Die Immaculata, die ohne Erbsünde empfangene Jungfrau und Gottesmutter Maria, hat in Freiheit ja gesagt zum Auftrag Gottes. Das ist auch Anspruch an mich.
„Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast.“ – Was für eine Aussage! Was für eine Zusage! Und das in dem Moment, in dem Maria gerade ihre Lebensplanung über den Haufen geworfen wurde. Das Lesen des Evangeliums (Lukas 1,26-38) des heutigen „Hochfestes der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria“ kann, weil man die Stelle schon so oft gehört hat, dazu führen, die Situation gering zu schätzen.Als Katholiken glauben wir, dass Maria keine Frau wie jede andere war: Sie wurde ohne Erbsünde empfangen und ist in ihrem Leben sündenfrei geblieben. Aber davon abgesehen (ohne das gerade am heutigen Fest zu missachten), war sie eine normale junge Frau. Das Tagesevangelium beschreibt, dass sie in Nazaret lebte, nicht gerade eine Metropole der damaligen Zeit. Und sie war mit einem Mann mit dem Namen Josef verlobt – einer aus dem Stamm David, keine schlechte Familie, aber selbst Handwerker und – wie wir an anderer Stelle erfahren, ein wirklich guter und liebevoller Mann. Das Leben Marias war also zu dem Zeitpunkt ziemlich vorgezeichnet. Sie würde Josef heiraten, Kinder bekommen, ihm eine gute Ehefrau sein, den Haushalt machen während er das Geld verdient, die Kinder erziehen, sie auf das Leben vorbereiten … Kein schlechtes Leben, aber auch nicht gerade aufregend.
Maria hat sich mit ihrem Leben bereits dem Herrn verschrieben, das ist es, was wir glauben. Sie ist rein geblieben für ihn und hatte auch nicht vor, das zu ändern. Sie hat bisher ein Leben ohne Sünde geführt, vertraut darauf, dass es Gott gut mit ihr meinen wird. Sie liebt ihren zukünftigen Ehemann und wird mit Freude auf das anstehende Leben geschaut haben. Was sich heute vielleicht viele nicht vorstellen können, ist, dass sie mit dem Blick auf ihr Leben, das bis zum Tod in den groben Zügen vorgezeichnet erscheint, in bestem Sinne zufrieden gewesen ist. Ich stelle mir das so vor, dass sie einen Eindruck von ihrem Leben auch in ihrem Umfeld gesehen hat … und damit im Innersten glücklich war. Ja, so will ich mein Leben leben, nicht nur, weil ich das so anstrebe, sondern auch, weil es gut ist, so zu leben.
Und dann kommt dieser Engel daher und wirbelt ihr Leben durcheinander:
Der Engel trat bei ihr ein und sagte: Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir. Sie erschrak über die Anrede und überlegte, was dieser Gruß zu bedeuten habe. Da sagte der Engel zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden. Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären: dem sollst du den Namen Jesus geben. Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden. Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben. Er wird über das Haus Jakob in Ewigkeit herrschen, und seine Herrschaft wird kein Ende haben.
Maria sagte zu dem Engel: Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne? Der Engel antwortete ihr: Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden. Auch Elisabeth, deine Verwandte, hat noch in ihrem Alter einen Sohn empfangen; obwohl sie als unfruchtbar galt, ist sie jetzt schon im sechsten Monat. Denn für Gott ist nichts unmöglich.
Das war’s! Jetzt ein Kind? Ich glaube, das dürfen wir uns durchaus auch so vorstellen, wie es einer jungen Frau heute ergehen könnte, die ungeplant schwanger wird. Ein Kind, jetzt? Das war nicht der Plan – und lag auch eigentlich nicht im Bereich des menschlich Möglichen. Und was würde Josef dazu sagen, der sich doch auf ihre Reinheit verlassen hat? Würde er sie verlassen, sie mit dem Kind, das nicht seines ist, alleine lassen? Und davon mal abgesehen: Was für eine Art Kind soll das sein? „Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben. Er wird über das Haus Jakob in Ewigkeit herrschen, und seine Herrschaft wird kein Ende haben.“ Sehen wir der Realität ins Auge: Maria wird eine Vorstellung von Gott gehabt haben, aber sie war nicht unserer bequemen Situation, das Leben ihres Sohnes schon aufgeschrieben vor sich zu sehen. Sie hatte keinen Schimmer, was das wirklich bedeuten würde!
Und so offenbart ihre Rückfrage auch nicht Zweifel daran, ob das alles so gehen wird, sondern nur hinsichtlich des „Wie?“. Gott kann alles, das weiß sie auch ohne, dass ihr Gabriel das sagt, aber … warum sollte er das tun, wie wird er das tun … und auch wenn die Frage da nicht steht, ich habe keinen Zweifel, dass in ihrem demütigen Kopf der Gedanke „Warum ich?“ umherging. Nicht als Vorwurf („Warum tut er mir das an?“) sondern im Bewusstsein dessen, dass da etwas Großes im Gange ist: Wieso hat mich der Herr dafür erwählt? Wie soll das geschehen?
Also noch mal in Kürze: Maria war eine glückliche und gottesfürchtige junge Frau, zufrieden mit ihrem Leben, das sie mit ihrem Verlobten verbringen wird. Dann kommt ein Engel und offenbart ihr, dass sie ein Kind vom Heiligen Geist empfangen wird. Als Erklärung liefert dieser Engel nur, dass für Gott nichts unmöglich ist. Fertig! Und was macht Maria?
„Da sagte Maria: Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast. Danach verließ sie der Engel.“ Das für mich bemerkenswerte daran: Der Engel hat eigentlich nicht gefragt, er hat nur mitgeteilt. Maria ist aber bewusst, dass Gott uns zu nichts zwingt. Er zwingt nicht seinen Willen auf, er ordnet uns keine Verantwortung zu, die wir nicht tragen können, Gott fragt implizit immer: Willst du das für mich tun? Vertraust du mir? Und auf diese beiden Fragen gibt Maria mit ihren Worten eine Antwort: Ich werde das für dich tun. Ich vertraue dir. Und: Sie hätte auch anders antworten können! Das ist ein bisschen theoretisch, eben weil Maria Gott liebte. Ihre prompte Reaktion macht deutlich, dass ein „Nein“ für sie gar keine Option dargestellt hat. Das ist nicht anders, als wenn wir gebeten werden, für die Familie etwas zu tun, was wir nicht tun müssten: Wir können „nein“ sagen, wissen aber, dass das nicht gut wäre. Wir sind frei in der Antwort, schließen aber in der Freiheit bestimmte Optionen aus.
Maria war schon immer eine Magd des Herrn, sie bestätigt diese Rolle dem Engel gegenüber noch einmal. Sie hätte auch sagen können „Nun ist es aber genug, diese Aufgabe ist zu groß“, aber dann hätte sie ihrem eigenen Verständnis nach die Rolle der Magd des Herrn nicht mehr erfüllt. Also sagt sie in Freiheit und mit dem Bewusstsein, wem sie antwortet ihr „Ja“. Spätestens hier sehen wir auch das große Vorbild, das Maria uns gegenüber abgibt: Wäre ich auch so? Wie reagiere ich, wenn Gott mich um einen Dienst bittet? Bin ich überhaupt aufmerksam gegenüber den Wünschen Gottes? Weiß ich, was Gott von mir möchte?
Gerade heute startet das Heilige Jahr der Barmherzigkeit – und die Bulle des Papstes, in der er die Hintergründe erläutert, macht deutlich, wie hoch auch der Anspruch an uns, an mich selbst, ist. „Barmherzig wie der Vater“ sollte ich sein, und bin mir doch bewusst, es nicht zu schaffen. Bleibe ich aber dabei stehen: „Tut mir leid, der Anspruch war zu groß.“? Oder sehe ich mich als Knecht des Herrn, der nicht etwas Unmögliches von mir erwartet, sondern mich nur bittet, in die Nachfolge, für die ich mich eigentlich schon entschieden habe, wirklich einzutreten? Kann ich Gott in Freiheit folgen? In Freiheit und im Bewusstsein, wer mich da bittet? Es wird gut sein, im Jahr der Barmherzigkeit auch auf das Beispiel Marias zu schauen, und immer dann, wenn ich meine, jetzt sei es aber auch gut mit der Barmherzigkeit, so viel könnte ich nicht mehr leisten, zu sprechen wie sie „Ich bin die Magd des Herrn – Ich bin der Knecht des Herrn“.
akinom
Als Co-Referat möchte ich einfach mit den Lesern dieser Zeilen das Geheimnis des freudenreichen Rosenkranzes betrachten:
“ …den Du, o Jungfrau, vom Heiligen Geist empfangen hast“.
In diesem Geheimnis betrachten wir die Verkündigung des Engels Gabriel und den Beginn jener Schwangerschaft, die es in der Geschichte der Menschheit nur einmal gegeben hat und nie wieder geben wird.
Rufen wir uns das Lukas-Evangelium in Erinnerung. Die Worte des Engels sind überwältigend. Sie sind unfassbar, nicht nur für die sehr junge unverheiratete Frau Maria. Maria reagiert nicht – salopp ausgedrückt – wie eine sogenannte „Unschuld vom Lande“: „Ich verstehe das doch alles nicht. Ich bin zu dumm dazu. Aber macht mal. Ihr werdet es schon wissen. Ich bin die Magd des Herrn.“
Maria lässt sich auch nicht überrumpeln. Sie weiß sich nach jüdischem Gesetz durch eine Schwangerschaft in ihrer Situation vom Tod durch Steinigung bedroht. Sie bringt die Kraft auf, den Engel zur Rede zu stellen und Auskunft zu verlangen: „Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?“ (Josef wurde das nicht zugemutet. Er erfuhr im Traum von seiner Pflege-Vaterschaft.)
„Der Engel antwortet ihr: ‚Der Heilige Geist wird über Dich kommen und die Kraft des Höchsten wird Dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Gottes Sohn genannt werden…’“ Erst aufgrund dieser Auskunft, nicht in blindem Gehorsam, spricht Maria ihr „Fiat – ich will dienen!“ – uns allen zu unermesslichem Heil.
„Danach verließ sie der Engel.“… Auch er ist nicht Zeuge der alle Vorstellungskraft übersteigenden intimsten Vereinigung Marias in der „Kraft des Höchsten“. Auch er war nicht Zeuge der embryonalen Menschwerdung des Gottessohnes in ihrem Leib…
Wir können nur ahnen, was für Wonnen Maria da erlebt hat, Wonnen, die ganz sicher alles andere als leibfeindlich gewesen sind. Wer könnte aber bei der Betrachtung dieses überaus „freudenreichen“ Ereignisses nicht verstehen und nachvollziehen, dass die Gottesmutter danach nie mehr anders konnte, als auf Erden fortan das zu leben, was wir ein wenig abfällig „Josefsehe“ nennen…
Nun möchte ich mit den Lesern zur „Hintergrundmusik der 1o Ave“ „die Seele baumeln“ und die Gedanken spielen lassen um das überwältigende Geheimnis dieses Gesätzes (= Glaubenssatz). Wir können dabei auch unsere Ehe und/oder Familie mit den Augen Marias betrachten und stückweise erkennen, was uns an der ganzen Fülle unserer Berufung noch fehlt….
Konrad Kugler
Ich habe einen Verdacht:
Auch Maria, die (nagelneue) paradiesische Eva, ohne Erbschuld empfangen, wurde, wie Abraham, nicht ohne Prüfung in das Göttliche Heilswerk eingebunden. Wenn man, wie Privatoffenbarungen vermuten lassen, davon ausgeht, daß Maria ehelos und jungfräulich leben wollte, dann ist die Ergänzung ihrer Erwiderung um das Wort „will“ nicht weit hergeholt.
„Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne[n will]“
Die Antwort Gabriels ist klar und eindeutig. Darauf kommt die Zustimmung Mariens. Sie war sich der Konsequenzen bewußt.
Papsttreuer
Lieber Herr Kugler, bei Privatoffenbarungen tue ich mich ehrlich gesagt schwer und halte mich insofern einfach an die gängigen Bibelübersetzungen, in der Hoffnung, dass sie mich nicht völlig in die Irre führt. Und die Prüfung mag auch darin bestanden haben, ihr Leben, selbst geplant, aufzugeben durch den Plan Gottes. Den meisten würde das als Herausforderung schon reichen, oder?
Gottes Segen für Sie!
Konrad Kugler
Trotz ihrer 12, 13, oder 14 Jahre.