Nach den letzten eher prägnanten Beiträgen im Schwarz/Weiß-Stil erscheint es mir an der Zeit, auch mal wieder Grautöne zu Wort kommen zu lassen. Vor allem deshalb, weil sie mich an bestimmten Stellen selbst beschäftigen.
Da ist zum Beispiel der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke, der in der Debatte um erweiterte Rechte für Homosexuellen-Partnerschaften darauf hinweist, dass es in jedem Fall besser sei, wenn ein Mensch in einer festen und stabilen Beziehung lebe, statt vagabundierend seine Sexualität zu leben, und damit Verständnis für die Forderung der Ausweitung des Ehegattensplittings auch auf homosexuelle Paare äußert.
Ein Thema, das deutlich macht: mit einem Schwarz/Weiß-Schema kommen wir in manchen Fragen nicht aus, auch wenn uns insbesondere in den Medien das immer wieder schmackhaft gemacht wird. Da wird dann nur davon berichtet, dass der Weihbischof für die Gleichstellung homosexueller Paare sei (so titelt Welt-Online), obschon das fast das Gegenteil dessen ist, was er wirklich gesagt hat. Man erinnert sich auch noch mit Grausen an die Schlagzeilen, dass der Papst nun Kondome freigeben würde, wo er tatsächlich nur darauf hingewiesen hat, dass es Zeichen von Moralität wäre, wenn ein HIV-infizierter männlicher Prostituierter zukünftig zum Schutz der Freier Kondome benutzt. Schlagzeile gegen Inhalt, eben Schwarz/Weiß gegen Grautöne.
Das Problem: auch in der Kirche unterscheiden wir zu Recht zwischen richtig und falsch, zwischen gut und böse, zwischen Wahrheit und Lüge. Es gibt da kein Zwischenspiel: Bei der Frage, ob Homosexualität Sünde ist, mag man zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, aber aus katholischem Mund wird man nie die Antwort ein bisschen bekommen. Und dennoch ist es offenbar notwendig, die Zwischentöne zu sehen und eine Richtung wahrzunehmen. Ist eine homosexuelle Beziehung, in der zwei Menschen aufeinander achten und langfristig Verantwortung füreinander übernehmen, wie man das in einer guten Ehe tut, besser als das sexuelle Vagabundieren? Man ist versucht zu sagen Ja muss aber ergänzen Ja, aber
Es ist ein Zeichen von höherer Moralität, in dieser eheähnlichen Beziehung zu leben, als andere Menschen sexuell zum eigenen Vergnügen auszunutzen, selbst wenn diese dem zustimmen. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass homosexuelles Handeln Sünde bleibt, nicht dadurch weniger Sünde wird, dass man es in einem stabileren Rahmen auslebt. Man kann nun versuchen, die Grauschattierungen wieder in Schwarz/Weiß-Abschnitte zu unterteilen, beispielsweise zu sagen, dass in einer vagabundierenden Homosexualität zwei Sünden enthalten sind: die ausgelebte Homosexualität einerseits und das Vagabundieren andererseits. Wenn ich nun das Vagabundieren einstelle, dann fällt eben eine Sünde weg und die andere bleibt. Mir erscheint das zwar logisch, aber dem Maßstab der Logik misstraue ich in diesen Fragen zutiefst, erweckt es auch ein ziemlich mechanistisches Weltbild; man könnte auch auf den Gedanken kommen, Sünden zu atomisieren und darauf zu achten, aus welchen Sünden sie sich zusammensetzt Ergebnis ist entweder eine Relativierung der Sünde oder im Gegenteil eine Vielzahl von Sünden, vor deren schieren Zahl es einem schwindelig wird.
Vielleicht ist es da besser, tatsächlich bei den Grautönen zu bleiben, anzuerkennen, wenn jemand sich auf den Weg der Umkehr macht, noch nicht weiß aber auch nicht mehr so schwarz ist, wie er es bisher war (eingedenk dessen, dass wir selbst weit davon entfernt sind, reinweiß zu sein).
Ich gebe zu, die Berichte über die Äußerungen von Weihbischof Jaschke hatten zunächst mal meinen Blutdruck in Wallung gebracht und der geplante Beitrag in diesem Blog wäre beinahe ein ganz anderer geworden. Aber wenn wir innerhalb der katholischen Kirche nicht mehr in der Lage sind, dem anderen zuzuhören, auch in seinen Äußerungen die Schattierungen wahrzunehmen, sie womöglich gar nicht mehr wahrnehmen wollen, wenn wir Gedankenspielen keinen Raum mehr geben wollen, dürfen wir uns nicht beschweren, wenn man diese Schattierungen auch außerhalb der Kirche nicht mehr hören will. Unser Glaube ist nicht kompliziert, aber manchmal braucht es auch ein bisschen Erklärung, die nicht in ein Schlagwort passt, um ihn transparent zu machen. Diese zusätzlichen Worte sollten wir uns auch untereinander zugestehen, um den anderen zu verstehen.
Mich erinnert das an die Begebenheit, als ein Schriftgelehrter Jesus nach dem wichtigsten Gebot fragt (Markus 12, 29ff):
Jesus antwortete: Das erste ist: Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft. Als zweites kommt hinzu: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Kein anderes Gebot ist größer als diese beiden. Da sagte der Schriftgelehrte zu ihm: Sehr gut, Meister! Ganz richtig hast du gesagt: Er allein ist der Herr, und es gibt keinen anderen außer ihm, und ihn mit ganzem Herzen, ganzem Verstand und ganzer Kraft zu lieben und den Nächsten zu lieben wie sich selbst, ist weit mehr als alle Brandopfer und anderen Opfer.
Jesus sah, dass er mit Verständnis geantwortet hatte, und sagte zu ihm: Du bist nicht fern vom Reich Gottes. Und keiner wagte mehr, Jesus eine Frage zu stellen.
Nicht fern vom Reich Gottes ist genau so eine Grauschattierung, die ich meine. Ich stelle mir vor, dass Jesus in dem Schriftgelehrten, der oft mit Nikodemus gleichgesetzt wird, auch die Schwächen erkannte, vielleicht den Hochmut über sein Wissen, vielleicht Dinge aus seinem Leben, die uns gänzlich unbekannt sind aber er hat bemerkt, wie dieser Schriftgelehrte sich auf den Weg macht und nun näher am heilig sein ist, als früher. Er ist nicht heilig, aber Jesus honoriert auch den Weg, ohne über unsere Abwege hinwegzusehen.
Das möchte ich jedenfalls gerne glauben, dass Gott diesen Weg mit uns gemeinsam beschreitet, mich bessert, wo ich noch schwach bin, aber den Blick nicht nur auf meine Fehler geheftet hält sondern auch meine kleinen Fortschritte sieht, die ich dank seiner Gnade erreichen kann. Sieh nicht auf unsere Sünden sondern auf unseren Glauben so beten wir in der Messe, und wir vertrauen darauf, dass Gott dieser Bitte barmherzig entspricht.
Wird der Papsttreue jetzt milde? Weicht er etwa von Glaubensinhalten ab? Nein, bei der Frage, ob etwas richtig oder falsch, gut oder böse, Wahrheit oder Lüge ist, ist für mich Jesus, und in seiner Vertretung die Kirche immer noch der Maßstab Guck in den Katechismus, wenn Du wissen willst, ob etwas Gut oder Sünde ist, wäre immer noch meine Antwort. Und wer gerecht sein will, der muss genau diesen Maßstab an sich selbst anlegen. Ihn aber an andere anzulegen, ihnen gegenüber nur gerecht aber nicht barmherzig sein zu wollen, das kann unmöglich der Weg Gottes sein vielleicht ist das mein Privatglaube aber anders kann ich mir unseren Vater im Himmel nicht vorstellen, der darauf wartet, dass seine verlorenen Söhne, auch die Daheimgebliebenen, zu ihm nach Hause kommen!
Und jetzt bin ich mal gespannt, ob dieser Beitrag zum Widerspruch reizt?!