Man muss kein Fan Til Schweigers sein, um den Film „Honig im Kopf“ zu mögen. Und der zeigt ein überraschend klassisches Familienmodell.
Jetzt werde ich mit dieser kurzen Filmrezension mal meine Leserschaft an ihre Grenzen führen. Denn erstens rege ich mich in diesem Beitrag nicht nur mal nicht über die Regierung auf (Anlass dazu gäbe es genug, aber man muss auch mal was anderes schreiben, damit es einen nicht in der Seele schmerzt … dazu vielleicht an anderer Stelle noch mal mehr …) sondern beabsichtige etwas Positives über den Til-Schweiger-Film „Honig im Kopf“ zu schreiben.
Ein einfacher Plot
Ich weiß um die politischen Einlassungen des Herrn Schweiger, die ich im Normalfall nicht teile. Ich halte ihn auch nicht – wie der Mainstream das offensichtlich tut – für einen besonders guten Schauspieler (dafür müsste er mehr als drei Gesichtsausdrücke zur Verfügung haben), aber mit diesem Film, den ich erst jetzt gesehen habe, hat Schweiger etwas wirklich … ja, wirklich Schönes geschaffen.
Der „Plot“ dürfte den meisten bekannt sein: Amandus Rosenbach (Dieter Hallervorden), früher Tierarzt, leidet zunehmend an Alzheimer, sodass ihn sein Sohn Niko (Til Schweiger), mit Widerwillen seiner Frau Sarah (Jeanette Hain) aber zur Freude der mit Blick auf diese Krankheit noch unbedarfte Tochter Tilda (Emma Schweiger) bei sich zu Hause, auf einem größeren Gutshof aufnimmt.
Es geht nicht um Alzheimer
Das Chaos nimmt seinen Lauf und der Begriff der Tragikomödie passt: Man kann herzhaft lachen über Missgeschicke und verbale Fehlleistungen des alten Mannes, hat aber gleichzeitig auch die Gewissheit, in welche Richtung sich die Handlung zwingend bewegen wird. Ist es lustig, wenn Amandus bei dem Versuch einen Kuchen zu backen, beinahe das Haus abfackelt? Ist es nicht … aber trotzdem haben die hysterischen Anfälle der Ehefrau etwas so Übertriebenes, das man unwillkürlich lachen muss.
Es geht in dem Film aber – so habe ich ihn jedenfalls mit meiner Frau gesehen – gar nicht um die Krankheit Alzheimer. Die wird in anderen Filmen realistischer, damit auch drastischer, dargestellt. Ich hatte mich selbst vor dem Hintergrund einer beginnenden Demenz bei meinem im Frühjahr verstorbenen Vater lange gescheut, den Film anzusehen. Und nun bereue ich es, denn ich hätte von diesem Familien-Märchen auch schon zu Lebzeiten meines Vaters profitieren können.
Familiäre Verantwortung statt Selbstverwirklichung
Denn was in diesem Film gezeichnet wird, ist das Bild einer – schon vorher durch diverse Krisen – vor dem Zusammenbruch stehenden Familie, die durch diese Herausforderungen wieder zusammen geführt wird. Mehr und mehr lernt die Familie durch den Opa und die Enkelin – unter schauspielerisch grandioser Leistung von Dieter Hallervorden und Emma Schweiger –, was es heißt, eine Familie zu sein.
Ich gebe zu, ich bin „nah am Wasser gebaut“ (habe ich übrigens von meinem Vater geerbt), aber in der Szene, in denen sich Vater und Sohn gegenseitig ihrer Liebe versichern, braucht es schon ein Teflon-Herz, dass sie an einem Mann spurlos vorübergeht. Und was für eine Wendung, wenn die Ehefrau am Ende doch ihren Job aufgibt, der Sohn entsprechend den Job reduziert, um sich besser um den Opa – und auch um sich als Familie – kümmern zu können? Da wird niemand direkt in ein Heim abgeschoben, da geht es nicht um Selbstverwirklichung sondern um Verantwortungsübernahme.
Vater-Sohn-Beziehungen
Ich möchte glauben, dass dieser Film, produziert und unter der Regie von Til Schweiger, ihm ein Herzensanliegen war. Leider sind insbesondere Vater-Sohn-Beziehungen oft nicht ganz unbelastet, und vermutlich ist die eine oder andere Wendung auch zu ideal dargestellt (insbesondere eines Umfeldes mit einem Maximalmaß an Rücksicht für den zunehmend neben der Spur laufenden Opa). Aber das macht vielleicht den Wert des Films aus: Wie sähe denn das Ideal eines Umgangs miteinander in einer Familie aus? Und selbst wenn dieses Ideal in den meisten Kreisen vielleicht als kitschig abgetan wird … ich würde mir wünschen, wir kämen diesem Ideal ein bisschen näher.
Der Film ist im besten Sinne in vielen Situationen unrealistisch … aber das tut der Botschaft keinen Abbruch. Ich würde mir heute wünschen, in so mancher Situation anders mit meinem Vater umgegangen zu sein. Damit macht der Film auch ein bisschen ein schlechtes Gewissen. Aber ich glaube fest daran, dass mein Vater nicht weg sondern nur „woanders“ ist, und es noch heute gerne hört, wenn ich ihm sage – oder hier schreibe – dass ich ihn liebe.