3 Comments

  1. Andreas

    Ich kann da in weiten Teilen mitgehen, als hehre Anforderung an den Sollzustand an die Demokratie.
    Leider ist die Lage aus meiner Sicht aber deutlich unschöner.

    In dieser Woche war erstmals in der Welt zu lesen, dass der Verdacht besteht, dass Brandanschläge und Gewaltaktionen gegen u. a. die AFD von extremistischen Gruppen begangen werden, die finanzielle Zuwendungen aus dem Bundesfamilienministerium erhalten.

    Wenn davon auch nur ein Hauch wahr ist, haben wir wahrlich größere Probleme, als uns über Populismus sorgen zu machen.

    Vielleicht hat ja noch jemand Lust, dass Bundesfamlienministerium um Stellungnahme zu bitten?

  2. Konrad Kugler

    Ou, verreck! [Das ist ein Ausdruck großer Überraschung, keineswegs soll irgend einer das tun] Do langt net: „Nix g´sagt ist g´lobt gnua!“

    Jetzt wünsche ich mir nur noch diesen Text etwas gestrafft, also handlich gemacht, daß er für den täglichen Diskurs einsetzbar ist.

    Ich habe eher die Fähigkeit, Schlagwörter zu bilden. In diesem Fall: „Alle Populisten machen erfolgreichere Populisten schlecht.“

    Vielen Dank für konsequentes Denken.

  3. Siegfried Simperl

    Diffuse Wut gewinnt überall in Deutschland an Zugkraft. Der wütende, spontane Protest – auch als Episode – ist zum prägenden Muster für einen Gefühlscocktail aus Entfremdung, Ausgrenzung und (Zukunfts-) Angst geworden. Nicht-gehört-werden, das Gefühl der Ohnmacht und Politikverweigerung breiten sich aus. Der Begriff der „Entheimatung“, der kulturelle und ökonomische Prozesse vereint, trifft das Phänomen recht gut.

    Angetrieben wird das Wutbürgertum durch das diffuse Gefühl, in einer komplexen, globalisierten Wirtschaftswelt 4.0 n i c h t mehr mitzukommen, entwurzelt zu werden. 15 % der Bevölkerung (vgl. Armin Schäfer, Uni Osnabrück) sind bereits ausgekoppelt; ein beachtlicher weiterer Teil fürchtet sozialen Abstieg und hat den Eindruck, dass seine (bedrohte) Lebenslage die etablierte Politik nicht interessiert. Bei dieser Gruppe verstärkt sich der Eindruck, dass ihre drohende Abkopplung von Arbeit, Status, eigenem Einkommen etc. unaufhaltsam ist.

    Weil sich aus Sicht der Bürger nichts oder zu wenig in ihrem Sinne ändert und sie ihre (oft bescheidenen) „Besitzstände“ bedroht sehen, wächst die Bereitschaft zur Empörung. Weil die großen Fragen scheinbar unlösbar – oder an unerreichbare Institutionen ausgelagert wurden, wächst die Bedeutung der „kleinen Fragen“ im Nahbereich der Menschen. Nach dem Motto: „Wenn schon Steuern und Abgaben steigen, dann will ich wenigstens Belastungen im Nahbereich (z.B. Flüchtlingsunterkünfte in der Nachbarschaft etc.) unterbinden. Das Nimbi-Prinzip breitet sich aus: not in my neighbourhood!

    Das Treibmittel der empörten Bürger ist die Angst vor der Angst. Die Angst vor dem Abstieg, die Angst vor Entwurzelung und Verlust. Die Angst in künftigen Verteilungskonflikten Verlierer zu sein.

    Wutbürger setzen eher auf Emotion und Unbedingtheit statt auf rationalen Diskurs und geduldiges Argumentieren. Max Frischs Kernsatz „Überzeugt Sie Ihre Selbstkritik?“ findet hier keine Resonanz. Erreichen sie eine gewisse kritische Masse, berichten die Medien und verstärken damit Aufmerksamkeit. Viele Wutbürger haben erkannt, dass diese harte Linie, incl. der kalkulierten Verweigerung gegenüber den Medien, mehr Resonanz bringt als die geduldige Arbeit von Bürgerinitiativen. Diese Methode ist bequemer und entspricht einem verbreiteten Zeitgeist. Da die Erwartung an Lösungen in i h r e m Sinne ohnehin gering sind, setzen sie zunächst einmal alles auf eine Karte, geben sich rücksichtslos und kultivieren damit ihre oft (diffuse) Verdrossenheit.

    Es ist die Aufgabe der etablierten Parteien auf Einwände und Proteste aus der Bevölkerung einzugehen und diese nicht totzuschweigen oder mit sturer Ignoranz wegzusehen. Dafür sind Parteien nun einmal da. Wenn aber plötzlich 16% der Wähler einfach unter “sonstige” versteckt werden obwohl sie zweitstärkste Partei sind, dann müssen sich die etablierten Parteien nicht wundern, wenn Populisten immer mehr Zulauf erhalten. Der Zulauf nährt sich nämlich aus der Erfahrung ignoriert, abgewiesen und systematisch ausgegrenzt zu werden. Und aus der Wut darüber.

    Ignoranz, Abweisung und Ausgrenzung sind Methoden die im Zusammenhang mit Zuwanderung immer wieder als fremdenfeindlich oder gar rassistisch angeprangert werden. Gleichzeitig wird in diesem Zusammenhang mit den gleichen Methoden gegen Einwände und Proteste aus der Bevölkerung gearbeitet. Das kann doch nicht gut gehen!

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