Sprichwörtlich fasst man ein unangenehmes Thema, zu dem man sich eigentlich gar nicht äußern will, sich aber doch dazu veranlasst fühlt, noch dazu, wenn man leicht missverstanden werden kann, nur mit spitzen Fingern an der Ausdruck verdeutlicht den inneren Widerstand und die Vorsicht, mit der man sich dieses Themas annehmen muss.
Was ist passiert: Zwei Studenten des Würzburger Priesterseminars wurden heute entlassen. Ihnen wurde vorgeworfen, und nach dem Bericht einer eingesetzten externen Untersuchungskommission scheint sich das zu bestätigen, dass sie, wie der Focus berichtet KZ-Witze erzählt haben und rechtsradikales Gedankengut verbreiteten. Wenn stimmt, was berichtet wird, dann haben sich die beiden Seminaristen, bei einem weiteren wird der Ausschluss noch geprüft, über ermordete jüdische Familien in den deutschen KZs lustig gemacht, Hitler parodiert und imitiert, dabei den Hitlergruß gezeigt, einer rief beim Mittagessen nach einem Neger zum Abräumen, der andere ließ sich von einem Gottesdienst befreien, um ein Konzert der Band Frei.Wild zu besuchen. Zudem, so der Bericht, zeigten die Studenten keine Einsicht und wollten die Vorfälle verharmlosen. Geprüft werde noch, ob die beiden im Keller des Priesterseminars am 20. April Hitlers Geburtstag gefeiert haben.
Um mal eins vorab zu sagen: Rassistisches Gedankengut ist mit dem Christentum nicht zu vereinbaren, noch viel weniger mit der Ausbildung zum Priester. Wer sich als Priesteramtskandidat also in entsprechender Weise bewusst äußert, der muss nicht nur mit dem Rauswurf rechnen, ihn ereilt der Rauswurf auch zu Recht. Andererseits erscheint das Konglomerat der Begründungen sagen wir mal differenzierungsfähig:
Sich über die Opfer in deutschen KZs lustig zu machen zeugt von einem Menschenbild, das mit dem christlichen Glauben nicht vereinbar ist!
Hitler zu parodieren? Da gibt es gute und weniger gute Parodien. Wer erinnert sich nicht an Walter Moers Bonker-Trickfilm-Video, in dem Hitler zum Kriegsende in einer Badewanne im Bunker sitzt und über den Weltenlauf schmollt. Hitler als einen Demagogen zu enttarnen oder seinen Irrsinn auch anhand der Sprache parodierend deutlich zu machen, kann sowohl lustig als auch nicht-rechtsextrem sein. Ihm mit der Imitation Anerkennung zu zollen, noch dazu im Zusammenhang mit den Vorwürfen der Verunglimpfung von KZ-Opfern, stellt wiederum ein Menschenbild dar, von dem sich die Kirche bereits zu Zeiten des 3. Reichs eindeutig (wenn auch von vielen bis heute nicht wahrgenommen) distanziert hat.
Nach einem Neger zum Abräumen zu rufen? Das ist geschmacklos, muss aber nicht zwingend aus einer inneren Überzeugung herrühren. Ich habe einen inneren Widerwillen dagegen, bei jedem rassistischen Witz direkt auch eine rassistische Überzeugung zu diagnostizieren. Mangelnde Erziehung, mangelnde Geschichtskenntnisse (auch bei den anderen Punkten), mögen zu so einem Verhalten viel eher beitragen als die Überzeugung von einer rassistischen Ideologie. Wie gesagt: der Spruch geht gar nicht, aber den Aussprechenden direkt als Rassisten zu verurteilen will mir auch nicht zwingend einleuchten.
Frei.Wild? Zu der Band hatte ich schon mal was hinsichtlich ihres Ausschlusses von der Echo-Verleihung geschrieben, ihnen wird in eher linken Medien ein rechtes Gedankengut nachgesagt. Ich habe zwischenzeitlich einiges von ihnen gehört und muss sagen: die haben bessere und weniger gute Musik gemacht, in eine wirklich rechtsradikale Ecke kann man sie aber auch da sie sich selbst immer wieder deutlich davon distanzieren nicht stecken. Dass ein Priesteramtskandidat sich überhaupt für ein Rockkonzert von der Heiligen Messe dispensieren lassen kann, hätte ich als Laie aber auch nicht für möglich gehalten!
Und welches Fazit kann man ziehen? Einerseits muss man wohl das Gesamtbild der hoffentlich auch nachgewiesenen Vorwürfe betrachten, sodass man schon den Eindruck eines nicht christlichen Menschenbildes erhält. Relativierung der Nazi-Verbrechen und Rassismus gehen schlechterdings nicht mit dem Priesterleben zusammen. Ich gehöre nicht zu denen, die bei entsprechenden Sachverhalten direkt nach dem Staatsanwalt rufen, ein Rechtsstaat muss sich mit neonazistischen Entwicklungen anders auseinandersetzen als mit Verboten. Die Kirche kann solche Entwicklungen in ihren Reihen aber nicht dulden, insofern erscheint der Rauswurf nachvollziehbar.
Andererseits stellt sich mir noch eine andere Frage: Bis zum Eintritt in ein Priesterseminar geht ja ein längerer Prozess der Entscheidung, von Seiten der Kirchenverantwortliche aber auch von Seiten der Kandidaten ins Land: wie kommt also ein Rassist und Neonazi (so sie denn welche sind) auf den Gedanken, in einem katholischen Priesterseminar richtig aufgehoben zu sein? So sehr sogar, dass sie ganz offen mit dem Gedankengut umgehen? Und wie ist der Prüfungsverlauf zur Eignung bis zu diesen Vorkommnissen gewesen? Man muss annehmen, dass sie an der einen oder anderen Stelle entsprechend unterwiesen, in ihrem Lebensweg gestärkt wurden. Die Wurzel für solches Gedankengut liegt nicht nur bei den Seminaristen, und auch wenn der Kommissionsbericht ausweist, dass es kein braunes Netzwerk in dem Priesterseminar gäbe, so stellt sich doch die Frage, wer die beiden auf ihrem Glaubensweg begleitet hat wohlgemerkt nicht um einen Schuldigen zu suchen, sondern um zu klären, wie ein katholisch gestarteter Weg eines jungen Menschen in einer solchen Sackgasse enden konnte.
JuergenPB
» Andererseits stellt sich mir noch eine andere Frage: Bis zum Eintritt in ein Priesterseminar geht ja ein längerer Prozess der Entscheidung, von Seiten der Kirchenverantwortliche aber auch von Seiten der Kandidaten ins Land: «
Wie lange der Prozess ist, ist wohl unterschiedlich.
Nicht jeder, der mit 19 oder aufgrund der G8-Jahrgänge demnächst mit 18 vom Gymnasium kommt und in eine Priesterseminar eintritt, ist sich wirklich im Klaren, was auf ihn zu kommt. Nicht selten gibt es einen „verklärten Blick“ auf das Priesteramt.
Nicht jeder hat in dem Alter (aber das ist wohl auch normal) die nötige Reife. Das Abitur ist weit davon entfernt ein „Reifezeugnis“ zu sein.
Eine andere Sache, geht aber komplett unter:
Da treffen sich drei Seminaristen auf einem Zimmer und erzählen sich „KZ-Witze“. Einer dieser Seminaristen geht daraufhin zum Regens und macht ihn auf diesen Mißstand aufmerksam.
Ich frage mich, ob dies (inzwischen) der normale Umgang in einem Priesterseminar ist.
Wo ist die Grenze?
Bei KZ-Witzen geht man, wie wir nun wissen, zum Regens und die Verantwortlichen finden das offenbar richtig.
Wie sieht es bei Witzen über den Papst aus?
Wie sieht es bei „seltsamen“ dogmatischen Ansichten aus?
Wie sieht es aus, wenn jemand erzählt, daß er den Zölibat nicht halten kann?
Wie sieht es aus, wenn sich jemand als homosexuell outet?
Sind das alles Fälle, in denen jeder, der im Privaten davon Kenntnis erhält, beim Regens vorstellig werden soll?
Welche Atmosphäre muß in einem Seminar, wo so etwas üblich ist, herrschen?
Führt es nicht letztlich zu einem vergifteten Klima des Mißtrauens?
Führt es nicht dazu, daß die Priester zu „Einzelkämpfern“ werden, die unfähig zur kollegialen Zusammenarbeit sind?
Etc.
Papsttreuer
Was soll ich sagen: Sie haben Recht, dieser Aspekt ist bislang untergegangen; ich war davon ausgegangen, dass die entsprechenden Handlungen eher „öffentlich“, z.B. wie in der Presse beschrieben im Keller des Seminars vorgefallen sind. Das steht aber nirgends für alle Fälle explizit beschrieben. Ein „kollegialer Hinweis“, eine „christliche Zurechtweisung“ hätte es in der von Ihnen beschriebenen Konstellation zumindest zunächst auch getan.
Danke für den Hinweis!
JuergenPB
Im Bericht von Norbert Baumann liest man
3. Ein Alumnus erzählte bei einer Gelegenheit im Zimmer eines Mitalumnen und in Anwesenheit eines weiteren Seminaristen mindestens drei »KZ-Witze« zur Unterhaltung
Der Bierkeller wird in dem Bericht ausdrücklich als nicht-öffentlichen Bierkeller des Priesterseminars bezeichnet.
Die eine Sache passierte also als drei Seminaristen auf einem Zimmer waren und bei den anderen Sachen im Bierkeller war eine nicht näher angegebene Zahl an Leuten anwesend.
Bericht → http://www.pow.bistum-wuerzburg.de/nachrichten/index.html/presseerklaerung-von-norbert-baumann-vorsitzender-der-externen-untersuchungskommission-zur-aufklaerung-der-vorwuerfe-rechtsradikaler-vorgaenge-im-priesterseminar-wuerzburg/ba128e47-d00e-406d-99ab-6011e8849911?mode=detail