Immer mal wieder muss ich mein Gedankengebäude aus katholischem Glauben und Libertarismus auf die Probe stellen. Und was ist da besser, als wenn jemand anderes eine Gegenposition einnimmt, an der ich mich reiben kann.
Beim Durchstöbern meines Blogrolls bin ich auf einen Beitrag des Blogs „Nolite Timere“ (zu Deutsch: Fürchtet euch nicht) gestoßen, der mit „Lieber persönliche Barmherzigkeit statt Wohlfahrtsstaat?“ betitelt ist, und mit dem Hinweis beginnt, dass der Beitrag „evtl. etwas polemisch“ sein könne und Diskussionen daher erwünscht seien. Ich kann die Autorin (sie bezeichnet sich selbst als „Crescentia“ ohne echte Namensnennung, dabei wollen wir es dann auch belassen), zunächst mal beruhigen: So polemisch, in einem negativen Sinne, erscheint mir der Beitrag nicht. Trotzdem habe ich mich entschieden, den Titel polemisch umzudrehen: „Lieber Wohlfahrtsstaat als persönliche Barmherzigkeit?“
Was kann man gegen den Staat haben?
Diese Umkehrung ist deshalb polemisch, weil die Autorin diese Alternative offenbar so gar nicht vermitteln möchte. Es geht ihr nicht darum – und kann einem katholischen Autor niemals darum gehen – persönliche Barmherzigkeit durch einen Wohlfahrtsstaat abzulösen. Genau das aber, so ist meine These, und darum bezeichne ich mich als libertären Katholiken, passiert, wenn man das Gemeinwohl, für das wir als Christen Mitverantwortung tragen, in die Verantwortung des Staates legt.
Etwas zugespitzt formuliert die Autorin nämlich, es könne doch ernsthaft niemand etwas dagegen haben, wenn ein Staat dafür sorgt, dass niemand hungern oder auf der Straße leben muss. Ich möchte es anders formulieren: Ich habe nichts dagegen, wenn ein reicher Kaufmann mit Spenden oder eigenen wohltätigen Aktionen dafür sorgt, dass niemand hungern und auf der Straße leben muss. Ich habe auch nichts dagegen, wenn Vereine und private bzw. privat finanzierte Institutionen dafür sorgen, dass niemand hungern und auf der Straße leben muss. Und ich habe schon gleich dreimal nichts dagegen, wenn sich Menschen zu einem Verband zusammenschließen, um sich beispielsweise gegen die Folgen von Arbeitslosigkeit abzusichern.
Freiwilligkeit
Warum dann nicht der Staat? Die Autorin schreibt: „Wo ist hier noch der große Unterschied zum Staat? Es handelt sich um eine größere Gemeinschaft, wo alle einen gewissen, gar nicht so geringen Teil ihres Einkommens einzahlen, und der einzelne im Notfall etwas herausbekommt.“
Die Antwort liegt auf der Hand und polemisch an dem kritisierten Beitrag ist das völlige Fehlen des eigentlichen Kerneinwandes jedes Libertären: Es fehlt das Element der Freiwilligkeit. Es ist nämlich nicht so, als ob Libertäre nicht auch einen Blick auf die Industrialisierungsphase im 19 Jahrhundert werfen würden; sie kommen nur zu dem Schluss, dass bei aller im Vergleich zu heute schlechteren Lebenssituationen, im Grunde diese Phase eine deutliche Verbesserung für einen Großteil der Menschen gebracht hat: In aller Kürze könnte man formulieren, dass der freie Markt die Unterschiede zwischen arm und reich durchaus vergrößern kann (nicht muss), das aber jeweils auf einem deutlich höheren Niveau.
Verkannte Vorzüge des freien Marktes und Nachteile des Sozialismus
Wenn heute diskutiert wird, die Wochenarbeitszeit noch weiter zu reduzieren oder mancher meint, das Heil läge in einem bedingungslosen Grundeinkommen, dann sollte das nicht darüber hinwegtäuschen, dass es diese Möglichkeiten nur deshalb gibt, weil Menschen ein freiwilliges (!) Risiko eingehen und Unternehmer wurden und werden. Damit haben sich die Unternehmer im 19., im 20. und auch heute im 21. Jahrhundert die Kernaufgabe des Gemeinwohls ans Bein gebunden (wofür sie im Idealfall auch vom Markt bezahlt werden): Für regelmäßiges Einkommen für eine große Anzahl von Menschen zu sorgen. Freiwillig.
Das tut nicht der Staat, das kann er nicht, der Staat ist unfassbar schlecht darin, den Markt für Millionen Menschen einzuschätzen und darin so zu arbeiten, dass es dem Gemeinwohl dient. Abgesehen von den Freiheitseinschränkungen und des verqueren Menschenbildes ist das das Kernproblem jedes sozialistischen Experiments gewesen: Der Staat ist nicht dazu in der Lage, das Gemeinwohl zu sichern; er weiß als „handelnde Person“ nicht mal, was das ist.
Zwang oder Freiheit?
Das tun Menschen, Arbeitgeber wie Arbeitnehmer, die meisten ohne sich dessen bewusst zu sein, auf ganz natürliche Art und Weise durch Unternehmertum (wozu ich generisch beispielsweise auch die Entscheidung zu einer bestimmten Ausbildung und den Einsatz für die eigene Weiterbildung betrachte). Sie schaffen erst die Möglichkeit zu persönlicher Barmherzigkeit, sie schaffen erst die Möglichkeit für einen Staat, zum „Wohlfahrtsstaat“ zu werden. Insoweit der das aber mit Zwangsmaßnahmen tut, reduziert er damit die Motivation zum eigenen Unternehmertum und nebenbei auch den Anreiz zur eigenen Vorsorge (ein Kommentator sprach im Ursprungsblog von „Sozialschmarotzern“, aber soweit muss man gar nicht gehen).
Der Staat agiert als Wohlfahrtsstaat nicht auf Basis von Freiwilligkeit sondern auf Basis von Zwang – wer das in Abrede stellt, kann ja mal versuchen, keine Steuern und keine Sozialabgaben zu zahlen … Dieser Zwang, und jetzt wird es tatsächlich geistlich, ist einem Menschen nicht angemessen, entspricht nicht seiner gottgegebenen Natur. Gott hat den Menschen als freies Wesen erschaffen, der sich ihm, Gott, freiwillig als Antwort auf seine Einladung, zuwenden kann aber nicht muss.
Liebesgebot
Insofern sind auch die Hauptgebote zu verstehen: „Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit deinem ganzen Denken und mit deiner ganzen Kraft. Als zweites kommt hinzu: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Kein anderes Gebot ist größer als diese beiden.“ (Markus 12,30-31) Beides sind „Gebote“, aber sie dienen einem gelingenden Leben. Wer sich an sie nicht hält, bringt sich selbst um die Erfahrung eines gelingenden Lebens. Gott lädt uns immer wieder dazu ein, ihn zu lieben, und unseren Nächsten wie uns selbst, aber er zwingt uns nicht dazu.
Jetzt kann man sich natürlich – um geistlich wieder abzurüsten – die Frage stellen, ob denn das Prinzip der Freiwilligkeit so funktioniert? Wer da auf dem Staat verweist, hat offensichtlich Zweifel, ob diejenigen, die den Bedürftigen helfen könnten, das auch tatsächlich täten, wenn sie nicht gezwungen würden. Ist es mit dem Altruismus in der Gesellschaft wirklich so weit her, dass man das den Menschen in die eigenen Hände legen kann?
Ausgerechnet Politik!
Diese Bedenken kann ich durchaus verstehen, die Konsequenz allerdings nicht: Diejenigen, die man eben noch so eingeschätzt hat, dass sie freiwillig nichts von ihrem großen Kuchenstück abgeben, sollen plötzlich in einer Demokratie Parteien oder Politiker wählen, die eine Politik betreiben, die ihnen (netto) das Geld aus der Tasche zieht? Sie sollen Politiker für eine Politik wählen, die dem Gemeinwohl dient, ohne dabei zu schauen, welche – auch finanziellen – Vorteile ihnen diese Politik bietet?
Und ausgerechnet von Politikern – ich halte zumindest die „hohe Politik“ ja für ein Sammelbecken von Soziopathen – wird erwartet, dass sie nicht ihren eigenen Vorteil – bestehend in der Wahl und Wiederwahl – im Hinterkopf haben, wenn sie sich entscheiden, „soziale Wohltaten“ an Menschen zu verteilen, die sie genau deshalb wählen?
Mit Gottes Gnade, nicht mit staatlichem Zwang, besser werden
Der demokratische Wohlfahrtsstaat ist in der Tendenz selbstzerstörerisch, weil er einerseits davon ausgeht, dass die Menschen nicht freigiebig genug sind, andererseits aber eine Politik verlangt, die genau das voraussetzen würde.
Als Christen sollten wir das doppelte Liebesgebot immer vor Augen haben. Die Liebe auf den Staat auszulagern verschließt aber die Augen vor unserer gebrochenen Natur, unserer und der aller anderen Menschen. Der Libertarismus ist genau deshalb die bessere Variante, auch dem Menschen gemäßer, weil er ihn zunächst mal so nimmt, wie er ist. Als Christen arbeiten wir dann mit Gottes Gnade daran, dass wir besser werden. Diese Aufgabe übertragen wir aus guten Gründen nicht auf den Staat.
Nepomuk
>>Gott lädt uns immer wieder dazu ein, ihn zu lieben, und unseren Nächsten wie uns selbst, aber er zwingt uns nicht dazu.
Nun, es sei hier durchaus mal die diffizilen Fragen offengelassen, welche Form das zum einen in einer konkreten gesellschaftlichpolitischen Lage annehmen sollte (*die* Frage dürfte noch *vergleichsweise* einfach sein, absolut gesehen aber auch nicht) und wie denn auch im Hinblick darauf die gesellschaftlichpolitische Lage, soweit die Macht dazu besteht, zu *gestalten* ist (und die dürfte dann wirklich schwierig sein), aber *das* jedenfalls stimmt, so wie es dasteht, sicher nicht.
„Behandeln Sie Ihre Kameraden so, als ob es Ihre besten Freunde wären; nicht weil Sie das wollen, sondern weil Sie es müssen.“ Das war, als ich es gehört habe, nur eine Auslegung der vergleichsweise peripheren menschlichen Vorschrift § 12 SdtG, aber für Christen, auch in der Zivilbevölkerung, gilt doch in bezug auf den zweiten Teil des Doppelgebots das gleiche und viel schärfer eingeschärft. Einen strengeren Zwang als daß darauf, wenn wir den Nächsten *nicht* lieben, zumindest dann, wenn wir diese Liebe bewußt verweigern und dabei bleiben, das ewige Höllenfeuer steht, kann man sich ehrlich gesagt gar nicht vorstellen.
Von einer Einladung kann insofern keine Rede sein (*anders* als bei den evangelischen Räten, die genau das *sind). Das erzeugt übrigens bei den herkömmlichen Glaubensgegnern regelmäßig ziemlichen Anstoß, das sei ja eine saubere Einladung, die mit einem „und wenn nicht kommst du in die Hölle“ daherkomme; sie übersehen dabei, daß dies eben nur ein Topos der gegenwärtigen Verkündigung ist und der Herrgott selber gerade nicht so redet.
Crescentia
Danke für den Beitrag :)
Ich muss aber sagen, dass mir diese Antwort mal wieder zeigt, was am Libertarismus so grundfalsch ist: Der Staat ist nach katholischem Verständnis gerade eine *natürliche* Gesellschaft (wie die Familie und anders als ein Unternehmen), d. h. eine dem Menschen notwendige Gesellschaft, und er kann sich gerade nicht aussuchen, ob er in staatlichen Zusammenschlüssen leben möchte oder nicht; ein staatenloser Zustand wäre unnatürlich und unmöglich. Und das Gemeinwohl ist kein sozialistischer Begriff, sondern ein katholischer.
Und *selbstverständlich* gehört zum Staat Zwang. Das ist bei der Justiz so, das ist bei der Infrastruktur so, das ist beim Steuern- und Sozialabgabenzahlen so. (Jesus hat übrigens das Recht des Staates zum Steuerneinnehmen ausdrücklich bejaht.)
Und ja, ich habe etwas dagegen, wenn die Wohltätigkeit einfach nur privaten Wohlhabenden überlassen bleibt, obwohl der Staat sie leisten könnte. Da hätten wir so was wie das römische Klientelsystem, wo der einzelne Arme von seinem reichen Gönner abhängig war und ihn politisch etc. unterstützen musste. Klingt nicht unbedingt nach einem sehr „freiheitlichen“, „freiwilligen“ System, in dem alle ihre eigenen Interessen vertreten können.
Es gibt Dinge, die der Staat schlecht kann, und es gibt Dinge, die der Staat gut kann. Bei Dingen, wo sich eine Art Monopol bilden muss und technische Weiterentwicklung weniger wichtig ist als stetige, sorgfältige, vorschriftengetreue Aufgabenerfüllung, d. h. bei so Sachen wie der Wasserversorgung oder der Post, ist der Staat tatsächlich erfahrungsgemäß besser. Und ich behaupte, dass die soziale Sicherung auch dazu gehört. (Meine Ablehnung der Alternative, das alles durch rein private Versicherungen erledigen zu lassen, habe ich im Artikel drüben erklärt.)
Was hätte der konkrete Arme, Arbeitslose, Erwerbsunfähige davon, in einer libertären Gesellschaft zu leben? Wie würde es ihm da konkret gehen?
(Was das 19. Jh. angeht: Eine irgendwann mal eintretende Verbesserung mit weitreichender und lang dauernder Ungerechtigkeit (Lohndrückerei trotz Möglichkeit, besser zu zahlen, ist eine Ungerechtigkeit, das Vorenthalten des gerechten Lohns zählt sogar zu den himmelschreienden Sünden) zu erkaufen, ist nicht der richtige Weg; dann lieber eine langsamere Entwicklung. Wir sehen übrigens in anderen Ländern immer noch diese vorübergehend-sein-sollenden Zustände, diese Phase dauert offensichtlich länger. Und mancherorts gibt es Rückschritte (USA). Aber das nur am Rande.)
Nepomuk
>>Da hätten wir so was wie das römische Klientelsystem, wo der einzelne Arme von seinem reichen Gönner abhängig war und ihn politisch etc. unterstützen musste.
Da beschreibst Du wohl zum einen einen relativ idealen Fall; aber zum anderen, *wenn* wir von ihm ausgehen könnten, würde ich mich schon fragen, ob das denn so schlimm wäre, mal ganz apriorisch gesehen. Immerhin ist beim Klientelsystem der Patron stolz darauf, daß er viele Klienten hat, die ihm auch nutzen, und der Klient im Regelfall auch stolz darauf, daß sein Patron ein mächtiger Herr ist, der sich für seine Leute auch einsetzt. Das hat gegenüber einer Lage, wo beide Seiten einander auf den Wecker gehen, die Armen dem Staat, weil ihm nichts an ihnen eigentlich liegt, aber er sie trotzdem bezahlen muß, der Staat den Armen, weil er sie mit Bürokratie quält, durchaus wenigstens den einen oder anderen Vorzug.
– Wo ich so drüber nachdenke – auch die Klienten haben für ihre Patroni bisweilen Dienste übernommen – sehe ich da übrigens durchaus Parallelen zu gewissen ganz oder aktienhauptanteilsmäßig im Familienbesitz stehenden Unternehmen. Kann jemand sagen, er sei Maschinenbauingenieur und als solcher Klient der Patrona Susanne Klatten? Es wäre ungewöhnlich, aber wäre es eigentlich so falsch?
Und was die Freiheit betrifft, es ist ja nun nicht so, daß nicht die zumindest theoretische Möglichkeit bestünde, Gesetze und Verordnung mit Blick auf die Wahlstimmen der Nettostaatshilfenempfänger zu machen.
(Und was ist nun meine eigene Meinung zu dem Thema, nachdem ich überall dagegengesprochen habe? – Die sage ich dann, wenn ich sie haben werde. Vorher geht das leider nicht.)
gerd
@Crescentia
Sie haben aber schon mitbekommen, dass der aktuelle Staat in dem wir momentan leben, so ziemlich alles privatisiert hat, was es zu privatisieren gab. Post, Bahn, Banken, Elektrizität, Wasserversorgung, Hochschulen und noch einiges mehr. Nichts war vor dem Privatisierungs-Zunami in den letzten 30 Jahren sicher. Alles wurde aufgerollt und so ziemlich alles wurde grottenschlecht. Ich habe selber über 30 Jahre bei der Post gearbeitet und kann ein Lied davon singen. Dem Aufsichtsrat bei der Deutschen Post AG interessiert es einen feuchten Kericht, ob die Bürger jeden Tag pünklich die an ihnen gerichteten Postsendungen erhält. Dort zählen nur Zahlen, Bilanzen und Gewinnmaximierung.
Und genau so verhält es sich mit dem sog. Wohlfahrtsstaat. Dort zählt nur wie man am besten Geld sparen kann, wenn ein kleiner Antragsteller es wagt die Schwelle des Sozialamtes zu betreten. Apropos Sozialamt: Versuchen Sie mal als Bedürftiger in Corona-Zeiten einen Termin im selbigen zu erhalten. Da werden uns die Grenzen des Wohfahrtsstaates deutlich aufgezeigt, nach dem Motto: Wir haben Pandemie, momentan müssen wir sie leider verrecken lassen.
Crescentia
Eine weitere Anmerkung noch:
„Wer da auf dem Staat verweist, hat offensichtlich Zweifel, ob diejenigen, die den Bedürftigen helfen könnten, das auch tatsächlich täten, wenn sie nicht gezwungen würden. Ist es mit dem Altruismus in der Gesellschaft wirklich so weit her, dass man das den Menschen in die eigenen Hände legen kann?“
Das heißt für den Armen halt, dass ihm gesagt wird: „Ich will entscheiden, dass dir geholfen wird (oder wem von euch Armen allen geholfen wird), du sollst keine Sicherheit haben, ich will mir lieber als freiwilliger Wohltäter vorkommen als dazu beizutragen, dass du sicher dein Auskommen hast“
Nepomuk
Nun, aber ein „sicheres Auskommen“ würde gemäß unseren üblichen Assoziationen aber heißen, daß der Arme eine auskömmliche Arbeitsstelle hat, die dem Arbeitgeber mindestens den Lohn auch erwirtschaftet. Und sowas soll ja tatsächlich vermittelt werden, aber hier ist das Thema ja gerade das, wo das nicht oder noch nicht klappt.
Alles andere ist nunmal entweder „Versicherung“ im ursprünglichen Sinne des Wortes („wir versichern uns gegenseitig, uns als Arbeitslose ein Überbrückungsgeld bis zum erneuten Finden einer Stelle zu zahlen“) oder Almosen.
Andreas
Zunächst einen schönen, guten Morgen in die illustre Runde, eins vorweg@lieber Nepomuk, ja, habe ich auch immer gedacht, „schöne Einladung“ , deren Nichtbefolgung in die ewige Verdammnis führt; ich erkläre es mir heute so, dass ich als liebender Vater, der mit seinen Kindern in der Wildnis campt, diese auch nicht nur „einladen“ kann, mit mir am nächtlichen Lagerfeuer zu bleiben und stattdessen in der Dunkelheit herumzuirren.
Was nun den Libertarismus angeht, so liegt für mich die Wahrheit irgendwo in der Mitte, denn ungeregelt landen wir in einer real existierenden Stadt des Libertarismus und die heißt Mogadischu. Andererseits finde ich es kurios, dem Staat die gut funktionierende Erledigung von Aufgaben zu attestieren, ich brauche bloß die stinkenden, verfallenen Toiletten in der Schule meiner Kinder zu sehen, die uralten Schulgebäude mit Stühlen die wahrscheinlich älter sind, als der Verfasser dieser Zeilen, obwohl der Staat mir mittlerweile die die Hälfte meines Einkommens abnimmt und vor allem die Verbrechen die im Zuge des (gut unter der Decke gehaltenen Bundeswehruntersuchungsausschusses), in deren Zuge wir erkennen müssen, dass wir uns hier der Beschreibung des Augustinus nähern, denn Regeln gelten für diese Politiker ganz offensichtlich nicht mehr.
Und hier hat der Libertarismus offensichtlich Recht, dass jeder Staat sich letzten Endes in diese Richtung entwickelt.
Auch sehe ich keinen Unterschied im hier angeführten römischen Klientelsystem, der Arme soll ja linke Parteien wählen, die ihm dafür vorgaukeln ihm zu helfen, was sie letzten Endes aber nie tun, da die Existenz Armer Menschen ihre Existenzberechtigung ist.
Letzten Endes wäre also ein Minimalstaat, der vor allem die Einhaltung (aber wirklich, nicht seine Mitarbeiter selbst mit Wirecard-Aktien zocken lässt) von Regeln überwacht die beste Lösung, aber so etwas gibt es leider nicht und der Mensch ist eben leider in der überwiegenden Masse nicht frei.
Nepomuk
>>daß die Existenz armer Meschen die Existenzberechtigung der linken Parteien ist
Da würde ich aber doch mal sagen, hm, nein.
Das sind alles komplizierte Themen, wo man einmal von Grund auf darüber nachdenken müßte. Soviel aber ist jedenfalls klar: 1. Die linken Parteien verdanken ihre Existenz dem, daß sie Repräsentanten bestimmter Ideologien sind (und teilweise ja auch dem, daß sie für Repräsentanten von Ideologien sind, die sie tatsächlich *nicht* sind, so ist etwa der Irrtum, daß die Linken für Anarchie stünden, wo sie tatsächlich für das Gegenteil stehen, wohl nicht totzukriegen). Die Existenz von Armen ist dafür nicht konstitutiv; gibt es in Schweden so viele Arme? Der Linken geht es dort aber ganz gut. 2. Was bürgerliche Salonlinke und, gesteigert noch, eigentlich nicht linke Linkenversteher (z. B. aus kirchlichen Kreisen) denken, sei ja dahingestellt, aber die eigentliche Klientel der Linken sind nicht die Armen (das von ihnen so genannte „Lumpenproletariat“), sondern die schlechterverdienenden Teile der von anderen Leuten gern „Leistungsträger“ Genannten (historisch: die Arbeiterklasse, heute gerne z. B. das akademische Prekariat und die unteren Verwaltungsangestellten). 3. Wo Linke die Macht haben, gehen sie durchaus ehrlich und, unter den üblichen menschlichen Beschränkungen, auch erfolgreich daran, die Welt nach linken Idealen umzugestalten. Das Problem ist nicht, daß das Ideal schön wäre und unerreichbar ist, wie viele sagen, und erst recht nicht, daß sich die Linken gar nicht bemühen würden, um sich ein Stimmenreservoir zu erhalten (so verkommen sind sie nicht, zumindest nicht bewußt), sondern das Problem ist, daß es (kurz auf ein Bild gebracht: die Organisation des gesamten menschlichen Lebens ohne Ausnahme als gigantische Behörde unter der Ägide von im wesentlichen tatsächlich wohlmeinenden und im wesentlichen gut ausgebildeten Beamten) allzu erreichbar und allzu unschön ist. 4. Ursprung des ganzen war übrigens nach dem Kommunistischen Manifest nicht eigentlich die Empörung darüber, daß der eine mehr hat als der andere, sondern das wohl ehrlich empfundene reaktionäre Entsetzen darüber, daß die goldenen Jahre des Feudalismus vorbei sind (das K. M. lobt diese wirklich in den höchsten Tönen), verbunden mit nicht hinterfragtem Hegel von wegen, man könne die Geschichte nicht zurückdrehen.
Frederic
Was genau wäre die Leistung von St.Martin wert, wenn er mit dem Teilen seines Mantels nur einer staatlichen Verordnung gefolgt wäre?
Frederic
Daran anschließend:
Was wäre eine staatliche Verordnung zum Teilen von Mänteln für Bettler wert, wenn Politiker darüber entscheiden dürften, wer ein förderungswürdiger Bettler ist?
Papsttreuer
Zu Sankt Martin hatte ich des öfteren geschrieben … das hier mag passen (und ist wirklich polemisch!) https://papsttreuerblog.de/2013/11/05/linke-sankt-martin-16755775/ (Leider sind durch eine Migration teilweise Formatierungen und Zeichen fehlerhaft, ist aber lesbar)
Gottes Segen!
Crescentia
Entschuldigung, aber: Die Frage ist hier nicht, was die Leistung von St. Martin sein soll, sondern womit dem Bettler am besten geholfen wäre.
Ihr alle denkt hier die ganze Zeit aus der Perspektive dessen, der geben soll. Was ist mit dem Bedürftigen? Halten es hier alle für so unmöglich, dass sie auch mal zu den Bedürftigen gehören könnten?
Andreas
@Crescentia: Ich stamme aus einfachen Verhältnissen, mir ist die Perspektive des Bedürftigen sicher eher vorstellbar, als so manchem, der darüber gerne philosophiert.
Ich kann nur sagen, dass ich mir in solchem Fall direkte Nothilfe und dann aber Hilfe zur Selbsthilfe, soweit dies nur irgend möglich ist, wünschen würde.
Der real existierende Staat bewirkt durch sein Handeln, dem (Bundeswehrskandal!!!) jegliche rechtliche Kontrolle entzogen ist, dass die Wahrscheinlichkeit bedürftig zu werden und kommenden Jahrzehnten größer wird.
Was soll daran christlich sein?
Mark
@ Crescentia
Dem Bedürftigen ist doch geholfen worden.
Und geholfen hat St. Martin, durch uneigenütziges Handeln aus eigener Initiative.
Deswegen feiern wir ihn und nicht den Bettler, der ja da nur herumgesessen hat. Das aber ist keine Leistung, die man anerkennen sollte.
Der Bettler hatte kein Recht auf Martins Mantel. Weder juristisch, noch moralisch.
Und trotzdem hat sich jemand seiner erbarmt.
Aus ihrem Posting spricht linksgrüner Marxismus, der die Menschen zu Toleranz und Nächstenliebe zwingen will, aber unter dem Strich damit beides irreparabel kaputt macht.
Das erleben wir gerade millionenfach in Deutschland.