Ein Tagesbeginn bei der Familie des Papsttreuen: Um 5:15 Uhr geht der Wecker beim Papsttreuen, aufstehen, kurz frisch machen, Kaffee kochen Morgengebet und Meditation über das Evangelium, alles noch in der Stille des noch schlafenden Hauses (es sei denn, die Papsttreue ist doch schon wach geworden, was der Papsttreue zu der frühen Stunde noch zu vermeiden versucht). Abschluss des Gebets gegen 6:00 Uhr mit einer geistlichen Kommunion und dem Angelus. Anschließend Duschen, die Papsttreue ist zwischenzeitlich wach geworden und startet ihr eigenes Morgengebet. Anschließend dann noch ein bisschen Small-Talk: was liegt heute an, wann plant der Papsttreue nach Hause zu kommen, kurze theologische Disputation über das Evangelium, Kuss, Segen für Papstreue und Kinder und weg.
So könnte das von außen betrachtet wirken, und manchmal frage ich mich, was sich eigentlich in den vergangenen Jahren geändert hat, dass ein Morgen so aussieht und nicht klassisch wie früher (Wecker noch mal auf Schlummern, Aufstehen, Duschen, ein bisschen rummuffeln, Kaffee, schon besser Kuss und los). Muss was mit dem Glauben und dem Heiligen Geist zu tun haben, was aber morgens noch gar nicht so auffällt außer an Morgenden wie heute, wo der Ablauf genau so war wie oben beschrieben, inklusive insbesondere der theologischen Disputation um die es in diesem Beitrag geben soll. Ich bitte um Rückmeldung, ob das noch irgendwo so aussieht, damit wir uns nicht so alleine fühlen (wer es noch nicht bemerkt haben sollte was oben steht ist wahr, wurde aber dennoch mit einem selbstironischen Augenzwinkern geschrieben).
Also Evangelium von heute und die unterschiedlichen Sichtweisen. Erstmal der Text selbst
Wenn einer von euch einen Sklaven hat, der pflügt oder das Vieh hütet, wird er etwa zu ihm, wenn er vom Feld kommt, sagen: Nimm gleich Platz zum Essen? Wird er nicht vielmehr zu ihm sagen: Mach mir etwas zu essen, gürte dich, und bediene mich; wenn ich gegessen und getrunken habe, kannst auch du essen und trinken. Bedankt er sich etwa bei dem Sklaven, weil er getan hat, was ihm befohlen wurde? So soll es auch bei euch sein: Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen wurde, sollt ihr sagen: Wir sind unnütze Sklaven; wir haben nur unsere Schuldigkeit getan.
(Lukas 17, 7-10)
Interessanter Text, an den man so haben wir es jedenfalls heute Morgen getan, von zwei Seiten herangehen kann: von Seiten des Sklaven oder von Seiten desjenigen, der wirklich oder vermeintlich zu Dank verpflichtet ist. Aber schon die erste Sicht macht heute Schwierigkeiten: Ein Sklave, der Begriff ist doch, zumindest hier bei uns, ein Relikt aus alten Zeiten. Sicher behauptet der eine oder andere, er leiste sklavische Arbeit, aber mit dem, was Sklavenhaltung eigentlich ausmacht, hat das doch in aller Regel wenig zu tun: als Mensch Eigentum eines anderen Menschen zu sein, keine eigenen Rechte zu haben, für seinen Besitzer arbeiten zu müssen, vollständig von ihm abhängig zu sein in legalen Beschäftigungsverhältnissen und Beziehungen kommt das sicher heute in unseren Breiten nicht mehr vor. Und so fällt es uns schwer, uns vorzustellen, welche Rolle denn da einem Sklaven in dem Evangelium zugeteilt wird. Und das mag auch ein Teil, oder besser die Grundlage des Problems sein: das Ordnungsverhältnis von geschuldeter und eingeräumter Dankbarkeit liegt bei uns vollständig auf Eis: Ich erhalte den (im Zweifel tariflich festgelegten) tariflichen Lohn, das Leistungsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, zwischen Dienstleister und Kunde ist gesetzlich geregelt. Selbst in zwischenmenschliche Beziehung greift dieses Bilanzieren von Geben und Nehmen ein wer schuldet mir was, worauf habe ich als Ehefrau oder Ehemann, als Tochter oder Sohn, als Freund oder Freundin Anspruch und wer hat diesen Anspruch mir gegenüber (den ich nicht abwehren kann). Auf dieser Basis kommt die Idee von Dankbarkeit, die ich zu geben habe, gar nicht mehr auf. Eventuell beanspruche ich Dankbarkeit anderen gegenüber, aber selbst muss ich doch nicht dankbar sein?! Das macht dieses Gleichnis, aus Sicht des Sklaven eher schwerverständlich, und die Meditation aus Sicht meiner Frau genau so kompliziert aber am Ende auch ertragreich.
Die von mir propagierte Seite ist die, des zu Dank Berechtigten oder Verpflichteten. Stellt sich doch die Frage: Kann ich Dank einfordern? Bin ich zu Dank verpflichtet. Mir erscheint diese Frage ähnlich zu sein, wie die nach der Vergebung und auch die gleiche Antwort zu beinhalten: Ich habe kein Recht, von jemandem Vergebung zu verlangen, aber ich bin verpflichtet, jedem, der um Vergebung bittet, sie auch zu gewähren. Genauso geht das mit der Dankbarkeit: Ich habe kein Recht, von jemandem Dankbarkeit zu verlangen, aber ich bin einem anderen, der mir Gutes tut zu Dank verpflichtet. Das ist deshalb kompliziert, weil dann ja auch aus der Perspektive des anderen gilt: Er hat kein Recht, von mir Dankbarkeit zu verlangen, aber er ist mir (oder irgendjemandem) der ihm Gutes getan hat zur Dankbarkeit verpflichtet. Knoten im Hirn? Wenn jemand anderes mir gegenüber zur Dankbarkeit verpflichtet ist, dann habe ich doch auch ein Recht auf Dankbarkeit?!
Der Knoten löst sich auf, wenn man einen Dritten ins Spiel bringt, den wir hier noch gar nicht betrachtet haben und das ist schließlich ein katholischer Blog: Gott! Baut man ihn in den Satz ein, dann wird klar:
Kein Mensch kann von mir Dankbarkeit verlangen, aber ich bin durch meine Beziehung zu Gott einem anderen gegenüber zur Dankbarkeit verpflichtet. Der einzige also, der Dankbarkeit von mir verlangen kann, ist Gott selbst. Wenn man so will ist das die Spiegelung des Evangeliums. Ich selbst bin ein Sklave und kann keinen Dank erwarten, aber Gott darf Dank erwarten, vielleicht in Erweiterung des Gleichnisses dafür, dass ich ihm dienen darf, dass er bei mir ist, mir hilft, mich liebt. Ich bin dankbar für Gottes Liebe, umgekehrt hat er ein Recht auf meine Liebe und ist mir für meine Liebe nicht zum Dank verpflichtet. Ob Gott mir gegenüber dankbar ist für irgendetwas, das ich getan habe, bleibt mir verschlossen, er muss es aber nicht. Ich bin der Sklave, der seinem Herrn Dienst und Dankbarkeit schuldet.
Wem das zu unterwürfig und nach knechtender Kirche klingt, der darf das Gleichnis sicher auch um noch einen Aspekt erweitern: Ich mache mich selbst zu seinem Sklaven in dem Sinne, dass Gott mich frei geschaffen hat (wofür ich ihm ebenfalls als meinem Schöpfer Dank schulde) und ich diese Verpflichtung zur Dankbarkeit in Freiheit anerkenne. Er hat Aufträge für mich, zu deren Erfüllung ich mich in Freiheit verpflichte aber weiterhin keinen Dank dafür erwarten kann. Dankbarkeit zu erwarten wäre in diesem Sinne ein Geschäft. Das lässt sich vielleicht am Beispiel eines Geschenkes deutlich machen: wenn ich jemandem ein Geschenk mache, dann darf ich dafür nicht Dankbarkeit als Gegenleistung erwarten. Ein Geschenk aus Liebe ist ein, dass ich ganz ohne Gegenleistung schenke, auch ohne die Erwartung von Dankbarkeit. Dass der andere dankt, hat seine Ursache in seiner Beziehung zu Gott, und ist nicht eine Verpflichtung mir gegenüber.
Puh, vielleicht ist dem einen oder anderen das, was ich geschrieben habe, sowieso klar, mir allerdings ist das heute Morgen erst wieder in der Meditation aufgefallen zusammen mit einem anderen Text aus dem neuen Testament, bei dem es auch um einen Sklaven geht:
Seid untereinander so gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht: Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz.
(Philipper 2, 5-8)
Der einzige, dem wir zu Dank verpflichtet sind, der Dank von uns fordern darf, er wurde uns gleich, ein Mensch und damit ein Sklave, der Gott zu dienen hat und sich in Freiheit erniedrigte bis zum Tod am Kreuz. Wenn Jesus unser Beispiel für das Menschsein ist, dann beantwortet das vielleicht die Frage, worauf wir ein Recht haben?!