Die AfD fordert in einem Programmentwurf ein Minarettverbot in Deutschland. Das ist in mehrfacher Hinsicht keine gute Idee.
In meiner unmittelbaren Nachbarschaft, Luftlinie vielleicht gut 200 Meter, entsteht derzeit eine neue Moschee. Das heißt, neu ist sie eigentlich nicht, es gab dort schon seit Jahren eine, die bislang eher unauffällig war, weil sie nicht mit einem Minarett oder einer Kuppel ausgestattet war, stattdessen in einer Art Lagerhalle untergebracht. Nein, das ist keine Hinterhofmoschee, die Mitglieder der islamischen Gemeinde sind gut integriert, sie hatten sich an einer vor Jahren stattfindenden Aktion zum interreligiösen Austausch beteiligt, an dem ich teilweise auch teilgenommen habe. So war ich also schon vor einiger Zeit in dieser Moschee, wurde freundlich empfangen, wir – Vertreter der katholischen, der evangelischen und einer Freikirche sowie der Bahaij und ein Atheist – haben uns dort über die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede des Glaubens ausgetauscht.Ein Ort nicht der Agitation, jedenfalls nicht soweit ich das beurteilen kann, sondern des Gebets. Ich habe dort freundliche, gläubige, auch zweifelnde und demütige Menschen getroffen. Leider ist diese Aktion des gegenseitigen Austauschs mehr oder weniger im Sande verlaufen – an den beteiligten Muslimem lag das aber nicht. Wer sich nun als Christ in einer 70er-Jahre-Betonkirche ohne wirklichem Kirchturm und innere Schönheit unwohl fühlt, der wird verstehen, dass es ganz ähnlich auch einem Moslem gehen muss, der sich in Deutschland in einer – gefühlten – Hinterhofmoschee wiederfindet. Der Wunsch nach einem der Anbetung Gottes adäquaten Gebäude ist also durchaus verständlich. Und so habe ich auch kein Problem mit der in der Nachbarschaft entstehenden Kuppel und dem Minarett, wobei ich noch nicht herausgefunden habe, ob von dort auch nun mehrmals täglich zum Gebet gerufen werden soll. Dazu kommt noch, dass der Bau aus örtlichen Spenden finanziert wird, und immer dann pausiert, wenn gerade kein Geld vorhanden ist. Die lange Bauzeit – gefühlt schon mindestens ein Jahr – bedeutet für mich, dass es offenbar kein finanzkräftiger Magnat in Saudi-Arabien ist, der hier eine Kalifatsaußenstelle errichten will: Die muslimische Gemeinde arbeitet peu a pau an ihrem Gotteshaus.
Und nun stelle ich mir die Frage, ob ich einen solchen Moscheebau, inklusive Minarett, vielleicht mit dem Ruf zum Freitagsgebet, tatsächlich verboten sehen möchte. Meine klare Antwort: Nein! Dabei sind kolportierte Äußerungen des türkischen Präsidenten wenig hilfreich, der Moscheen und Minarette als Siegessymbole des Islam und der Türkei bezeichnet. Ich weiß umgekehrt auch, dass der Islam ein sehr vom Christentum verschiedenes Gottesbild hat, der schon im Begriff der Moschee als „Ort der Niederwerfung“ zum Ausdruck kommt. Ich bin als Katholik davon überzeugt, dass es in vielen Religionen Funken der Wahrheit Gottes gibt, die volle Wahrheit sich aber nur in Jesus Christus wiederspiegelt, Heil letztendlich nur in der katholischen Kirche gefunden werden kann; alles andere überlassen wir der Barmherzigkeit Gottes. Wenn ich gefragt würde, ob ich mir wünschte, dass alle Menschen Katholiken würden, muss ich sagen: Natürlich! Aber da das nicht der Fall ist, kann ich einem Verbot eines anderen Gebetshauses, solange dort nicht Terror gepredigt wird, nichts abgewinnen.
Dazu kommt noch meine Einstellung zur Freiheit: Es gehört für mich zu einer freien Religionsausübung, auch ein dem Glauben entsprechendes Gebäude dafür nutzen zu können. Kann man ein solches als Symbol des Triumphes der eigenen Religion missbrauchen? Ja sicher, aber ist das ein Argument gegen ein solches Haus an sich? Etwas anderes ist die Frage nach den Muezzinrufen, die mancher als störend empfinden könnte – da greift man tatsächlich in das Lebensumfeld anderer Menschen ein. Gerade hier sollten wir aber als Christen auch vorsichtig agieren. Wenn beispielsweise die AfD bei ihrer Forderung nach einem Verbot damit argumentiert, dass ein Minarett oder der Muezzinruf nicht zur persönlichen Religionsausübung zwingend notwendig sei (was sicher eine gewisse Logik hat), dann ist es das Glockengeläut am Sonntag oder zum Engel des Herrn auch nicht. Vorsicht also, wenn wir als Christen einer solchen Forderung folgen, die am Ende auch gegen uns angewandt werden kann. Bei Glockengeläut und Muezzinruf – und welche anderen Methoden andere Religionen noch haben mögen – geht es also eher um einen gemeinsamen lokalen Konsens, den man mit gutem Willen erreichen kann.
Ich gebe zu, mich beunruhigt in gewisser Weise der Gedanke, dass in naher Zukunft freitags der Muezzinruf über unseren Dächern der Nachbarschaft erschallt. Ich würde unseren Kindern erklären müssen, um was es dabei geht (dabei nicht umhin kommen, mich auch mit den Inhalten zu beschäftigen), ihnen verdeutlichen, dass dort zum Gebet gerufen wird, allerdings zu einer anderen Art Gebet – und zu einem anderen Gott – als sie das kennen. Ein Minarett und der Gebetsruf fordern mich als Christen heraus, meinen Glauben selbst zu vertreten, ihn zu verbreiten, zu evangelisieren. Sie fordern mich heraus, eine eigene Sprachregelung zu finden, wie ich den Islam und seine Ausdrucksformen einschätze. Jede geschlossene Kirche und jede statt dessen eröffnete Moschee sind ein Symbol nicht des Triumphes des Islam, sondern der mangelnden Glaubens- und Evangelisierungsstärke der Christen in unserem Land. Minarette zu verbieten wird dieses Problem nicht lösen, ist dafür aber eine grobe Einschränkung von Freiheit, die ich sowohl als Christ, als auch als freiheitsliebender Mensch ablehnen muss.
Die Beunruhigung über die Verbreitung von Moscheen werden vermutlich viele Christen teilen. Machen wir aber nicht den Fehler, die Lösung in einem Verbot zu sehen. Nach dem Staat zu rufen, damit eine andere Religion behindert wird, ist höchstens ein Zeichen der eigenen Schwäche und kann sich sehr schnell gegen die eigene wenden.
akinom
Praktizierte Religionsfreiheit ist für mich nicht das Problem. Aber wie steht es mit der Landnahme, die nach meiner Kenntnis jede Moschee beinhaltet. Danach ist das Areal auf dem ein solches Gebäude steht vergleichbar mit einem Mini-Vatikan-Staat. Einmal von Muslimen erworben ist es nicht mehr deutsch und kann nicht mehr verkauft werden. Haben (nicht nur) wir da allzu lange geschlafen oder bin ich nicht richtig informiert?
Benjamin Müller
…fürwahr ein guter, lesenswerter Text – doch leider falsch.
So schreibt der Abtprimas der Benediktiner, Notker Wolf, ganz richtig: „Wenn ich an den Durchschnittsmoslem denke, für den ist Politik und Religion dasselbe. Und das zu trennen, wie wir es tun, ist für ihn Blasphemie. Der Islam ist getrieben von dem Willen, sich durchzusetzen.“
Christen und Katholiken sollten es sich daher wieder zu eigen machen, zu vermitteln, daß wahre Liebe auch klare Grenzen kennt.
Michael Moos
Eine Formulierung stört mich ein wenig: „Die muslimische Gemeinde arbeitet peu a pau an ihrem Gotteshaus.“ Hier liegt ein riesiger Unterschied zu einer Kirche. Eine Kirche ist ein Gotteshaus, denn Gott wohnt hier (vor allem da in kath. Kirchen Jesus Christus in der Eucharistie anwesend ist).
Eine Moschee ist lediglich ein Versammlungsort. Sie ist nicht dem Gebet vorbehalten und einen Gottesdienst im eigentlichen Sinn gibt es im Islam auch nicht. Für das rituelle islamische Gebet muss lediglich der Boden sauber und die Richtung nach Mekka bekannt sein. Es braucht für den Moslem keine Moschee und eine Moschee braucht kein Minarett. Das Minarett braucht nur der Gebetsrufer.
Der Ruf des Muezzins ist ganz bewusst eine Leugnung des christlichen Dreifaltigkeitsglaubens und wird in islamisch geprägten Ländern durchaus so verstanden und eingesetzt. Von daher kann dieser Ruf nicht einfach mit dem Verweis auf die Religionsfreiheit akzeptiert werden.
Somit kann das Minarett durchaus als Siegeszeichen des Islam über das Christentum gesehen werden.
Claudia Sperlich
Mich freut es, einen so unpolemischen und ausgewogenen Artikel zu diesem Thema zu lesen.
Akinom, was ein muslimischer Landkäufer denkt, ist völlig wurst. Nach deutschem Recht ist in Deutschland befindliches Land deutsch, ob das dem Käufer passt oder nicht. Kein Moslem und kein Reichsbürger kann das ändern.
Jürgen Hülf
Vielen Dank ,Herr Hohnekamp, für diesen guten Beitrag, dem ich zu 100 % zustimmen kann.
In meiner Heimatstadt Fürth gibt es die lange Nacht der Religionen zum Glück noch. In diesem Zuge war ich auch dort schon in der Moschee, einer der größten die DITIB-Moscheen Deutschlands, und wurde dort genauso freundlich und weltoffen begrüßt. Ein Minarett oder eine Kuppel gibt es dort noch nicht. Allerdings einen Muezzin-Ruf: Dafür gibt es ja heutzutage technische Möglichkeiten. Genauer habe ich mir das leider nicht erklären lassen, aber in Fürth funktioniert das über eine Art Funk. Man hat hier also einen Kompromiss gefunden. Allerdings sehe ich es genauso: Lieber höre ich auch den Muezzin rufen, als dass andere das Leuten der Kirchenglocken verbieten.
Andreas
Ich weiß nicht, kann man denn die Erfahrungen der Christen auf der ganzen Welt mit dem Islam einfach nicht beachten ?
Welche Anzeichen genau gibt es denn, das das nicht der Weg auch hierzulande sein wird, sobald sich einfach einmal die Mehrheitsverhältnisse geändert haben?
Konrad Kugler
Die eigene Schwäche hat uns ja das Dilemma eingebrockt: Der Niedergang von Protestantismus und katholischer Kirche. Wir Katholiken von heute können nur schamrot im Boden versinken, wenn wir uns an denen von 1933 messen müssen. „Nur die Kommunisten und die katholischen Parteien haben keine Stimmen verloren“; bei der entscheidenden Reichstagswahl.
Wo ist heute der Kampf gegen die extremen Parteien SPD, Grüne und DIE LINKEN? Ist man so einfältig geworden, daß man nicht mehr erkennen kann, daß die Vorgenannten Göttliches und staatliches Recht in rechtswidriges verbiegen.
Der Erzbischof Zollitsch warnt vor der AfD, Erzbischof Schick mischt im Kampf gegen rechts mit. Wo bleibt das beständige Nörgeln gegen Abtreibung, die Zerstörung von Ehe und Familie und ganz aktuell gegen Genderismus und Kinderverhunzen durch Sexualpädagogik?
Hans
„Wo bleibt das beständige Nörgeln gegen Abtreibung, die Zerstörung von Ehe und Familie und ganz aktuell gegen Genderismus und Kinderverhunzen durch Sexualpädagogik?“
Kein Nörgeln mehr, völlig richtig.
Das wird sich jedoch ändern, sobald islamische Werte hierzulande sich verbreiten. Also nicht verzagen, Einwanderung und Islam fördern, dann wird’s auch wieder besser mit Abtreibung, Homosexualität und Sexualpädagogik, Herr Kugler!
Jorge
Ein für mich beruhigender Artikel, bei der aktuellen islamfeindlichen Hysterie denkt man sonst wirklich, alle Leute hätten den Verstand verloren.
Was bei der Erklärung des Muezzinrufs an die Kinder vielleicht noch hilfreich sein kann, wäre die Aufklärung, dass das Angelusläuten der Katholiken ja auf die Initiative von Franziskus zurückgeht, nachdem dieser die Gebetsrufe der Moslems im Hl. Land kennengelernt hat. Er war von der Gottesfürchtigkeit dieser Sitte so beeindruckt, dass er in Italien etwas Ähnliches anregte, und so entstand das Angelusläuten. Habs jetzt nicht nachgeschlagen, aber wenn ich mich recht erinnere, stimmt diese Geschichte.