Meine Leserinnen und Leser wissen, dass ich ein Ratzinger-/Benedikt-Fan bin. Und wer wissen will, warum, sollte das Schreiben des Papa emeritus zum Missbrauchsskandal lesen.
In den vergangenen Wochen melden sich wirklich die erstaunlichsten „Experten“ zur Missbrauchskrise in der katholischen Kirche zu Wort, kürzlich erst eine evangelische (!) Theologin (!), mir bislang völlig unbekannt (was ich aber womöglich mir anlasten muss), die meint, der Una Sancta eine Radikalkur verschreiben und dabei gleich Papst Benedikt XVI. in den Senkel stellen zu müssen. Warum fällt mir da bloß immer das Bild von der Eiche und dem Hund ein?
Die Kirche hat versäumt, den Glauben zu festigen
Umso schöner, wenn sich der gescholtene mit einem Schreiben zu Wort meldet, dass einen wehmütig an längst vergangene Tage denken lässt. In einem Aufsatz (nachzulesen bei CNA Deutsch) beleuchtet Benedikt XVI. den Missbrauchsskandal theologisch ohne dabei die menschliche Komponente zu kurz kommen zu lassen. Und es blitzt auch durchaus Selbstkritik durch, wenn es darum geht, ob die Kirche in der Vergangenheit nicht zu wenig getan hat.
Allerdings, und Benedikt-Hasser werden vermutlich schon wieder auf die Barrikaden steigen, geht es dabei nicht in erster Linie um Präventionsarbeit oder Strafmaßnahmen gegen auffällig oder gar schuldig gewordene Priester und Bischöfe: Es geht darum, dass die Kirche in den vergangenen, na, sagen wir mal 50 Jahren, versäumt hat, den Glauben zu verkünden, den Glauben zu festigen, besonders unter Klerikern.
Gott aus der Welt verdrängt
Das kann man BXVI kaum persönlich anlasten, dessen Schriften in theologischen Fakultäten in der Vergangenheit, wie er schreibt „wie schlechte Literatur verborgen und nur gleichsam unter der Bank gelesen“ wurden. Lieber wollte man modern sein, die Kirche neu bauen, sie nach eigenen Vorstellungen reformieren. Was aber dabei in jedem Fall klar wird: Man hat – ich benutze das Wort „man“ ungern, in diesem Fall erscheint es mir aber stimmig, weil nicht immer klar ist, wer eigentlich – Gott aus der Welt verdrängt.
Und wir – die Kirche – haben dabei zugesehen, und manche haben diesen Trend wohl auch unterstützt. Wenn heute die evangelische und zunehmend auch die katholische Kirche eher als ein spiritueller Seitenarm der Grünen erscheint, dann ist das ein eindeutiges Indiz, dass die Lösung nicht in einer Verstärkung dieser Tendenz liegen kann, sondern nur in einer Rückbesinnung auf das – oder besser: den – der wirklich wichtig ist.
Gott zu lieben
Benedikt schreibt:
Wenn wir den Inhalt des in der Bibel grundgelegten Glaubens wirklich ganz kurz zusammenfassen wollen, dürfen wir sagen: Der Herr hat eine Geschichte der Liebe mit uns begonnen und will die ganze Schöpfung in ihr zusammenfassen. Die Gegenkraft gegen das Böse, das uns und die ganze Welt bedroht, kann letztlich nur darin bestehen, daß wir uns auf diese Liebe einlassen. Sie ist die wirkliche Gegenkraft gegen das Böse. Die Macht des Bösen entsteht durch unsere Verweigerung der Liebe zu Gott. Erlöst ist, wer sich der Liebe Gottes anvertraut. Unser Nichterlöstsein beruht auf der Unfähigkeit, Gott zu lieben. Gott lieben zu lernen, ist also der Weg der Erlösung der Menschen.
Hand auf’s Herz: Wann haben sie vergleichbar deutliche Worte zuletzt in einer Predigt gehört? Die Fokussierung auf Gott, auf Christus, auch auf das Altarsakrament, von dem Benedikt eindringlich beschreibt, wie es zu einem „Zeremoniell“ verkommen ist, bei der es die Höflichkeit gebietet, es jedem anzubieten, ist uns abhandengekommen.
Gott vorsetzen!
Aber ohne Gott gibt es keine, wie manche meinen, Freiheit, sondern lediglich einen Verlust an Orientierung. Ohne Gott werden moralische Maßstäbe relativ. Ohne die immer wieder nach außen getragene Realität Gottes, wird Glauben tatsächlich zu einer Privatangelegenheit.
Noch einmal Benedikt:
Eine erste Aufgabe, die aus den moralischen Erschütterungen unserer Zeit folgen muß, besteht darin, daß wir selbst wieder anfangen, von Gott und auf ihn hin zu leben. Wir müssen vor allen Dingen selbst wieder lernen, Gott als Grundlage unseres Lebens zu erkennen und nicht als eine irgendwie unwirkliche Floskel beiseite zu lassen. Unvergessen bleibt mir die Mahnung, die mir der große Theologe Hans Urs von Balthasar auf einem seiner Kartenbriefe einmal schrieb: „Den dreifaltigen Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist, nicht voraussetzen, sondern vorsetzen!“ In der Tat wird auch in der Theologie oft Gott als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt, aber konkret handelt man nicht von ihm. Das Thema Gott scheint so unwirklich, so weit von den Dingen entfernt, die uns beschäftigen. Und doch wird alles anders, wenn man Gott nicht voraussetzt, sondern vorsetzt. Ihn nicht irgendwie im Hintergrund beläßt, sondern ihn als Mittelpunkt unseres Denkens, Redens und Handelns anerkennt. […]
Wenn wir also nachdenken, was zu tun ist, so wird klar, daß wir nicht eine von uns erdachte andere Kirche brauchen. Was notwendig ist, ist vielmehr die Erneuerung des Glaubens an die uns geschenkte Wirklichkeit Jesu Christi im Sakrament.
Die lügnerische Logik des Teufels
Und auch an anderer Stelle wird Benedikt XVI. deutlich, nämlich wenn es um den Nutznießer der Überlegungen geht, man müsse nun eine neue Kirche bauen, nach eigenen Vorstellungen, nur noch am Rande verbunden mit dem, was bisher als richtig und wahr anerkannt war:
Es geht heute in der Anklage gegen Gott vor allen Dingen darum, seine Kirche als ganze schlechtzumachen und uns so von ihr abzubringen. Die Idee einer von uns selbst besser gemachten Kirche ist in Wirklichkeit ein Vorschlag des Teufels, mit dem er uns vom lebendigen Gott abbringen will durch eine lügnerische Logik, auf die wir zu leicht hereinfallen. Nein, die Kirche besteht auch heute nicht nur aus bösen Fischen und aus Unkraut. Die Kirche Gottes gibt es auch heute, und sie ist gerade auch heute das Werkzeug, durch das Gott uns rettet. Es ist sehr wichtig, den Lügen und Halbwahrheiten des Teufels die ganze Wahrheit entgegenzustellen: Ja, es gibt Sünde in der Kirche und Böses. Aber es gibt auch heute die heilige Kirche, die unzerstörbar ist. Es gibt auch heute viele demütig glaubende, leidende und liebende Menschen, in denen der wirkliche Gott, der liebende Gott sich uns zeigt. Gott hat auch heute seine Zeugen („martyres“) in der Welt. Wir müssen nur wach sein, um sie zu sehen und zu hören.
Märtyrer gesucht
Darum ist es das Lebenszeugnis der Heiligen, auch heiligmäßiger Menschen in unserer Zeit, im Wortsinne Zeugen und Märtyrer, die das wahre Bild der heiligen Kirche ausmachen. All denjenigen, die das Bild der Kirche verdunkeln, gilt es, entschlossen entgegenzutreten. Dazu gehört möglicherweise auch eine Verschärfung des kirchlichen Strafrechts, es gehört aber auch Basisarbeit dazu, den Glauben derjenigen zu festigen – und bei Klerikern auch im Vorhinein zu prüfen – die aus ihm leben möchten.
Wer heute meint, die Morallehre der Kirche sei veraltet, weil selbst Priester es nicht schafften, damit umzugehen, verwischt die wahren Zusammenhänge: Wer nicht im echten Glauben steht, wer sich seinen Glauben selbst zurecht zimmert, der ist immer in der Gefahr, selbst grundsätzlichste moralische Klarheiten in Frage zu stellen. Wer eine neue Kirche bauen will, wer die Kirche „demokratisieren“ und ihre Lehre, besonders ihre Morallehre, von Mehrheiten und Zeitläuften abhängig machen will, der besorgt das Geschäft des Widersachers.
Die wunderbare Handschrift Gottes
Dankbar dürfen wir sein, wenn sich Benedikt XVI. ab und an von seinem selbst auferlegten Schweigen entbindet und so klare Worte der Orientierung zu Papier bringt. Ein wunderbarer Stift in der Hand Gottes, der dessen Handschrift zur Geltung kommen lassen möchte, gegen die das Gekrakel des Teufels nicht ankommen wird.
Absalon von Lund
Im zwanzigsten Jahr meines Rückweges zu Gott, den ich ausschließlich der Stille und dem Schweigen zu verdanken habe, finde ich eine Kirche vor, in der ich vorwiegend die „Satzungen“ von Menschen höre, ohne geistliche Führung, ohne roten Faden, ohne Fokus auf das Ziel, nämlich den Himmel zu gewinnen, wie Philipp Neri sagt.. Alternativ werden Strick- und Häkelkurse angeboten und Projektgruppen zur Reparatur von Krchenfenstern gebildet. Ausnahmen bestätigen die Regel: so predigte ein Dominkaner vor nicht allzu langer Zeit, das Christentum sei eine Religion des Hörens. Wie lange muß diese Kirche still sitzen, bis sie wieder Gott hört und nicht das Echo ihrer eigenen Vorstellungen und Meinungen. Fünfzig oder sechzig Jahre, also so lange, wie sie brauchte, um den katastrophalen Zustand von heute zu erreichen?
Liesl Karlstadt
Mir scheint, Sie sind schon auf dem besten Weg: Stille, Schweigen, auf Gott hören, Himmel, Heilige, wie Philipp Neri. Etwas Besseres hat es weder vor 60 Jahren gegeben noch wird es Besseres in der Zukunft geben. „Warum ich in der Kirche bleibe? Weil es die Kirche der Heiligen ist.“ (Hans Urs von Balthasar)
Dieter Schrader
Was für eine erfrischende und befreiende Botschaft. Vielen Dank auch von meiner Seite als evangelischer Christ. Sie sollte auch von uns evangelischen Christen gehört und befolgt werden. Das wäre die wahre „Una Sancta“. Ich bin kein Theologe. Meine Frau und ich leben seit unserer Jugend als Christen und sind dankbar für alle diejenigen, in beiden Kirchen, die uns auf diesem Weg begleitet und unterwiesen haben. Dazu gehört auch BXVI. Zum Glück für beide Kirchen,dazu gehören auch die Christen in den Freikirchen, gibt es noch Menschen , die diese
satanische Strategien erkennen und Zeugnis dagegen ablegen.
Bleiben Sie – im besten Sinne- PAPSTTREUERBLOG.
akinom
Ich teile Ihre Einschätzung und empfehle das Buch mit dem provozierenden Titel „Ökumenischer Djihad?“ in dem dieser – richtig verstanden – als scharfe Waffe gegen Satans Strategien dargestellt wird.
akinom
Der Autor des im St. Ulrich-Verlag erschienenen Buches ist Peter Kreeft.
akinom
“Verkünde das Wort, tritt dafür ein, ob gelegen oder ungelegen!” Das scheint mir das Leitwort des Pontifikats von Papst Benedikt XVI. zu sein, dass er noch immer mutig lebt. Das zeigt sich auch am derzeitigen hasserfüllten Medienecho auf Worte wie diese, die Tatsachen betreffen, an die niemand mehr erinnert und erinnert sein will:
“Zu der Physiognomie der 68er Revolution gehörte, dass nun auch Pädophilie als erlaubt und als angemessen diagnostiziert wurde. Wenigstens für die jungen Menschen in der Kirche, aber nicht nur für sie, war dies in vieler Hinsicht eine sehr schwierige Zeit. Ich habe mich immer gefragt, wie junge Menschen in dieser Situation auf das Priestertum zugehen und es mit all seinen Konsequenzen annehmen konnten.”
Vielen Dank für diesen papsttreuen Blogbeitrag, der mir aus dem Herzen spricht. Außerdem frage ich mich, ob der Missbrauchsskandal nicht auch darin eine Ursache hat, dass leider nicht wenige Priester das Kirchengebot bezüglich der Beichte nicht mehr beachten und verkünden. Sind sie nicht Hirten, die selber keinen Hirten haben? Ich nehme dieses Anliegen ins tägliche Gebet in der Hoffnung, dass die Steine con den Gräbern der Herzen weggewälzt werden.
akinom
Ergänzend noch etwas von einem Fundstück von dem mir mein Seelenführer berichtete:
„Die Bibliothek des Campo Santo Teutonico birgt so manche Schätzchen, darunter ein Pontificale Romanum in rotem Leder und mit Goldschnitt aus dem Jahr 1888, jenem Jahr, in dem das Römische Institut der Görres-Gesellschaft gegründet wurde. Das Pontificale enthält die dem Bischof vorbehaltenen Riten. Darin findet man erstaunliche Dinge, so im 3. Teil (S. 87-94) die „Forma degradationis“, also die Riten zur Absetzung (Laisierung) eines Klerikers, angefangen vom Bischof bis hinab zum Tonsurierten. In solchen Riten spricht sich eine jahrhundertelange Weisheit der Kirche im Umgang mit notorischen Halunken im Klerikerrock aus, eine Weisheit, die im Optimismus der Nachkonzilszeit verloren und mit der alten Liturgie unter ging.
Früher aber entfernte man, wie aus dem Pontificale hervorgeht, nicht einfach mit einem bürokratischen Akt Kleriker aus dem Amt, sondern man degradierte sie rituell Stück um Stück vor der kirchlichen Öffentlichkeit. Bei dieser für den Betroffenen höchst schmerzlichen Form nahm man ihm symbolträchtig alles weg, was ihn bisher ausgezeichnet hatte. Zweifellos hatte das eine abschreckende Wirkung. Wer eine solche Prozedur gefasst über sich ergehen ließ, um wenigstens nicht exkommuniziert zu werden, der musste schon starke Nerven haben.
Kardinal McCarrick hätte also damals folgende Prozedur erwartet:
Er muss vor dem Papst in all seinen Amtsgewändern und mit allen Insignien seiner Würde antreten und vor ihm niederknien. Dann nimmt ihm der Papst Stück für Stück alles vom Leib mit Gebeten, die messerscharf sind. Zunächst nimmt der Papst ihm das Pallium (Erzbischofswürde) von der Schulter, „weil du es missbraucht hast“. Dann nimmt er ihm die Mitra vom Kopf, „weil du sie durch deine üble Leitung beschmutzt hast“. Dann nimmt er ihm das Evangelienbuch aus der Hand, „weil du als Verächter der Gnade würdelos gepredigt hast“. Dann zieht er ihm den Ring vom Finger, „weil du frech der Braut Gottes selbst, der Kirche, Wunden zugefügt hast“. Dann nimmt er ihm den Hirtenstab weg, „weil du statt zu verbessern nur Durcheinander angerichtet hast“. Dann werden dem Degradierten noch die Handschuhe ausgezogen. Der Papst rasiert (symbolisch) mit einem Messer oder einer Galsscherbe seine Daumen und Handflächen, „damit du nicht mehr opfern und segnen kannst“. Ebenso rasiert der Papst (symbolisch) den Kopf, „um die Weihe, den Segen und die Salbung, die du empfangen hast, auszutilgen“. Danach nimmt man dem Mann noch die Schuhe weg.
Damit ist es aber nicht zu Ende. Nun nimmt ihm der Papst noch sämtliche Würdezeichen seiner Priester-, Diakonen-, Subdiakonen-, Akolythen-, Exorzisten-, Lektoren- und Ostiarierweihe ab, also etwa die Messgewänder. Zuletzt wird ihm symbolisch auch die Tonsur entzogen, indem der Papst mit der Assistenz eines Frisörs dem Betroffenen komplett den Kopf kahlschert. Von daher kommt das Sprichwort: „da bin ich noch einmal ungeschoren aus der Sache gekommen“. Dann muss der Degradierte die Soutane ausziehen und bekommt nun Zivilkleidung.
Sodann wird er vom Papst dem anwesenden weltlichen Richter übergeben. Er entgeht also seiner weltlichen Strafe nicht!
Professor Dr. Stefan Heid ist Kirchenhistoriker. Der Priester der Erzdiözese Köln ist unter anderem Direktor des Römischen Institutes der Görres-Gesellschaft, auf deren Website der Text zuerst erschienen ist.“
Lehrer Lämpel
Dass die Bücher Joseph Ratzingers gerade auch innerhalb des offiziellen deutschen Katholizismus bis zu seiner Wahl zum Papst wie schlechte Literatur behandelt und gleichsam geächtet wurden kann ich an Hand folgender Begebenheit bestätigen.
Unmittelbar nach der Papstwahl 2005 fragte meine Frau (pensionierte Religionslehrerin) in der katholischen Akademie des Erzbistums Hamburg telefonisch an, welche Bücher von Joseph Ratzinger dort vorhanden und einsehbar seien?
Die pikierte Antwort: „Solche Bücher führen wir hier nicht.“
Daraufhin meine Frau: „Dann wird es aber höchste Zeit!“
In der Tat wurden dann seine Bücher in den Buchhandlungen angeboten und waren dann in der Folge während seine Pontifikats auch in vielen Büchereien einseh- und ausleihbar.
Nach und nach hat meine Frau sich über 40 Werke Joseph Ratzingers – darunter auch seine Dissertation – angeschafft und regelrecht durchgearbeitet – mit großem Gewinn.
Ich selbst habe, da ich zu der Zeit noch berufstätig war, deutlich weniger Bücher Ratzingers gelesen, kann jedoch das positive Urteil meiner Frau nur bestätigen.
Welch eine hellsichtige Weitsicht übrigens des heiligen Papstes Johannes Paul II., der die Genialität und Glaubensstärke Joseph Ratzingers sofort klar erkannt hat und ihn schon so bald zum Leiter der Glaubenskongregation berief und mit ihm über so viele Jahre eng und vertrauensvoll zusammenarbeitete.