Wie kann man mit Blick auf den Tod von Hoffnung sprechen? Die Frage ist falsch gestellt: Wie kann man das nicht tun … und dann nicht verzweifeln?
Bis Ende vergangener Woche war ich noch Angestellter meines alten Arbeitgebers. Den Job hatte ich selbst gekündigt und werde Anfang Mai eine neue Tätigkeit aufnehmen. So war also am vorletzten Mittwoch ein kleiner Ausstand: Liebe Kollegen widmeten mir freundliche Worte, ich verabschiedete mich noch einmal von allen, in der begründeten Hoffnung, sie alle über kurz oder lang wieder zu sehen: Die Welt ist doch zu klein, als das man sich aus dem Weg gehen könnte, wenn man es nicht absichtlich versucht. Und so ahnte ich nicht, dass ich einen der Kollegen in dieser Welt nicht wieder sehen würde. Einer der Mitarbeiter, mit denen ich seit Jahren eng zusammen arbeitete, ist am Dienstag überraschend gestorben.Abschied für immer
Er war ein lebensfroher Mensch, immer auch mit einem Blick auf die anderen. Über seinen Glauben kann ich nicht allzu viel sagen, obwohl mein eigener Glaube des Öfteren Gegenstand unserer Gespräche in den Pausen war. Aber ich kann mit Gewissheit behaupten, dass sich ein Großteil seines Lebens um andere drehte: Seine Töchter, seine Freunde und auch seine Kollegen.
Nun war der Abschied der vergangenen Woche von ihm ein Abschied für immer (in dieser Welt) und obwohl ich nicht vor Ort bin, weiß ich, was in den Kollegen vorgehen muss. Die Trauer ist auch aus der Ferne greifbar und ich mag mir gar nicht vorstellen, was in einem Kollegen vorgeht, der mir berichtete, dass sie seinen Arbeitsplatz aufräumen müssen …
Ein sehr kleines Zeugnis
Ich dachte jedenfalls, dass es durchaus auch Zeit für ein Zeugnis sein könnte und habe in eine private Whatsapp-Gruppe am Dienstagabend diesen Text verfasst:
Wisst Ihr, es ist nicht die Zeit für große Reden aber eine Hoffnung möchte ich noch mit Euch teilen: Wir haben einen Vater im Himmel, der uns geschaffen hat und der uns auffängt. Der uns liebt, nicht weil … sondern einfach so. Und der alles gut machen wird, auch die Dinge, die uns jetzt unverständlich oder grausam erscheinen. Und der mit uns trauert, weil er mit uns fühlt (wer mag kann mal das Evangelium vom vergangenen Sonntag nachschlagen, Johannes 11,1-45, dann wisst Ihr, was ich meine – „Da weinte Jesus.“) Darum ist Trauern richtig und gut, aber wir brauchen nicht zu verzweifeln, jetzt nicht und auch nicht bei den vielen Dingen, die uns noch begegnen werden. Ich weiß, dass das nicht jeder glaubt, manche halten es für naiv, aber das ist DIE Hoffnung, die trägt. Und jetzt aber eine gute Nacht!
Dennoch!
Ich glaube, das ist es, was die christliche Hoffnung ausmacht – dieses „Dennoch“, dass ich gerne im Stundengebet aus dem Buch Habakuk lese:
Zwar blüht der Feigenbaum nicht, an den Reben ist nichts zu ernten, der Ölbaum bringt keinen Ertrag, die Kornfelder tragen keine Frucht; im Pferch sind keine Schafe, im Stall steht kein Rind mehr. Dennoch will ich jubeln über den Herrn und mich freuen über Gott, meinen Retter. Gott, der Herr, ist meine Kraft. Er macht meine Füße schnell wie die Füße der Hirsche und lässt mich schreiten auf den Höhen.
(Habakuk 3,18-19)
Zusammen mit Jesu Tränen über Lazarus und die Trauer seiner Freunde wird daraus ein Gesamtbild. Trauer ist gut, Trauer ist richtig, Trauer ist vernünftig, wenn sie sich darum dreht, von einem geliebten Menschen für immer Abschied nehmen zu müssen. Vorstellungen, als Christ dürfe man aufgrund der Hoffnung, die uns gegeben ist, nicht trauern, erscheinen mir dagegen als grausam und unbarmherzig. Wenn selbst Jesus um Lazarus trauert, wenn er mit Martha und Maria mit weint, dann kann es nicht in sich schlecht sein, um einen guten Freund und Kollegen zu weinen; zu weinen, weil man ihn in dieser Welt nicht wieder sehen wird, weil man sich doch so gerne noch verabschiedet hätte, wenn man gewusst hätte.
Unsere Hoffnung widerspricht der Verzweiflung
Nur die Verzweiflung ist niemals legitim: Verzweiflung die in der Negation der Hoffnung besteht, dass Gott am Ende alles zum Guten wenden wird, eine solche Verzweiflung ist eine große Versuchung, aber sie macht Gott kleiner als er ist, kleiner auch als wir ihn uns vorstellen können. Wir können vielleicht nicht verstehen, wozu dieses Leid, jene Krankheit oder auch der Tod eines geliebten Menschen gut sein soll … aber wir können darauf vertrauen, dass Gott damit etwas anzufangen weiß. Das ist christliche Hoffnung, ich möchte sagen österliche Hoffnung, die Raum für Trauer lässt, uns aber nicht der Verzweiflung anheim gibt. Ich hoffe und bete, dass diese Hoffnung uns alle trägt und niemand verzweifeln muss in dunklen Stunden!
Gerd
Man kann sich vorstellen, dass die Familie des Lazarus bei seinem „zweiten“ Tod durchaus wieder getrauert hat. Dann allerdings mit der Hoffnung, dass Lazarus lebt.