Der IS und die Anschläge von Paris und anderswo haben nichts mit dem Islam zu tun? Womit denn dann?
Einfache Erklärungen tragen nicht, dem kann ich zustimmen. Und so gibt es sicher keine einzelnen Auslöser für Terrorakte wie die von Paris und den gewaltbereiten Islamismus weltweit. Insofern misstraue ich auch den einfachen Schlüssen, die vom Islam auf den Islamismus als politische Ideologie schließen und von dort aus alle Muslime zu potenziellen Terroristen abstempeln wollen.
Trotzdem sind die grausamsten Terrorakte in den vergangenen Jahren begangen worden von Gruppen wie dem „Islamischen Staat“, Al Kaida oder Boko Haram, viele von ihnen ohne besondere Aufmerksamkeit zu erringen, oder gar – wenn es Terrorakte von Islamisten gegen Isreal sind – mit Verständnis einzelner politischer Tendenzen bedacht. Was diesen Gruppen gemeinsam ist, ist dass sie sich nicht einfach politischen Zielen verschreiben, was an sich schon schlimm genug wäre, sondern sich auf den Islam, den Koran und die unterschiedlichsten Schriftauslegungen beziehen. Als Laie tut man sich allerdings schwer mit der Interpretation des Islam, zumal ich selbst auch wenig Ambitionen habe, den Koran oder muslimische Texte zu lesen, nur um mich in bestimmten Fragestellungen bestätigen oder mich eines besseren belehren zu lassen. Ich möchte daher nur mal ein Gedankenexperiment machen:
Wenn heute ein Christ eine Bombe zündet und sich dabei – sagen wir mal – auf den Endkampf des Erzengels Michael als Argumentation stützt, an dem er sich beteiligen und das Böse aus der Welt tilgen will: Kann der sich auf die Bibel oder gar die Kirche beziehen? Nein, kann er nicht, und man käme sinnvollerweise auch nicht auf den Gedanken, eine solche Tat der Kirche oder dem christlichen Glauben anzulasten. Vollpfosten gibt es überall, davon kann sich auch die Kirche nicht freisprechen.
Wenn nun aber Tausende von „Christen“, aus christlich geprägten Gebieten der Welt loszögen, um die ehemals rein christlichen Stätten im Nahen Osten mit Gewalt zurückzuerobern; wenn sie dabei des Terrors gegen „Ungläubige“ bedienten, und eine vieltausendfache Zahl an Sympathisanten hinter sich wüssten; wenn sie die Weltherrschaft ihres Glaubens anstrebten und darum nicht nur im Nahen Osten sondern in allen Regionen der Welt Angst und Schrecken verbreiteten. Die Bibel oder die Kirche könnten sie immer noch nicht als Argument heranziehen, es fiele aber umgekehrt schwer zu behaupten, das ganze sei kein christliches Problem.
Und vor diesem Hintergrund: Hat Islamismus, hat islamistischer Terror wirklich nichts mit dem Islam zu tun? Doch, hat er: Die Terroristen beziehen sich auf den Islam, haben eine große Zahl Sympathisanten im Rücken, Geldgeber in islamischen Ländern, die Anschläge finanzieren und decken. Nebenbei: Immer noch sind 9 der 10 Staaten, in denen Christen am meisten verfolgt werden, muslimisch geprägt, die Verfolgung resultiert aus mangelnder Glaubensfreiheit, die mit dem islamischen Glauben untermauert wird. Da reicht es nicht, einzelne Suren aufzuzählen, die den Frieden verkünden; es ist vielmehr notwendig zu klären und aufzuklären, wie eine Religion sich in weiten Teilen der Welt in einer Weise entwickeln kann, dass man sie nur als menschenverachtend bezeichnen kann.
Ist also der schon sprichwörtliche muslimische Gemüsehändler um die Ecke ein potenzieller Terrorist? Ist es der muslimische Flüchtling, der vor dem Terror des IS ais Syrien geflohen ist … oder der, der vor dem Terrorregime Assads geflohen ist? Wohl kaum. Ist der Islam allein schuldig an den Terrorakten, mit dem Islamisten die Welt in Schrecken versetzen? Auch nicht. Aber der Islam hat ein Gewaltproblem, das im Wesentlichen nur durch die Muslime selbst aufzulösen sein wird. Das zu verschweigen oder in gefühlsduseliger Gutmenschenmanier zu vertuschen versuchen ist mindestens so unverantwortlich wie das unterschiedslose Vorverurteilen friedliebender Muslime.
Theodreds Schicksal
Kleiner Hinweis: Breivik wurde kurz nach der Entdeckung seines „manifestes“ als „christlicher Extremist“ verkauft. Bis heute hält sich das an der ein oder anderen Ecke.
Auch die IRA wird gerne als „christlicher Terror“ angesehen, weil ja eine konfessionelle Note in der Auseinandersetzung steckt.
Die Behauptung und Anrechnung liegt also gar nicht weit weg. Und wer Deschner gelesen hat, der kennt das „in der Bibel steht dies und das und darum ist dies und das Verbrechen ein christliches Verbrechen“.
juergen
Wenn der IS nichts mit dem Islam zu tun hat, dann hatten die Kreuzzüge auch nichts mit dem Christentum zu tun.
Michael
Die Inquisition, die Kreuzzüge, die sexuelle Ausbeutung von Kindern, die geschäftlichen Kontakte des Vatikan zur Mafia etc. etc……haben die eigentlich etwas mit dem Christentum zu tun? So gesehen: Ja siaaaaa, aber Hallo. ….man sind da Köpfe gerollt
Andreas
Nun selbst unter Christen ist es keineswegs tabu, über dem Christentum zugerechnete Untaten zu diskutieren, selbst wenn diese hunderte Jahre her sind. Niemand wird deshalb als Christenhasser oder Christuphob beschimpft. Dagegen führt die Erörterung der Verantwortlichkeit des Islam für aktuelle Untaten direkt zum Vorwurf der Islamophobie und des Rassimus, oder nicht ? Klingt „Gott will es, auf latein irgendwie schlimmer als auf arabisch? Welche christliche Entsprechung für den IS, Boko haram, al chabab und al nusra sehen Sie denn heute?
Ich denke, dass jeder der guten Willens ist, sollte augenscheinliche Unterschiede konstatieren können, oder?
Michael
Ohhhhh Zensur Muahahaha
Papsttreuer
Aber nein, solche Kommentare schalte ich immer gerne frei, vor allem, wenn man sieht, wie sinnentstellend mit dem Begriff der Zensur umgegangen wird.
Martha
Das Problem ist, dass der Islam keine offizielle Lehrmeinung hat, im Gegensatz zur katholischen Kirche. Jeder kann den Koran auslegen, wie er will. Keiner hat einen Bezugspunkt, auf den man verweisen kann, wenn etwas falsch verbreitet wird.
Im Gegenzug dazu hat die Katholische Kirche die kirchliche Lehre mit Dogma und Doktrin, sowie den Papst, und sollte Jemand Häresien verbreiten wollen, kann jeder nachschauen, ob das der Lehre der Katholischen Kirche entspricht oder nicht. Dort ist eindeutig nachzulesen, das Kindesmissbrauch eine schwere Sünde ist, sowie Vielweiberei und Morden, dass hingegen Notwehr erlaubt ist usw. Da kann sich kein Katholik bzw. Christ mit irgendwelchen Bibelversen herausreden. Und das konstant seit 2000 Jahren.
Túrin Turambar
Frischa auf,
wann immer ich lese, daß einfache Erklärungen nicht trügen, oä., dann finde ich das immer doch sehr ironisch (und streckenweise amüsant). Einfache Erklärungen sind die besten. Gemeint sind Vereinfachungen, die durchaus auch ihre Berechtigung haben können, auf daß der Sachverhalt eindrücklich dargestellt werden kann – vielmehr ist es notwendig, daß wir immer vereinfachen müssen, wenn wir über die Realität reden wollen. Es geht noch nicht einmal darum, nicht zu vereinfachen, sondern nach dem rechten Maße – wir wollen die Welt richtig darstellen und aus dieser Darstellung die richtigen Schlüsse .
Das Verurteilen einfacher und vereinfachter Erklärungen, wäre dann wohl selbst zu verurteilen, da es eine vereinfachte Erklärung, schlechter und falscher Erklärungen ist.
Das hat zum Glück keinerlei Auswirkung auf ihre Analyse.
(Vielleicht auch an Michael, weiter oben gerichtet).
Wann immer ich in Vergangheit oder kürzlich die Ereignisse um den Islam mit säkularen Freunden besprochen habe, gab es immer sehr schnell Einwände, und zwar nicht gegen meine Argumente, sondern daß ICH es bin, der diese Position bezieht – weil ich Katholisch bin.
Sie zählen die Kreuzzüge, Judenprogrome, Hexenverfolgungen und die Inquisition (ich korrigiere sie dann immer mit einer heimlichen, inneren Freude: ,,die Heilige Inquisition“), um mir sozusagen das moralische Recht zu nehmen an der Diskussion teilzunehmen. Bei all diesen gilt als Maßstab was hat die Katholische Kirche dazu gesagt und getan.
Die Heilige Inquisition ist ein vielschichtichtiges Phänomen. Zunächst einmal ist zu erwähnen, daß sie einen unglaublichen Rechtsfortschritt bedeutet. Es führt den öffentlicher Kläger (heute analog dem Staatsanwalt), hat als Hauptziel das Geständnis – sofern es Zeugenaussagen gibt, die den Aussagen des Angeklagten widersprechen. Trotz der Tatsache, daß später Folter (aber das ist kein Phänomen der kirchlichen Gerichtsbarkeit, sondern ein allgemeines) dazu gekommen ist, und die unrömische Spanische Inquisition sadistisch und unchristlich gehaust hat, ist es den zuvor vorherrschenden Gottesurteilen und Akkusationsverfahren eindeutig vorzuziehen. Es ist doch immerhin nett, wenn man wenigstens mal den Angeklagten befragt – nichts anderes heißt ,,inquirere“ =)
Mit Hexenverfolgung hatte die katholische Kirche mit der Ausnahme Bambergs sehr wenig am Hut und allgemein hatte die Inquisition kein Interesse an dieser sogar die unrühmliche Spanische Inquisition (die bitte nichts mit der Heiligen Inquisition nichts zu tun hatte und nicht mit ihr verwechselt werden darf) hat den sog. Hexenhammer als schlechtes Buch zurückgewiesen. Dieses Buch erfuhr in den Fachkreisen allgemein wenig Rezeption ist durchweg in kirchlichen stellen abgelehnt worden. Hexenverfolgung durch die Kirche ist unhistorische Erfindung und als solche belegt – vgl. mit dem ach so ,,Finsterem Mittelalter“ – eine Epoche mit mehr technischem Fortschritt und Rationalität als es die Aufklärung mMn hatte, da sie sich die Aufklärung bis heute in Romantisierung und Selbstbeweihräucherung erschöpft hat.
Während der Judenprogrome haben die Ortsbischöfe die Juden vor dem Mob geschützt.
Reconquista, Kreuzzüge und Türkenfeldzüge sind eine ganz offensichtliche Antwort auf einen militärisch expansiven Islam. Interessant ist hierbei, daß es eine religiöse Konnotation militärischer Aktion selbst bis 1074 unbekannt war (höchstens der Ausgang dessen) – einen Heiligen Krieg gab es im Christentum nicht. St. August spricht vom ,,Gerechten Krieg“, dieser ist aber nicht anstrebbar, sondern schlicht nicht vermeidbar (was nicht in jedem Fall heißt, daß man nicht als erster angreifen darf), um den Frieden wiederherzustellen und der Gerechtigkeit zu dienen. Im christlichen Kreuzzug war auch nie der Himmel als solches versprochen sondern ein vollständiger Ablass, sofern man nicht das Martyrium erlitt. Für beides gab es die Bedingung den Kreuzzug aus christlicher Gesinnung, ohne Habgier und Rachsucht zu begehen. Gleichzeitig hatte ein Kreuzzug ein zeitlich und räumlich definiertes Ziel.
Den sog. Dschihad kennen die Muslime seit der Hidschra und er wendet sich allzeit (außer den heiligen Monaten) gegen Andersgläubige. Ja auch gegen Christen und Juden. ,,Kämpft solange gegen sie bis sie kleinlaut Tribut entrichten“. Hier geht es, wenn es der Friedensreligion um Frieden geht, um den Frieden eines Friedhofes. Der Dschihad steht nicht nur im Koran (,der im Islam eine unvergleichlich höhere Stellung einnimmt, als die Bibel im Christentum), er wurde vom Mohammed selbst durchgeführt und er ist eine der primären Forderungen des Korans.
Die Entstehung eines Imperiums vom Atlantik bis nach Indiens innerhalb eines Jahrhunderts ist kaum ohne diese Konzeption des Dschihads, der schlicht ein integraler und notwendiger Teil dieses Glaubens ist, erklärbar.
Es geht hier nicht darum, irgend jemandem seinen Glauben zu erklären. Das eigentliche Problem ist, daß die Auslegung, wie der IS den Koran auslegt, auf Jahrhunderte die einzige Auslegung war (bzgl. des Umganges mit Andersgläubigen), auch wenn er in seiner Umsetzung noch über die praktischen Schritte der Vergangenheit hinausschreitet, indem er christliche Häuser markiert. Das erklärt, warum die Kämpfer des IS nicht aus der Umma verstoßen werden – sie berufen sich auf eine anerkannte Interpretation des Korans, die genau so auch im Wahabismus der Saudis wiederzufinden ist. Ich sage nicht, daß es die einzige Position innerhalb des Islams ist, auch nicht die Mehrheit; aber wenn man sagt, daß es sich um eine schwindende Minderheit handelt, die dieser Interpretation folgt (die gar nur auf die Kämpfer des IS beschränkt ist), der vereinfacht den Sachverhalt nicht – er liegt statistisch schlicht falsch.
Das macht Beteuerungen, daß der Islam die Friedensreligion sei (so bezeichnet er sich ja selbst) unglaubwürdig. Es war nie richtig: weder in der Vergangenheit noch heute – immer war der Islam im Namen des Islams militärisch expansiv, wo er konnte. Manchmal nur weniger erfolgreich.
Nun, die meisten dieses Freundeskreises wissen bereits, daß ich allgemein zu historischen Abhandlungen neige, um ihnen ihre fahrlässige Fehlinformiertheit nach zu weisen und vermeidet solche Themen inzwischen leider.
Aber selbst, wenn mir und anderen Katholiken die Verfehlungen der Heiligen Mutter Kirche vorgehalten werden sollten (und im Albigenserkreuzzug hat sie sich stellenweise tatsächlich nicht mit Ruhm und Ehre bekleckert), hebt das nicht die Notwendigkeit auf, über die Widersprüche und Gefahren des Islams zu sprechen. Wäre der IS in keinerlei oder nur wenig Hinsicht als islamisch zu bezeichnen, dann wäre die Opposition in der islamischen Welt gegen ihn eine andere – im Grunde haben sie nur eine Ablehnung mancher besonderer Gräuel.
Grüßle
Túrin Turambar