Wer mich persönlich kennt, weiß, dass ich mit dem Genre Lyrik oder Gedichte eher wenig am Hut habe. Für diesen Gedichtband mache ich eine Ausnahme.
Wenn meine alten Deutschlehrer sähen, dass ich anfange, Gedichte oder einen Gedichtband zu rezensieren, würden sie sich vermutlich die Augen reiben. Lyrik war nie mein Schwerpunkt, eher im Gegenteil. Ich konnte mir schon nicht merken, welche Versmaße was bedeuten, und inhaltlich haben mich die in der Schule „durchgenommenen“ Gedichte ebensowenig gepackt. Das mag an der Auswahl der Gedichte, der Vermittlung oder meinem mangelnden Willen gelegen haben – oder einer Mischung aus alledem – jedenfalls hätte ich selbst nicht mehr damit gerechnet, noch mal einen Gedichtband zu lesen, geschweige denn darüber zu schreiben.
Das ist in mehrfacher Hinsicht bei Claudia Sperlichs „Lass mich bekennen Deine Mandelblüte“ deutlich anders. Erstens ist die Autorin katholische Bloggerin, deren Blog auf den schönen Namen „Mein Leben als Rezitatorin und Dichterin“ hört, und den ich an dieser Stelle ebenfalls gerne empfehle. Da ist man als „Kollege“ natürlich gespannt, was eine katholische Kollegin so schreibt. Zweitens ist der kleine Band von rund 120 Seiten nicht nur eine Zusammenstellung von Gedichten sondern auch ein persönliches Glaubenszeugnis und – in weiten Teilen – auch eine Art Gebetbuch. Und wer jetzt meint, das sei doch ganz schön anspruchsvoll, den kann ich in einer Hinsicht beruhigen: Ich habe das Büchlein tatsächlich an einem Abend verschlungen! Anschließend habe ich noch mal das eine oder andere nachgelesen, weil ich mir darüber im Klaren bin, dass man mit dem Lesetempo nicht jede Nuance wahrnehmen kann, aber die Lektüre hatte mich derart gepackt, dass ich nicht aufhören konnte zu lesen – dass ich das mal über einen Gedichtband sagen würde!
Besonders beeindruckend waren für mich direkt zu Beginn die Betrachtungen zum Alten Testament, in denen sich Claudia Sperlich in unterschiedliche Charaktere hineinversetzt, von denen man das nicht unbedingt vermuten würde, beispielsweise in Badseba, die Frau des Uria, der von König David umgebracht wurde, der sie zu sich nehmen wollte (vgl. 2 Samuel 11). Ihr legt sie im gleichnamigen Gedicht unter anderem die folgenden Worte in den Mund:
Ich habe Angst um jedes meiner Kinder,
um unsern klugen Ältesten zumeist,
und leide weniger als viele glauben
darunter, meinen Mann zu teilen.
Lebendiger, warum muss ich erleiden,
was Männer um mich her verschuldet haben?
Auch im Neuen Testament wird Claudia Sperlich fündig, indem sie sich Gedanken macht nicht nur über Jesus, Josef, Maria, nein, auch über die Feinde Jesu, und was in ihnen vorgegangen sein mag. In „Stammtisch in Jerusalem“ finden sich folgende Gedankengänge, die deutlich machen, wie nahe wir selbst an den Pharisäern und Schriftgeleherten sein mögen:
So viele hat er schon dazu gebracht,
Familie, Arbeit, Häuser zu verlassen.
Er geht mit Kollaborateuren Prassen,
mit leichten Mädchen trifft er sich bei Nacht.Er mault auch über unsere Tempelkassen.
Mit seiner Sippe hat er sich verkracht.
Die Plebs hat nun zum König ihn gemacht,
ja, er macht Eindruck auf die dummen Massen.Erst neulich ist er in die Stadt gezogen
auf einem Esel – es war nicht mal seiner,
hat sich bejubeln lassen von der Menge.Gesindel schob sich zu ihm durchs Gedränge.
Man liebt ihn. Er ist nicht wie unsereiner.
Denn eines stimmt – er hat noch nie gelogen.
Dieses Gedicht hat mich wie viele andere des Bandes schwer beeindruckt, in gewisser Weise einen Kloß in meinem Hals hinterlassen mit der Frage, wie ich selbst eigentlich bin.
Und so ging es weiter, von Gedicht zu Gedicht, von Zeugnis zu Zeugnis, auch zu gedichteten Gebeten, die – ich kann es nicht anders ausdrücken – einerseits sprachlich aus der Zeit gefallen zu sein scheinen, und dennoch in mir etwas anrühren, was zeitlos aktuell ist. Vertrauen und Zweifel ist ein immer wiederkehrendes Thema der Gedichte und so schreibt sie in „Vertrauen“
Jesus, wenn man mir alles nähme,
Hab und Gut und Gesundheit und den Verstand,
weiß ich doch sicher, dass mir zur Hilfe käme
Deine sanfte und starke rettende Hand.Jesus, dies sag ich an guten und frohen Tagen,
da mir das Glauben und Hoffen und Lieben gelingt.
Lass es mich glauben und hoffen und immer sagen,
auch wenn mich Angst und Not bedrückt und verschlingt.Ohne Dich wäre alles am Ende vergebens.
Du bist für alle alles, und auch für mich.
Jesus, gib, dass ich jeden Tag meines Lebens
einen Liebesbrief schreibe im Herzen an Dich.
Ich könnte noch jede Menge dieser Gedichte wiedergeben, aber diese Auswahl stellt erst mal eine persönliche Sicht dessen dar, was mich besonders angesprochen hat. Dabei kommen auch aktuelle Themen nicht zu kurz, und im Gedicht „Unkraut und Weizen“ spricht mir die Autorin mit dem Hilferuf an Gott hinsichtlich der Christenverfolgungen durch ISIS und andere aus dem Herzen, wenn sie am Ende schreibt:
Mein Gott, ich kann für dieses Pack nicht beten,
kann nicht vergeben, kann und will nicht schlichten.
Vergib mir Herr. Komm bald, die Welt zu richten.
Ich hoffe, ich habe mit meiner kleinen Zusammenstellung von Zitaten ein wenig deutlich machen können, was mich an den Gedichten von Claudia Sperlich so fasziniert. Die Texte atmen den Geist eines gläubigen Menschen, der versucht, sein Leben mit Gott zu leben, im Kleinen wie im Großen. Es sind Dialoge mit Gott, mit den Heiligen, mit sich selbst, die dieses Buch so persönlich machen, dass man Hemmungen haben könnte, der Dichterin so tief in die Seele zu schauen. Und gerade deshalb fühlt man sich bei der Lektüre ans Herz gegriffen. Ich würde es gerne so formulieren: Ich selbst schreibe in meinem Blog über andere Themen, auch mal über mich selbst – so halten es viele Blogger, sie schreiben über etwas. Claudia Sperlich schreibt von sich, und das ist offensichtlich etwas ganz anderes.
Und noch eines, ein Gedanke der mir kam, und den ich gerne mit meinen Lesern teilen möchte: Ich kann über das Glaubensleben, die Glaubenstiefe der Dichterin wenig sagen, ich kann nichts sagen über ihren christlichen Lebenslauf, ob sie ein Leben führt, dass sie in den Himmel bringen wird. Aber von einem bin ich überzeugt: Wer diese Gedichte aus tiefstem Herzen mitsprechen, mitdenken und -fühlen, auch mitbeten kann, der muss auf dem richtigen Weg zu Christus sein!
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