Vorweihnachtliches Kinderliedgut im Advent ist oft kitschig und theologisch wenig anspruchsvoll. Aber hüten wir uns, es mitleidig zu belächeln.
Wer zu einem „offenen Adventssingen“ in der heimatlichen Kirchengemeinde geht, hat meistens einen Grund, und der sind die eigenen Kinder, die in einem der Chöre mitsingen. Es gibt auch sicher noch ein paar ältere Herrschaften, die sich einfach an adventlicher Musik erfreuen, aber alles in allem wäre mir ein solches „Konzert“, wenn ich keinen Sohn hätte, der im Kinderchor singt, einfach zu trubelig. Gedacht ist es zwar als musikalische Auszeit aus dem „Vorweihnachtsstress“, aber zumindest für die beteiligten Kinder ist es das nicht und für die meisten Eltern wohl auch nicht.
Auf dem Weg nach Bethlehem
Und trotzdem kann einen bei so einem Konzert etwas „anhauchen“, auf das man vielleicht vorher nicht gekommen ist, und das – so in meinem Beispiel – auch bei Liedern, die jetzt sicher nicht zur kirchlichen Hochkultur gehören (wobei ich nicht weiß, aus welcher Feder es stammt, mir war es jedenfalls bisher unbekannt). Der Titel des Liedes heißt: „Auf dem Weg nach Bethlehem“. Eigentlich, wenn man davon absieht, dass es natürlich ein Weihnachtslied ist und es dabei nie so ganz belanglos sein kann … ist es der Text doch. Es wird berichtet, dass man „mit frohem Herzen“ nach Bethlehem zieht, die Herzen noch froher werden, denn im Licht des Sternes sieht man auch den anderen. Soweit so … kitschig ist das richtige Wort?
Der Refrain geht dann so:
Stern geh auf! Es ist Zeit! / Friede werde weit und breit, / Weihnachten ist nun da. / Stern geh auf! Es ist Zeit! / Friede werde weltenweit. / Weihnachten ist nun da.
Zynismus
Ich weiß schon, in einem weihnachtlichen Hochamt würde ich so ein Lied lieber nicht singen müssen, aber trotzdem kamen mir dabei ein paar Gedanken, die mich nicht loslassen: „Friede werde weit und breit – Friede werde weltenweit“? Na klar, wer Weihnachten lieber nicht so gerne an Jesus denkt, für den ist das einfach das Fest des Friedens. Das greift zu kurz, gar keine Frage, und trotzdem sehen wir doch Jesus als den „Friedensfürst“. Man darf auch darauf hinweisen, dass es bei diesem Frieden nicht um einen Frieden geht, den die Welt gibt, dass echter Friede erst im Paradies sein wird. Die weltlichen Bemühungen um Frieden (und Gerechtigkeit – immer in einem Atemzug, als sei das ein Synonym … was ein Thema für einen eigenen Beitrag wäre) enden dagegen meistens in Katastrophen, was viel über uns Menschen aussagt. Da kann sich dann – auch unter Christen, auch bei mir – ein Zynismus ausbreiten, der den im Lied zum Ausdruck gebrachten kindlichen Wunsch nach Frieden als … ja, eben als kitschig abqualifiziert.
Ist das aber gesund? Ist es eigentlich in Ordnung, wenn der leicht naive Wunsch, dass es auf Erden doch endlich Frieden sein möge, mit verdrehten Augen kommentiert wird? Unsere Kinder kennen Krieg und Terror höchstens aus den Nachrichten, wir versuchen, sie schonend an das Thema ran zu bringen. „Unfrieden“ hat für sie eher was damit zu tun, wenn ihnen jemand ein Spielzeug wegnimmt, was vielleicht einen Hinweis auf einen tieferen Grund geben mag, warum es Unfrieden in internationalem Ausmaß gibt. Dass und warum sich Menschen tatsächlich umbringen … ich glaube, das ist – zum Glück – noch nicht in ihre Seelen eingedrungen.
Ich will mich nicht abfinden
Wir leben in Westeuropa bislang auf einer „Insel der Seligen“, und ich hoffe und bete, dass das im Blick auf kriegerische Auseinandersetzungen auch so bleiben möge. Die Vorstellung, dass mein Sohn mal in einem Kriegsgebiet leben, meine Tochter in Trümmern nach etwas zu Essen suchen müsste, würde mir Alpträume bereiten. Dabei wissen wir alle und weiß auch ich, dass der Frieden, den wir hier genießen, nie als selbstverständlich, als bereits gewonnen und nie wieder verlierbar, angesehen werden kann. Ob es ausländische Konflikte sind, die auf unser Land übergreifen mögen, ob es irgendwann mal aufgrund innenpolitischer Auseinandersetzungen doch noch zu organisierter, das heißt über den immer alltäglicher werdenden islamistischen Terror hinaus, bewaffneter Gewalt kommen wird – wer mag das schon für die nächsten, sagen wir mal, 10 Jahre vorauszusehen? Ich wäre mir da jedenfalls nicht sicher.
„Friede werde weit und breit … Friede werde weltenweit“ Ich erwische mich dabei, einen solchen Text zu belächeln, ich ertappe mich bei eben jenem Zynismus, der einem Christen nicht gut zu Gesicht steht. Aber, vielleicht liegt es am beginnenden Advent, an der heimeligen Stimmung, an den leuchtenden Augen unserer Kinder bei der Gartenillumination, bei der wir Gefahr laufen, dass sich ein Flugzeug vom nächstgelegenen Flughafen verirrt, vielleicht liegt es daran, dass in solchen Liedern und vielen anderen Advents- und Weihnachtsliedern immer wieder vom Frieden die Rede ist: Ich will so nicht denken! Ich will mich nicht damit abfinden, dass es irgendwo auf der Welt Eltern gibt, die darüber weinen, dass ihre Söhne Soldaten werden müssen und ihre Töchter ihre Familien nicht ernähren können.
Kinder, die nicht wissen, was Frieden sein könnte
Überall auf der Welt gibt es Kinder, die Frieden – so wie wir ihn in Westeuropa seit 70 Jahren weitgehend haben – gar nicht kennen; es gibt Kinder, die, so wie unsere mit dem Begriff „Krieg“ nicht allzu viel anzufangen wissen, keine Vorstellung davon haben, wie ihr Leben im Frieden aussähe. Das, ich schäme mich nicht, das zuzugeben, treibt mir bei einem offenen Adventssingen über den Wunsch nach Frieden die Tränen in die Augen. Dieser Gedanke lässt meine Stimme stocken, wenn ein anderes Lied angestimmt wird wie „Das Licht einer Kerze ist im Advent erwacht. Eine kleine Kerze leuchtet durch die Nacht. Refr.: ||: Alle Menschen warten, hier und überall, warten voller Hoffnung auf das Kind im Stall. :||
Kitschig? Weltfremd) Naiv? Bitte sehr, aber dann bin ich lieber naiv als zynisch. Ich kenne alle Argumente, die gegen meine oben geschilderte Sicht sprechen, viele von ihnen würde ich in anderem, rein politischem Zusammenhang, selbst benutzen. Aber als Christ kann ich mich nicht damit abfinden, dass es in der Welt Unfrieden gibt. Ich weiß, wie wenig ein einzelner, wie wenig ganze Völkergemeinschaften bei bestem Willen ausrichten können. Aber das Bilder von kriegerischen Auseinandersetzungen überall in der Welt uns kaltlassen, da sei das Kind in der Krippe davor!
Und wenn uns nichts mehr einfällt, was wir zum Frieden beitragen können, dann haben wir als Christen immer noch das Gebet – und wie sollte das inhaltlich deutlich anders aussehen, als die „kitschigen“ Kinderadventslieder?
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Bild: Felix Honekamp
Gero
Nein.
Der Wunsch ist nicht naiv.
Er ist normal und menschlich.
So wie der Wunsch nach Entspannung, nach Sattheit und nach Durstlosigkeit.
Das streben wir alle an. Dafür gehen wir in die Schule, dafür gehen wir arbeiten.
Manchmal bis zur Perversion, wo das ganze Jahre über bis zur Erschöpfung geleistet wird, um sich wenige Tage Entspannung in Übersee zu leisten.
Nur:
„Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not“ wußten schon die Alten.
Für die Generation „Geldautomat“ und auch „Hartz vier“, wo irgendwie immer alles auf nicht mehr nachdenkenswürdige Weise einfach dazusein scheint, kaum noch vorstellbar.
Minister, die davon faseln, Steuern würden „sprudeln“, statt darauf hinzuweisen, daß hinter jedem eingenommenen Euro ein krummer Rücken steckt.
Der sorglose Umgang staatlicherseits oder auch familiär mit Kapital, das eigentlich unsere Großeltern erwirtschaftet haben, das wir nur mit Mühe halten können und welches unsere Kinder arglos verprassen werden (und sei es nur durch Duldung der Verschwendung durch die Politik) ist nur ein Beispiel eines, wenn auch wesentlichen Wertes unserer Republik.
Freiheit und Frieden gehören ebenso dazu.
Die gab es nicht umsonst. Und auch nicht erst seit 1945.
Auch schon vorher wurde darum gerungen. Sehr oft, eigentlich sogar immer, sogar blutig.
Vielen Menschen, also auch den älteren Nachkriegsgeborenen, ist es fremd, für die vermeindliche Selbstverständlichkeit, unbehelligt nachts von der Bushaltestelle nach Hause gehen zu können, so etwas wie einen „Wert“ zu sehen.
Dabei übersehen sie, daß gerade diese Art zu leben einhergeht mit einer unfassbaren wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung.
Der Bürger übergab seine diesbezüglichen Sorgen samt eines geringen Obulus an den Staat, brauchte sich fürderhin um seine Sicherheit nicht zu sorgen und konnte sich um andere Sachen kümmern.
Das ist nun vorbei.
Die Höhe der steigenden Steuern stehen in keinem Verhältnis mehr zu der Sicherheit, die dieser Staat dem Bürger noch bieten kann.
Nicht nur die sozialen Systeme, auch die öffentliche Sicherheit ist vielerorts schon zusammengebrochen und wird nur durch übermenschlichen Einsatz einer durch vermehrte Kapitulation schwindenden Truppe aufrecht erhalten.
Seien es Einrichtungen wie „die Tafel“, die Rettungsdienste oder auch der normale Polizeibeamte, der, selbst auch nur Mensch und Familienvater, von einer menschenverachtenden Politik in die innere Kündigung getrieben wird…..überall läuft unsere Heimat im Grenzbereich.
Was ich damit sagen will?
Das wir uns mit dem Gedanken anfreunden müssen, für drei Tage Weihnachtsfest in Frieden künftig 362 Tage Krieg zu führen.
Wir werden uns wieder jeden Quadratzentimeter Freiraum erkämpfen müssen, weil wir ihn in der Vergangenheit nicht ausreichend gewürdigt und Machtkonstellationen wie die jetzige ohne Aufruhr bis zum Exitus unseres Staates geduldet haben.
Das wird der Preis sein.
Und erst dann werden wir erfahren, was wir an unserem Land, das in der und vielen anderen Beziehungen soviel anders war als die anderen auf der Welt, verloren haben.
Dr. Werner Wenzel
So ist es, dem ist gar nichts hinzuzufügen.
Anton Vogel
Danke für diesen sehr guten Beitrag ! Unsee Kinder singen schon viele Jahre in unserer Kurrende und gestalten das alljährliche Krippenspiel mit. Der Wunsch nach Frieden ist immer präsent. Aus welchem Grund auch immer….Man mag es naiv nennen. Aber das ist es nicht. Gerade zur Weihnachtszeit, der Geburststunde von Jesus Christus, ist der Wunsch nach Frieden , Äußerem wie vor allem wohl auch Innerem, ist dieser Wunsch wohl begrüdet. Nur in Frieden kann der Mensch, kann sein Glaube gedeihen !