Blickt man auf Tröglitz und auf Frankfurt ergeben sich Parallelen, die darauf hinweisen, dass die Probleme anders liegen als man öffentlich meint.
Da ich über das Kar- und Osterwochenende unterwegs war, habe ich über die Vorgänge des Brandanschlags auf eine geplantes Flüchtlingsheim erst im Nachhinein erfahren. Und wenn man die Headlines liest, bekommt man einen sehr eindeutigen Eindruck – hier mal eine Auswahl:
Brandstiftung in Tröglitz: gemeingefährliche Straftat schlimmster Art
Brandanschlag auf Flüchtlingsheim: Haseloff: „Tröglitz ist überall“
Brandanschlag in Tröglitz: Bundesregierung reagiert mit Entsetzen
Es werden dabei Bilder im Kopf geweckt von durch Innenstädte getriebenen Migranten und brennenden Flüchtlingsheimen in den 90ern des vergangenen Jahrhunderts wie denen in Solingen oder in Hoyerswerde. Allerdings, der Unterschied ist ebenso frappierend: Es handelt sich eben um ein „geplantes“ Flüchtlingsheim. Das heißt nicht, dass die beiden Bewohner, die glücklicherweise von Nachbarn geweckt wurden und sich retten konnten, nicht in tödliche Gefahr gebracht worden wären. Das heißt auch nicht, dass man die Tat, sollte sich denn bestätigen, dass sie rechtsextremistischen Hintergrund hat, in irgendeiner Art entschuldigen kann. Schlagzeilen wie die oben verbieten sich aber dennoch! Einmal, weil es dann letztlich für brennende Flüchtlingsheime mit Opfern unter den Bewohnern kaum noch eine Steigerung gäbe, vor allem aber, weil sie in keiner Weise einer Verhältnismäßigkeit entsprechen, die notwendig wäre.
Denn auch wenn man die Brandstiftung nicht entschuldigen will, ist es doch notwendig, nach Ursachen zu forschen … und da gibt es leider keine einfachen Antworten, wie sie nun allenthalben gegeben werden, wie sie in Forderungen nach mehr Mitteln im „Kampf gegen Rechts“ deutlich werden. Und auch die Schuldzuweisungen, wie sie jetzt gegen Bewegungen wie Pegida, gerne auch gegen Parteien wie die AfD erhoben werden, die jüngst einen Auftritt ihrer Europa-Abgeordneten Beatrix von Storch in der Bayreuther Stadthalle nach linksextremen Schmierereien am Veranstaltungsort verlegen musste, sind nicht zielführend.
Was man damit nämlich kolportiert ist das Bild von irregeleiteten Schafen, die sich von „rechten Rattenfängern“ instrumentalisieren lassen. Dass sich der Blick dabei vor allem nach rechts wendet und linke Gewalttaten wie die jüngsten Exzesse in Frankfurt lieber unter den Teppich kehrt oder gar einer von der Polizei verursachten Eskalation zuschreibt, ist wohl mit der deutschen Geschichte nur unzureichend, mit der immer weiter links orientierten politischen Landschaft schon besser zu erklären. Den Effekt, Gewalttaten aus dem politisch näherstehenden Spektrum eher zu tolerieren als beim politischen Gegner, gibt es schließlich links wie rechts.
Und wenn sich „Tröglitz und Frankfurt“ zu etwas eignen, dann zu einer Debatte darüber, wie in Deutschland eigentlich Politik „gemacht“ wird. Nämlich vorwiegend an den Vorstellungen der Bürger vorbei, ohne deren Verständnis geschweige denn Einverständnis sicherzustellen. Dass meine Vorlieben nicht gerade im linken Parteien- und Politiksprektrum liegen, sollte niemanden verwundern, aber offenbar ist in Deutschland nur noch wenigen Menschen klar zu machen (und das betrifft nicht nur Linke sondern auch und vor allem Liberale und Libertäre), welche Ziele mit welchen Mitteln eigentlich in Europa verfolgt werden, auf welche Art eigentlich Politik gestaltet wird. Und wenn man Umfragen glauben darf, spricht sich eine überwältigende Mehrheit der Deutschen dafür aus, Flüchtlingen in Deutschland Asyl zu gewähren. Wenn aber die Zahl abgelehnter Asylanträge weiter steigt und man sich nur sehr zaghaft an die Abschiebung abgelehnter Bewerber macht und allein die Feststellung dieses Fakts bereits mit dem Stigma des „Rechten“ versehen wird, wächst auch unter wohlmeinenden Menschen der Unmut. Kriminalität unter Migranten – mal mehr mal weniger in den Medien thematisiert – tut dann das übrige für eine aufgeheizte Stimmung, die zu einem Gott sei Dank glimpflich ausgegangenen Anschlag wie in Tröglitz (wobei noch nicht mal klar ist, wie die Hintergründe wirklich sind) oder auch zu Morddrohungen gegen Politiker führen.
Die Menschen – links wie rechts – fühlen sich von der Politik nicht mehr verstanden, in der Tat haben dann – rechte wie linke – Rattenfänger leichtes Spiel. Dieses Gefühl des Unverstandenseins und Übergangenwerdens reicht aber noch nicht aus, um vollständig die Radikalität der Proteste und Anschläge zu erklären. Dazu gehört auch eine offenbar um sich greifende Sichtweise, dass Gewalt – mindestens gegen Sachen, zunehmend aber auch gegen Menschen, jedenfalls dann, wenn sie als Teil des Problems wahrgenommen werden, wie Politiker oder Polizisten – ein legitimes Mittel des Protestes darstellt. Der Wert des Eigentums anderer Menschen, der Wert eines Menschen generell scheint nicht mehr so hoch eingeschätzt zu werden. Dass allerdings ist eine Lektion, die die Rechten von den Linken gelernt haben (ohne das Bewusstsein, dass „rechte“ Taten moralisch anders bewertet werden als „linke“). Nach einem kurzen Aufschrei nach den Tumulten und Gewaltexzessen in Frankfurt war man schnell wieder bei der Tagesordnung: Steine, die auf Polizisten geworfen werden, deren schwere Verletzungen oder gar Tod in Kauf genommen wird? Nicht so schlimm! Bürgerkriegsähnliche Verhältnisse in der deutschen Finanzmetropole? Schnell wieder vergessen!
Der Unterschied von Tröglitz und Frankfurt liegt also nicht so sehr in der Form der Gewalt, sondern in der gesellschaftlichen Rezeption der politischen Herkunft dieser Gewalt. Deutschland hat neben einem Politikproblem auch ein Extremismusproblem. Der Konsens, dass Leib und Leben, Hab und Gut des politischen Gegners tabu zu sein haben, ist in weiten Teilen – offensiv oder stillschweigend – nicht mehr vorhanden. Dass viele Medien das Spiel noch dadurch verstärken, dass sie die Sorgen der Menschen – auch die vor Flüchtlingen, die in vergleichsweise hoher Zahl (40) in einem kleinen Dorf (2.700 Einwohner) untergebracht werden sollen, auch die vor einer anonymen Finanzmacht Europa – gering achten, zeigt nur die Dramatik und vor allem die Richtung der weiteren Entwicklung auf.
Und wollen wir an dieser Stelle auch nicht unter den Tisch kehren, dass diese Entwicklung einhergeht mit der Reduktion des Glaubens auf ein Kulturchristentum, das kaum noch den Namen „Religion“ oder „Glauben“ verdient. Ein Christ – nicht nur ein solcher, der sich so nennt – tut so etwas nicht: Er zerstört nicht wahllos fremdes Eigentum, er bringt nicht Menschenleben in Gefahr! Die Aufkündigung des christlichen Grundkonsenses, der in Deutschland und in Europa um sich greift, ist vielleicht nicht der Auslöser der Entwicklungen – wir Christen müssen uns aber fragen, welchen Beitrag zur Eskalation wir durch mangelndes Zeugnis und mangelnde Evangelisation leisten. Das Thema wäre einen ausführlichen separaten Beitrag wert, der kleine Hinweis mag aber genügen um zu verhindern, einfach mit dem Finger auf andere zu zeigen.