Ein atheistischer Blogbeitrag beim PAPSTTREUENBLOG? Beim Thema „Meinungsfreiheit“ kein Widerspruch!
Wenn einer darauf Wert legt, das Meinungsfreiheit ein hohes Gut sei, dann kommt nicht selten ein dickes „Aber“ dahinter: Bei aller gewünschten Meinungsfreiheit, aber DAS darf man doch nicht sagen?! Oder es wird darauf gepocht, dass man mit seiner Meinung Gehör findet: DAS wird man doch wohl noch mal sagen dürfen! Dabei gerät bisweilen die Abgrenzung dessen, was Meinungsfreiheit eigentlich bedeutet, in Vergessenheit.
Gerade wenn es also heute um Fragen von „Lügenpresse“ oder „Zensur“ geht, stellt sich die Frage: Widersprechen bestimmte Entwicklungen der Meinungsfreiheit oder ist es nur eine etwas … ich will mal sagen „ausgeleierte“ Vorstellung, die wir davon haben? Dieser Frage hat sich ein nach eigenem Bekunden „liberaler Atheist ohne Rücksicht auf religiöse oder politische Gefühle“ gestellt, der in seinem Blog „arprin“ regelmäßig veröffentlicht, und dessen Beiträge ich schon seit längerem verfolge (den Klarnamen habe ich leider noch nicht gefunden). Natürlich reizen mich seine Kommentare, wenn sie sich um das Thema Religion und Kirche drehen, immer auch zum Widerspruch, in Sachen politischer Liberalismus haben wir aber zumindest deutliche Überschneidungen.
In seinem hier vorgestellten Beitrag passt zwischen uns – so glaube ich – kein Blatt. Zum Thema Meinungsfreiheit stellt er vier Thesen auf, die einem selbst manches mal aufstoßen, die ich aber hinsichtlich der Frage der Meinungsfreiheit durchaus teile:
- Meinungsfreiheit heißt nicht, dass jede Meinung gehört werden muss.
- Meinungsfreiheit heißt nicht, dass keine Meinung kritisiert werden darf.
- Meinungsfreiheit heißt nicht, dass Meinungsäußerungen keine negativen Folgen haben dürfen.
- Meinungsfreiheit heißt nicht, dass die guten Meinungen gewinnen.
Das ist bisweilen in der Konsequenz starker Tobak, vor allem, wenn man zu denen gehört, deren Meinung eher selten Gehör und Verbreitung findet, intensiv gesellschaftlich kritisiert wird, man bisweilen mit negativen Folgen der Meinungsäußerung rechnen muss, und man doch angesichts der Überzeugung, eine „gute“ Meinung zu vertreten, verzweifelt, weil die nicht gewinnt.
Die vier Negativthesen begleitet arprin mit Beispielen oder Beschreibungen, die auch demjenigen, der sich oft über Einschränkungen der Meinungsfreiheit beklagt, deutlich machen sollte, warum diese Klage in den allermeisten Fällen unberechtigt ist. Deutlich wird das vor allem daran, wenn man versucht, diese Einschränkungen aufzuheben, so zum Beispiel bei der Kritik an einer Meinung. Hier schreibt der Autor:
Tatsächlich ist die Person, die sich über Kritik ärgert, eine größere Gefahr für die Meinungsfreiheit als der Kritiker. Kritik ist eine Meinungsäußerung. Ob die Kritik berechtigt oder nett formuliert ist, ist eine andere Frage, die nichts mit Meinungsfreiheit zu tun hat. Wer meint, es herrsche keine Meinungsfreiheit, wenn er kritisiert wird, plädiert im Grunde für eine Einschränkung der Meinungsfreiheit, die auf ein Verbot von Kritik hinausläuft.
Das ist wohl ein generelles Problem auch des Liberalismus mit anderen gesellschaftlichen Strömungen. An anderer Stelle hatte ich schon mal darauf hingewiesen, dass zum Beispiel der Konservatismus und der Liberalismus sehr wohl zusammen passen, wenn nicht versucht wird, dem Konservatismus mit illiberalen Mitteln zum Sieg zu verhelfen. Wer also heute eine eher sozialdemokratische Meinungsführerschaft kritisiert, sollte nicht damit rechnen, dass einem ein Liberaler mit einer Gesetzesinitiative zur Hilfe kommt.
Und da kürzlich jemand meinte, ich würde hier auf dem Blog Kommentare zensieren – auch hier gibt es zu der Frage der Konsequenzen einen passenden Hinweis:
Es ist auch keine Einschränkung der Meinungsfreiheit, wenn man in einem Internetthread zensiert wird, denn hier hat der Gastgeber das Hausrecht und setzt die Spielregeln fest. Es wäre eine ungeheuerliche Einschränkung der Meinungsfreiheit, wenn der Staat in allen Meinungsplattformen, von Zeitungen bis zum Internet, die Spielregeln festlegen und entscheiden würde, wer wo was sagen darf und wer nicht.
Warum lass ich also in meinem Link der Woche einen ausgewiesen atheistischen Blogger zu Wort kommen? Einfach weil er Recht hat! Und weil ich der Meinung bin, dass jeder auch das Recht auf eine falsche Meinung haben soll, zum Beispiel die, dass es keinen Gott gibt. Wer dabei gewinnt? Auch da habe ich meine Überzeugung, die der Autor des arprin-Blogs nicht teilen wird. Aber durch den Austausch von Meinungen kann man nur klüger werden, selbst wenn man die andere Meinung ablehnt. Daher hat die Einschränkung der Meinungsfreiheit drastische gesellschaftliche Konsequenzen, der Vorwurf sollte aber auch nicht leichtfertig erhoben werden (wobei ich nicht sicher bin, ob ich das nicht auch schon getan habe).
„Was Meinungsfreiheit wirklich bedeutet“ ist am 26.08.2016 auf dem Blog „arprin“ erschienen.