Das „Merkelunser“ der AfD Baden-Württemberg erhitzt christliche Gemüter. Der Test ist schlechter Stil, keine Frage, aber das Problem ist ein anderes.
Zum Thema des reichlich verunglückten Versuchs, das wohl bekannteste christliche Gebet im politischen Kontext umzudichten, ist das meiste in den vergangenen Stunden sicher schon geschrieben worden. Für mich ganz persönlich kann ich sagen: Mir gefällt der Text nicht, weniger wegen des christlichen Bezugs sondern wegen des reichlich flachen Inhalts, den auch viele Kritiker bereits seziert haben (zum Beispiel von Petra Lorleberg auf kath.net). Andererseits sollten sich aber Christen hüten, direkt aufzujaulen: Als ob eine Partei wie die AfD diesem Gebet tatsächlich etwas anhaben könnte! Unser Gott ist größer als das!
Kritik an dem Text ist erlaubt (wenn auch nach einer mehr als zweimonatigen Verspätung – der Facebook-Beitrag des von mir an sich geschätzten Michael Klonovsky für die AfD-Fraktion Baden-Württemberg stammt vom 4.7.2017 – reichlich konstruiert), aber das ganze dadurch in eine halbjuristische Ecke zu drängen, dass man zum Ausdruck bringt, sich in seinen religiösen Gefühlen verletzt zu sehen … das ist die Methode der Vertreter einer anderen Religion, die weltweit als Unterdrückungsideologie unterwegs ist und sich dort, wo das aufgrund der Mehrheitsverhältnisse nicht geht, als Opfer darstellt.
Kritik an Gottgleichheit der Regierung?
Nein, es lohnt nicht, sich darüber so zu echauffieren. Womöglich werden sich die Verfasser eines Tages vor ihrem Schöpfer verantworten müssen, aber erstens ist das dann nicht unsere Sache, und zweitens glaube ich nicht – da muss man dann schon den „Chef“ fragen – dass sich jemand durch eine solche Parodie den Zugang zum Himmelreich verbaut; da gibt es schlimmere Dinge.
Leider geht bei der Diskussion aber eine Sache unter, die man sowohl als Christ als auch als politischer Liberaler für kritisch halten muss. Denn was in einem solchen „Gebet“ zum Ausdruck kommt, ist die Vergöttlichung des Staates oder einer Regierung. Das „Merkelunser“ ist dabei eine Kritik an der Leistung der Kanzlerin und der aktuellen Regierung. Der Text verfehlt allerdings das eigentliche Ziel und man darf annehmen, dass sich die Verfasser eine andere Regierung wünschten, die die uns betreffenden Herausforderungen besser lösen möge. Die im „Merkelunser“ versteckte Kritik ist also eigentlich nur der Ruf nach einer anderen „gottgleichen“ Regierung, die es besser machen soll.
„Staatunser“ statt „Merkelunser“
Und hier liegt das eigentliche Problem: Wollte man mit dem Text deutlich machen, dass sich eine Regierung Merkel einen gottgleichen Status anmaßt, dann hätte man das anders formulieren müssen. So bleibt nur der schale Beigeschmack, dass es ausreichend Menschen in diesem Land, gleich welcher politischen Richtung, gibt, die der Meinung sind, der Staat müsse alles richten.
Dazu fällt mir ein Bericht ein, in dem vor kurzem dargelegt wurde, dass jeder zweite Deutsche die Rente als eine staatliche Aufgabe ansieht – als ob sich seit Norbert Blüm nicht langsam hätte herumsprechen können, dass eine umlagenfinanzierte Zwangsabsicherung auf Dauer nicht tragfähig sein kann. Da bedürfte es in der Tat schon eines göttlichen Wunders, wenn sich dieses System die nächsten 50 Jahre aufrechterhalten ließe. Symptomatisch auch Berichte, dass ein Großteil der deutschen Jugendlichen ihr Heil eher in einer Beamtenlaufbahn oder mindestens im öffentlichen Dienst suchen: Angestelltendasein in der freien Wirtschaft oder gar Selbständigkeit? Viel zu risikoreich, da hole ich mir besser eine Garantie von „Vater“ Staat.
Wenn also eine Kritik am Staat berechtigt wäre, dann müsste dazu nicht ein „Merkelunser“ sondern ein „Staatunser“ geschrieben werden. Ich werde das nicht verfassen, weil ich das Verhunzen eines Gebetes – auch bei denen anderer Religionen – für schlechten Stil halte. Aber unser eigentliches – politisches genau so wie religiöses – Problem in diesem Land ist damit umrissen: „Unser Vater“ im Himmel ist nicht mehr gewollt, an seine Stelle hat sich „unser Staat“ gesetzt … und wird von vielen Gläubigen der „Religion Staat“ an diese Stelle gesetzt.
Gero
Das ich Atheist bin, hat in meinem speziellen Fall wohl weniger mit unserem Staat als vielmehr mit meinem Befassen meiner Welt um mich herum und deren Deutung zu tun.
Gleichwohl halte ich es für ziemlich unglücklich, sich gerade religiöser Symbole und deren Verballhornung zu bedienen, wenn man etwas mitteilen möchte.
Erst recht, wenn es um Politisches geht.
Das Vaterunser hat für viele Gläubige sehr persönlichen Charakter, ist ein elementarer Teil des christlichen Glaubens und sollte nicht als Werkzeug im Wahlkampf dienen.
Ich, als AFD-Wähler, halte das für ganz schlechten Stil.
Darüber hinaus vermute ich über ethische Bedenken hinaus auch den, von den Verfassern sicherlich erhofften Erfolg als eher zweifelhaft.
Dem ein- oder anderen wird das wohl gefallen, aber nicht wenige werden wegen dieser politischen Benutzung eines christlichen Symbols beleidigt sein. Zu Recht, wie ich finde.
Die AFD hat ja schon jetzt wahrlich kein Mangel an Leuten, die sie polarisiert sehen.
Da muß das nicht auch noch sein. Man wäre besser beraten gewesen, das Thema nicht zu tangieren.
Nicht übereinstimme ich mit Ihnen, wenn Sie von „einer anderen Religion, die weltweit als Unterdrückungsideologie unterwegs ist“ sprechen.
Ich bin zwar nicht im Ansatz koranfest, sehe aber im Islam eigentlich nur das verbindende Glied zwischen Gesellschaften und Nationen, die über Jahrhunderte den Kürzeren gezogen haben und denen außer ihrem Glauben und der daraus resultierenden vermeintlichen Ehre wirklich nichts geblieben ist.
Hungrige, dumme und ohnmächtige Leute lassen sich überall auf der Welt leicht fanatisieren.
Wir sind da nicht per se die Besseren.
Letzten Endes bediente auch der Nationalsozialismus religiöse Mechanismen, was sich dann auch durch einige unschöne Fraternisierungen zwischen dem Klerus und der damaligen politischen Führung zeigte.
Religion ist in den falschen Händen immer eine Waffe.
Privat lebe ich allerdings deutlich lieber in einem christlich geprägten als in einem islamischen Umfeld.
Konrad Kugler
Gero
Ich behaupte, daß der Koran eine Kriegserklärung an die ganze nichtmuslimische Welt ist. Alle Kampfmittel sind erlaubt: Gewalt, List und Heimtücke.
Bitte widerlegen Sie meine Behauptungen.
Gero
„Bitte widerlegen Sie meine Behauptungen.“
Herr Kugler, das kann ich nicht.
Und ich habe auch keine Lust dazu.
Solche Diskussionen gibts zuhauf im Web.
Vermutlich aber, wenn ich mir Mühe gäbe, fände ich zu jeder Ausführung des Korans ein entsprechendes Pendant in der Bibel.
Das Alte Testament ist da ja nicht ohne.
Es ist immer die Frage, wie solche Sätze von den Übermittlern interpretiert werden.
Aktuell würde ich Ihnen aber die Gegenfrage stellen wollen, wie sie die äußerst ablehnende und verunglimpfende Art, in der sich die (Kath/ev) Kirche gegenüber den Positionen der AFD rechtfertigen.
Die Führung dieser Kirchen sind von ihrem Leitbild her doch sicher näher an der Bibel als ich Religionszivilist.
Aber ich kann in deren Verlautbarungen weder Güte noch Gerechtigkeit erkennen.
Von Verstand ganz zu schweigen.
Liesl Karlstadt
Solche Verballhornungen des Evangeliums gab es schon im Mittelalter. Z. B. wenn mit „secundum marci evangelium “ nicht das Markusevangelium, sondern das „Evangelium“ der Geld-Mark und damit Gewinnstreben des damaligen Klerus gemeint war. Das sollte man nicht zu ernst nehmen. Spätere Literaturhistoriker sehen das vielleicht als Beleg, wie sehr das Mittelalter noch im Christlichen verwurzelt war. Ob dieses aktuelle „Vater unser“ späteren Generationen noch als Beleg dafür dienen wird, dass die deutsche Gesellschaft von 2017 christlich geprägt war, scheint mir dagegen zweifelhaft;-)
Lehrer Lämpel
Wenn Sie sich das leider nur einige Tage bestehend bleibende Kommentar-Forum zu dem zitierten kath.net-Artikel von Petra Lorleberg ansehen, werden Sie feststellen, dass es zwar auch z.T. um ein Beleidigtsein einzelner Christen geht – meiner Meinung nach völlig zu Recht!
Aber es geht auch doch um Zweifel, ob wohl die AfD Christen wirklich ernst nimmt und wirklich – wie einige immer noch blauäugig meinen – wirklich christliche Positionen vertritt.
Vielleicht wachen gerade durch dieses Spottgebet einige dumme Christen noch rechtzeitig vor der Wahl auf und geben der AfD doch nicht ihre Stimme.
LePenseur
Cher Papsttreuer,
eine Paraphrase auf eine bekannte Antiphon habe ich einst auf dem LP-Blog »gedichtet«:
lepenseur-lepenseur.blogspot.com/2015/09/salve-angela.html
Was — im Gegensatz zum »Merkelunser« — keineswegs auf Mißfallenskundgebungen diverser erkennbar katholischer Leser stieß, ganz im Gegenteil …
Andreas
Guten Abend zusammen,
ich lege allen Beteiligten den heutigen Don Alphonso ans Herz (insbesondere unserem Staatsfan Lehrer Lämpel). So weit sind wir also, dass wir mit unseren GEZ-Gebühren NDR Stipendien von Linksextremisten bezahlen, die entsprechende Hassartikel gegen alles was nach AFD aussieht verfassen (ohne das natürlich ihre extremistische Herkunft erwähnt wird).
Wer die wirklichen Probleme dieses Landes sehen will, Fehlgriffe von Herrn Klonovsky gehören nicht dazu!
Gero
Ja, das habe ich auch schon gesehen.
Nochmal zu Klonovsky und seiner „Vaterunser“-Version:
Der Mann ist ein brillanter Denker und spitzzüngiger Formulierer, wie es wohl keinen zweiten in Deutschland gibt.
Vom Handwerklichen finde ich den Text dann auch wirklich treffend.
Ich bin aber der Meinung, dieser wäre auf Klonovskys eigenen Webseite oder in ähnlich gelagerten Blogs als Satire besser aufgehoben, als das man mit ihm jetzt hochoffizielle Wahlwerbung betreibt.
Da ist selbst mir als Atheist unwohl dabei.
Andreas
Ach ja, und mit „Kontrollverlust“ verschwindet das nächste Buch auf wundersame Weise aus den Buchhandlungen und die zugehörige Werbeanzeige aus der „Welt am Sonntag“, aber gut da hat die Politik gar nichts mit zu tun (oh wait, mit wem war Frau Springer doch gerade noch befreundet…)
Andreas
@Gero: Ja da haben Sie vollumfänglich Recht.
Lehrer Lämpel
Inzwischen sind zu dem oben genannten Kath.net-Artikel schon über 130 unterschiedliche und z.T. durchaus lesenswerte Kommentare erschienen, die ich weniger den hier mitpostenden leider meist Unbelehrbaren, als vielleicht dem einen oder anderen noch in seiner Wahlentscheidung unsicheren Christen gerne zu lesen empfehlen möchte.
Andreas
Dieser Empfehlung kann ich vollumfänglich zustimmen, viele lesenswerte, weil insgesamt parteienkritische Kommentare.
Kevin
Immer wieder beeindruckend zu sehen, wie sich auch libertär gebende Katholiken in billigste Islamkritik verfallen und ihr eigenes Rumgeheule und Opfergetue nicht erkennen. Christenverfolgung in Europa, man wird doch wohl noch sagen dürfen etc. Da nützt auch das ganze pseudointellektuelle und pseudosachliche Gerede nicht, das ist hier alles billigste Polemik. Auch das Christentum strebt das Heil aller Menschen an, ebenso wie im Islam ist Zwang als Mittel der Mission untersagt (Sure 2 Vers 256). Diese katholischen Blogs sind eine Schande für die Kirche!
Papsttreuer
Irgendwie meine ich, dass ich mich in dem Beitrag genau gegen eine Opferhaltung ausgesprochen habe … aber vermutlich ist das – nah am Anfang des Beitrags – doch zu versteckt gewesen.
Gottes Segen für Sie!
Gero
Mit dem Nicknamen und dem zur Anwendung gebrachten Vokabular („billigste Islamkritik“ ; „Rumgeheule und Opfergetue“ ; „man wird doch wohl noch sagen dürfen“ ; „billigste Polemik“ ; „eine Schande für…“) eher ein Maulwurf der selbsternannten Antifa-Szene.
Sie werden sich wohl dran gewöhnen müssen, daß solche, nach der Schließung von „linksunten.indymedia.org“ heimatlos gewordene Naturen in einem offenen Blog wie diesem hier aufschlagen.
Liesl Karlstadt
Eine weitere Theorie zum Kommentar von Kevin:
„Es ist zwar alles gesagt, aber noch nicht von allen.“ (Karl Valentin)