses Magazin auch schon mal einen NPD-Vorsitzenden interviewt (und nebenbei richtiggehend gegrillt) hat. Obacht also, wenn Sie sich als Leser mal auf den PAPSTTREUENBLOG beziehen: Ich veröffentliche bei der eigentümlich frei, ab und zu bei kath.net und FreieWelt! Am Ende stehen Sie als Leser dieses Blogs als Neuer Rechter da.
Faschismus? Ach was!
Jüngste Negativbeispiele: Ein CDU-Lokalpolitiker droht einem Facebooknutzer, er wolle mal bei dessen Arbeitgeber nachfragen, ob der denn von dessen politischer Einstellung wisse und ob er es für richtig halte, so einen Mitarbeiter zu beschäftigen. Faschismus? Ach was, es geht doch um die gute Sache, da ist Denunziation und Androhung der Vernichtung der beruflichen Existenz doch nur das kleinere Übel.
Und gerade wird berichtet, dass die Polizei in Fulda ein Grillfest „offensichtlich rechtsgerichteter“ Teilnehmer aufgelöst habe. Der Grillplatz sei „unter Verschweigen der Gesinnung“ angemietet worden. Ja Zapperlot, da mietet jemand einen Grillplatz ohne seinen Parteiausweis dabei zu haben und seine freiheitlich-demokratische Gesinnung nachzuweisen? Sarkastisch betrachtet müssten doch auch dem zuständigen städtischen Sachbearbeiter für diese Unachtsamkeit Konsequenzen drohen?! Übrigens, so steht es im Polizeibericht, zeigten sich die Teilnehmer „kooperativ und verließen das Gelände ohne jede Konfrontation.“ – Na, die werden schon gewusst haben, dass sie im Unrecht sind, was?
Ein anderes Fazit
Mit anderen Worten: Wer in diesem Land eine missliebige politische Meinung vertritt, muss mit schlecht kaschierter Zensur rechnen (Facebook löscht entsprechende Beiträge je nicht ohne politischen Druck) und berufliche Konsequenzen im Nachgang zu Denunziationen fürchten. Dabei ist es in diesem Land nicht mehr entscheidend, was Sie sagen oder schreiben sondern wo. Ein Plädoyer für die Bundesrepublik Deutschland und die freiheitlich-demokratische Grundordnung in der „Jungen Freiheit“ oder der „eigentümlich frei“? Keine Chance, damit ist man „Neu-Rechter“. Damit da auch ja keine Unbedachtheit unbeobachtet bleibt, setzt der deutsche Justizminister eine demokratisch nicht legitimierte „Task Force“ zur Gesinnungskontrolle ein, geleitet durch eine umstrittene Stiftung, die selbst mit quasi-faschistischen Methoden arbeitet unter der Leitung einer Ex-Stasi-IM. In einem Film würde man dem das Prädikat „unrealistisch“ erteilen.
Und in einem solchen Umfeld soll ich einen Pirincci verreißen, nur weil ich seine Position nicht teile? Man muss ja froh sein, dass ein solches Buch in Deutschland überhaupt noch erscheinen darf und nicht direkt verboten wird. „Umvolkung“ im Bücherregal stehen zu haben, das muss man nicht unbedingt als Zeichen der gleichen Meinung wie Pirincci verstehen. Man kann es auch als Zeichen der freien Meinungsäußerung betrachten. Die ist in Deutschland in Gefahr – nebenbei eine Einschätzung, die einen in den Augen linker Agitatoren bereits zu einem Neuen Rechten macht.
Weitere Rezensionen auf dem PAPSTTREUENBLOG:
Andreas
Zunächst einfach mal danke, für den Mut ein unbequemes Thema aufzugreifen.
Ich habe mich gestern mal wieder gefragt wo wir in diesem Lande eigentlich angekommen sind, als sowohl FazNet als auch Welt.de mit Bildern des Bundeswirtschaftsministers aufmachten, die mit „Antifa-Kampftraining e. V.“ untertitelt waren.
Offensichtlich verfassungsfeindliche und gewaltbereite Gruppen als Informationsquelle der Medien? Sukzessive werden hier neue Eskalationstufen gezündet, man fragt sich in der Tat, was als nächstes kommt.
Aber gut, wer die Geschehnisse um die Amadeu Antonio Stiftung der Stasi-Spitzelin Kahane bedenkt, die mit finanzieller Unterstützung des Bundesfamilienminsteriums und mit der Auszeichnung durch den Bundesjustizminister, neue Regeln im öffentlichen Diskurs etablieren wollen, während ihre Mitglieder im Netz exessiv von der Fäkalsprache Gebrauch machen und Deutschland in den Stand eines Agrarlandes zurückbomben wollen – ganz ehrlich den kann solches nicht mehr wundern.
Was Pirinci angeht: Ich habe mir damals beim Juwelen-Verlag (so konnte man halt auch mal einen kleineren Verlag unterstützen) die Bücher „Deutschland von Sinnen“ und „Die große Verschwulung“ gekauft, weil ich mir selbst ein Bild machen wollte.
Im Ergebnis fand ich die Lektüre sehr anstrengend und die Sprache ist halt nicht meine. Es reichte aber um herauszufinden, dass die meisten Vorwürfe gegen ihn konstruiert sind – aber auch das war keine Überraschung.