Ist ein demokratischer Prozess in der Kirche nicht gut? Und ist es nicht gut, dass Kinder für ihre Zukunft gegen die Schulpflicht verstoßen? Nein, nicht so!
Vielleicht ist es ja auch gar nicht so schlecht, ein bisschen weniger zu bloggen, gerade jetzt in der Fastenzeit. In den vergangenen Jahren hatte ich schon mal ein Blogfasten oder – zumindest – ein Polit-Blogfasten ausgerufen. Das war aber damals mit dem Ziel verbunden, mich nicht in die Versuchung des Klick-baiting zu bringen (auf welch niedrigem Niveau auch immer) oder meine Nerven zu schonen, wenn ich mich ansonsten in Rage geschrieben hätte. Wenn ich nun in diesen Wochen keine Zeit finde, hat das aber nichts mit einem solchen Fasten zu tun. Also warum nicht schreiben?
Synoden und Fridays for future
Und die Themen liegen in der Tat auf der Straße, sodass ich mich erstmal sortieren musste, bis mir ein Licht aufging für einen Beitrag, der zwei Themen, die nur scheinbar nichts miteinander zu tun haben, doch auf einen Nenner zu bringen: Einerseits die Entscheidung der deutschen Bischofskonferenz (DBK), die Glaubens- und Morallehre zukünftig einem „synodalen“ Prozess zu unterwerfen, andererseits die politischen Reaktionen und die geistigen Hintergründe bei Aktionen wie „Fridays for future“. Da gibt es nämlich einen Zusammenhang, und der sollte uns – Katholiken genauso wie Freiheitsfreunde, wer beides in sich vereint sowieso – nervös machen.
In wenigen Dingen ist die Bibel so klar wie in der Sexual- und Ehelehre, in wenigen Dingen war die Kirche in den Jahrhunderten so klar wie in eben jenem und in der Frage der Konsequenzen des Bruchs moralischer Imperative. Entgegen moderner Meinungen geschah dies nicht – jedenfalls nicht in erster Linie – um die Gläubigen zu unterdrücken, sondern um sie zu schützen. Ein schuldhaft unausgebildetes Gewissen führt nämlich ziemlich zielstrebig in die Hölle, desgleichen das Versagen bzw. die Weigerung der mit der Lehre und Verkündigung Beauftragten, Bischöfe und Priester vorneweg, diese Lehre den Menschen zu vermitteln. „Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!“ (1. Korinther 9,16b), wusste schon Paulus und müssen auch wir wissen.
Demokratisierung der Moral
Und katholisch zu sein bedeutet insofern auch, an der kirchlichen Lehre nicht einfach vorbei zu kommen, nur weil man sie nicht kennt oder sie nicht zu erkennen bereit ist, oder sie gar – in Kenntnis der Lehre – einfach so mit dem Hinweis auf das eigene Gewissen, verwirft. Wenn ich also der Meinung sein sollte, dass Ehebruch dann doch nicht soooo schlimm ist, dann kann ich damit vielleicht in Talkshows Punkte machen, vor meinem Schöpfer werde ich dabei aber nicht bestehen. Und auch wenn es aufgrund der mannigfaltigen Versuchungen der Welt und deren fehlendem Verständnis für die Existenz und die Unabänderbarkeit von Wahrheit, schwer sein sollte, sich an die Zehn Gebote zu halten, auch wenn man immer und immer wieder vor Gott schuldig wird, heißt das natürlich nicht, dass die Lehre an sich falsch, unwahr wäre.
Ein synodaler Prozess ist nun nicht gleichzusetzen mit Demokratie: Bischofssynoden sind ein Beratungsgremium der Kirche, das Empfehlungen aussprechen kann, denen aber am Ende beispielsweise der Papst nicht folgen muss. Das wird heute komplizierter: In Prä-Internet-Zeiten haben die meisten von irgendwelchen Synoden kaum etwas mitbekommen. Heute erscheint den meisten – wahrheits- und moralentwöhnten – Menschen, ein Synodenbeschluss als etwas, dem die Institution Kirche aus demokratischen Erwägungen zu folgen hätte, und sie sich demnach außerhalb der Wahrheit befände, wenn sie der entschiedenen Unwahrheit nicht folgte: Wahrheit ist Lüge, so schnell kann das gehen.
Marx gegen den Rest der Kirche
Das weiß natürlich auch die DBK, das weiß auch Kardinal Marx, wenn er beschließen lässt, die Morallehre der Kirche – Sexualmoral, Ehelehre, Sakramentenlehre, Priesterverständnis etc. – in einem synodalen Prozess der Lebenswirklichkeit der Menschen gegenüberzustellen gedenkt. Das weiß Marx ganz besonders, wenn er in erster Linie das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) zu diesem Prozess einlädt, einer nicht-repräsentativen Lobbyorganisation, die Kirchensteuermittel in dem Versuch verschleudert, die Kirche möglichst zeitgeistkonform zu gestalten. Und das weiß Marx auch, wenn er andeutet, dass man nicht auf Rom warten müsse, sondern selbst mutig voranschreiten dürfe, der dumme und antimoderne Rest der Weltkirche werde dann schon folgen, da müsse man Verständnis haben.
Was Kardinal Marx und die Mehrheit seiner Bischofskollegen hier also treibt, ist die Instrumentalisierung der Demokratiegläubigkeit der Menschen zur Umsetzung seiner eigenen Ziele. Man darf, man muss befürchten, dass ihm das gelingen wird. Wie immer rechtgläubige Katholiken darauf reagieren werden, ob mit Kirchenaustritt, mit demonstrativer Verachtung und Missachtung der „neuen Lehre“, die diese verwirrten Geister verkünden wollen oder in einem aufreibenden Kampf gegen die Windmühlen des Zeitgeistes, die Marx mit dicken Backen in weitere Drehungen pustet: Die katholische Kirche in Deutschland (als Institution, nicht als mystischer Leib Christi) wird anschließend nicht mehr die gleiche sein. Und das alles mit demokratischem Segen.
Gegen die Schulpflicht? Langsam!
Und was hat das mit Greta Thunberg und Fridays for Future zu tun? Und ist das nicht eine Graswurzelbwegung, die einem libertären Schulpflichtverächter gefallen müsste, auch wenn er deren unmittelbaren Ziele nicht teilen mag? Langsam: Erstens stellt sich immer mehr heraus, dass Fridays for Future mit einer von Kindern organisierten Graswurzelbewegung in etwa so viel zu tun hat wie das ZdK mit der Katholikenbasis. Was aber noch schlimmer ist, ist, dass das Ziel der Demonstrationen sich gar nicht gegen irgendwelche Mächtigen im Lande richtet, sondern die bereits eingeschlagene politische Richtung – Antikapitalismus und Deindustrialisierung des Westens – im Gegenteil unterstützt. Es wäre ja ein Leichtes für die Teilnehmer der Demonstrationen auf Pkws zu verzichten statt Innenstädte nach den Demos vollgemüllt zu hinterlassen. Es wäre ein Leichtes, Energie zu sparen und dafür Werbung – Missionierung im Sinne der Bewahrung der Schöpfung – zu betreiben.
Hier wird aber Regierungshandeln gefordert, und das bedeutet, dass anderen Menschen etwas verboten werden soll – Auto fahren, fliegen, heizen, unternehmerisches Handeln, was die Mehrheit der im Bundestag vertretenen Parteien in unterschiedlichen Ausprägungen sowieso schon ein Dorn im Auge ist. Man erinnere sich an die vollständig faktenresistente Argumentation zur Energiewende (Stichwort: „Atomkatastrophe“ in Fukushima), die uns die nächsten Jahrzehnte noch beschäftigen und dafür sorgen wird, dass wir so schnell gar nicht unabhängig werden können von Kohlestrom, selbst wenn letzteres Konsens wäre.
Kinder nicht infantilisieren? Was denn sonst?
Mit Hilfe von Greta Thunberg und den demonstrierenden Kindern erweckt man also den Anschein eines demokratischen Konsenses. Und wenn der nicht in der Gesamtbevölkerung zu erreichen ist, helfen traurige Kinderaugen: Die Zukunft der Kinder wird angeblich verspielt, warum sollen da alte weiße Männer ein Wort mitreden dürfen? Jeder Diktator auf der Welt weiß, wie man mit Kinderemotionen Pluspunkte sammeln kann, weshalb Anton Hofreiter im denkwürdigen DLF-Interview (Lese, besser noch Hörbefehl!) auch immer wieder drauf hinweist, man dürfe die Kinder nicht infantilisieren, also übersetzt, sie nicht verkindlichen. Ja was denn sonst? Es sind Kinder, wir haben in der Tat eine Verantwortung, die Schöpfung für sie zu bewahren, aber das bedeutet auch, dass wir ihnen Regierungsentscheidungen tunlichst nicht in die Hände geben. „Gott bewahre“ sie setzen sich sonst irgendwann noch mal für Atomkraft ein (um dann natürlich nach öffentlichem, quasidemokratischen Druck, schnell wieder zurück zu rudern).
Grüne und der Großteil der etablierten Politik macht aus Fridays for Future einen demokratischen Mehrheitsbeschluss, der es nicht ist, um Freiheiten einzuschränken, die man eh nicht bestehen lassen will, und kann sich – das ist beinahe das Schlimmste – sicher sein, dass die tatsächliche Mehrheit schon nicht aufmucken wird. Hier wird also nicht etwa Freiheit von der Schulpflicht befördert: Mit dem Mittel dieses Widerstands wird Unfreiheit gefordert, Antikapitalismus als Staatsräson etabliert, am Ende die Zukunft auch dieser Kinder verspielt.
Die Abschaffung von Wahrheit und Freiheit
Wahrheit wird abgeschafft, Freiheit wird abgeschafft, Meinungsfreiheit sowieso: Natürlich hat FDP-Chef Lindner Recht, wenn er sagt, dass energiepolitische Entscheidungen in die Hände von Experten gehören und nicht in die Hände von Kindern (wenn ich auch ergänzen möchte: Ganz sicher nicht in die Hände von Politikern). Zukunft wird verspielt, auch die Zukunft derjenigen, die sie ganz offenbar entweder verachten oder gar nicht um sie wissen. Das macht die DBK, das macht Kardinal Marx, das passiert bei Fridays for Future, das ist das Ergebnis einer Gretaisierung der Politik.
Es ist Fastenzeit: Beten!
gerd
Danke für den Link. Anton Hofreiter setzt alles daran, nicht ernst genommen zu werden. Kann er haben. Solche Antworten kann kein Satiriker erfinden. Da muss die Realität herhalten.
Konrad Kugler
Der arme Hofreiter und dieser gräßliche Interviewer, der ums Verrecken eine eindeutige Antwort auf seine Fragen erwartet.
Solch ein Typ macht bei uns Politik.
Solche Interviewer scheinen mir die Ausnahme zu sein.
Tausend Dank für den Link-lese-Befehl.
Lehrer Lämpel
Volle Zustimmung zu den beiden Kommentaren hier von Gerd und Konrad Kugler.
Ich find’s unmöglich, Schulunterricht zu schwärzen – und sei es wg. der Sorge um die Klimapolitik hierzulande.
In Hamburg waren vor einer Woche noch Schulferien – da fand die Fridays for Future-Demo NACHMITTAGS ab 15Uhr statt – z.T. mit Elternbeteiligung!
Geht doch also. Und zwar OHNE Gesetzesverstoß.
An einem Punkt seines ansonsten zutreffenden Artikels muss ich Herrn Honekamp allerdings widersprechen:
Der politische Beschluss zur sog. Energiewende in Deutschland, dem Ausstieg aus der Kernenergie erfolgte vor dem Hintergrund der unvorhersehbaren katastrophalen Ereignisse in Fukushima in Japan.
Nicht auszudenken, wenn derartiges in unserem dichtbesiedelten Land passierte.
Ich wohne selbst übrigens in der Nähe von vier zwischen 6 und 25km von meinem Wohnort entfernten Atomkraftwerken – 2 sind noch in Betrieb, die beiden anderen abgeschaltet; eines davon wird bereits demontiert, was noch Jahrzehnte dauern wird.
Ich jedenfalls begrüße nach wie vor seit Fukushima den Automausstieg in Deutschland.
Die Kanzlerin hatte m.E. recht mit ihrer diesbezüglichen Kehrtwende.
Lehrer Lämpel
Sorry, Schreibfehler :
Natürlich „schwänzen“ statt “ schwärzen“ .
Absalon von Lund
Wenn ich mir die Lage beispielseise in Berlin ansehe, ist ganz klar, daß die beiden letzten rein katholischen Bischöfe Bengsch und Meisner hießen. Danach wurde es etwas unsauber ökumenisch, seit 2012, also mit den Bischöfen der 50er Jahrgänge, zu denen ich auch gehöre, nicht als Biscof selbstverständlich, brach die Katasrtophe vollständig herein. Begründung: wie ich aus eigener Erfahrung weiß, kennen die Jungs ihre Väter nicht, gehorchen nicht und sind Muttersöhnchen, geweihte Muttersöhnchen. Daher wahrscheinlich die Experimentierfreudigkeit. Was sie nicht begriffen haben, daß Ewigkeit die Eigenschaft hat, unveränderlich zu sein. Das System Gottes ändert sich nie! Wir als normale Katholiken können als Gegenmaßnahme den Rosenkranz beten, mit Zigarre oder ohne, beim Bäcker, beim Metzger, in der Tram, in jeder Lebenslage.
Schönen Fastensonntag!
akinom
Marx ist die „Demokratieendstufe“? Klar, habe ich gedacht: Karl Marx und Zentralkomitees seiner Ideologie haben mit Demokratie wirklich nichts mehr zu tun. Viel mehr lässt mich aber zur Zeit der Gedanke an seinen Namensvetter und Synodenbeschlüsse der Deutschen Bischofskonferenz schaudern, bei denen sich Bischöfe wie Kardinal Bengsch, Kardinal Meissner, Bischof Dyba im Grab herumdrehen werden. Wer wird die Steine von ihren Gräbern wegwälzen und wann? Die Zukunft der Kirche können deutsche Bischöfe sicher nicht verspielen, denn sie ist auf den Felsen Petri gegründet, auf dass sie dauere „bis zu Seiner Wiederkunft“! Ich bete Sturm für gute Beichtväter der deutschen Priester und Bischöfe, dass sie nicht zu Hirten werden, die selber keine Hirten haben….
Durch die „Instrumentalisierung der Demokratiegläubigkeit der Menschen zur Umsetzung eigener Ziele wird aber Zukunft verspielt. Da stimme ich dem Blogger zu. Bei der „Gretaisierung“ geht es um weit mehr, als ums Schule schwänzen. Sie ist für mich ein „Kindesmissbrauch der Politik“, die auch wurzelt in der Ideologie der `68er. Ich denke da an den Rattenfänger von Hameln. Wirklich schauderhaft!
Krisen – so heißt es – beinhalten immer eine neue Chance. Beten wir, dass sie gefunden und ergriffen werden!
Liesl Karlstadt
Zur Versachlichung der Diskussion um die Seebeben -Katastrophe von Fukushima:
https://www.kepplinger.de/content/die-reaktorkatastrophe-bei-fukushima-presse-und-fernsehen-deutschland-schweiz-frankreich-und
Auch was Kardinal Marx so alles den Medien erzählt und sie über ihn, würde ich nicht so ernst nehmen….;-)
Lehrer Lämpel
Der durch einen Super-GAU von der Größenordnung Tschernobyl oder Fukushima verursachte volkswirtschaftliche Schaden ist ungleich größer, als es eine schlichte Hochrechnung zusätzlicher Toter in dem zitierten Artikel uns glauben machen will.
Es müssten ganze Landstriche evakuiert werden und wären dauerhaft unbewohnbar – in der dichtbesiedelten BR Deutschland möglicherweise sogar (Groß)städte.
Wer soll das bezahlen und wer die Verantwortung dafür übernehmen?
Nein, die Entscheidung der Kanzlerin nach Fukushima zum Ausstieg aus der Kernenergie ist rational völlig nachvollziehbar und war m.E. richtig.