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Papstalarm!

23. September 2013 by Papsttreuer
Lesezeit 7 Minuten
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Ab und zu stelle ich mir das Verfahren zur Analyse päpstlicher Texte, seien es Schreiben, Predigten oder – wie gerade aktuell – ein Interview, in den Redaktionen von Spiegel, Süddeutsche, Frankfurter Rundschau etc. in etwa so vor: das Dokument geht ein, und darüber wird eine Volltextsuche laufen gelassen mit den Stichworten „Homosexualität“, „Zölibat“ und „Frauen“, vielleicht noch „Wiederverheiratung“ oder „Missbrauch“. Läuft die Suche ins Leere, wird der Beitrag ignoriert, wenn nicht, gilt es jetzt herauszufinden, ob die Aussagen des Papstes so uminterpretiert werden können, dass er nun endlich auf die linke Linie des Blattes und des Mainstreams eingeschwenkt ist – was zu einem positiven Artikel führt, in dem aber in jedem Fall der Vorgänger von Papst Franziskus schlecht wegkommen muss – oder ob er sich weiter an ewiggestrige Thesen, die dem Zeitgeist als moralischer Hauptinstanz des Chefredakteurs widersprechen, hält. Im letzteren Fall gibt es seit der Wahl von Papst Franziskus zwei Optionen: entweder wird das Thema fallengelassen oder es wird ein Beitrag, in dem verdeutlicht wird, dass der Papst eigentlich ganz anderes meine, es aber mit Rücksicht auf die Fraktion der Ewiggestrigen in der Kirche nicht so ausdrücke, was wiederum den Redaktuer veranlasst, die eigentliche Einstellung des Papstes hinter dem Thema offenzulegen. Letzteres gilt als besonders investigativ und mutig, legt man sich mit dieser Vorgehensweise doch mit den finsteren Mächten des Vatikan (vgl. Illuminati) an und muss nun jeden Augenblick damit rechnen, auf unappetitliche Weise ums Leben zu kommen.

Ähnliches passiert übrigens in meiner Vorstellung auch bei der zahlenmäßig kleineren Gruppe ultrakonservativer Papstkritiker, wie wir sie lange Zeit auf kreuz.net oder neuerdings auf katholisches.info finden: Texteingang, gleiche Volltextsuche, vielleicht noch ergänzt um Stichworte wie „Liturgie“ oder „Konzil“ und anschließend wieder Entscheidung über das weitere Vorgehen: kein Treffer führt wie bei den erstgenannten Medien zur Ignorierung des Textes. Bei einem Treffer stellt sich auch hier – mit umgekehrten Vorzeichen – die Frage, ob der Papst nun entgültig dem Modernismus anheim gefallen sei – das bringt ihm einen entsprechenden negativen Beitrag ein, je nach dem mit positiver Würdigung der Standhaftigkeit seines Vorgängers (wenn dieser in der Position nicht auch schon viel zu modernistisch war) – oder sich weiter auf dem selbst gewählten stramm konservativen Kurs befindet, wobei sich im letzteren Fall eine Berichterstattung entweder erübrigt, oder aber versucht wird, die Aussagen des Papstes in einer Weise in Frage zu stellen („Er hätte nicht sagen sollen, die Tür zum Frauenpriestertum sei geschlossen, sondern dass es da gar keine Tür gebe – vermutlich will er die Tür doch öffnen“), die ihm letztlich nachweist, der Modernist zu sein, den man in ihm schon beim „Kniefall in Rom“ direkt nach seiner Wahl gesehen hat.

Jetzt also ein Interview, das der Papst einer Gruppe von Jesuitenzeitschriften und persönlich Antonio Spadaro SJ, Direktor der Zeitschrift „La Civiltà Cattolica“ zwischen dem 19. und 29. August gegeben hat und das am vergangenen Donnerstag veröffentlicht wurde. Es ist Pater Spadaro hoch anzurechnen, dass die Gespräche nicht einfach in Form eines Frage-Antwort-Spiels wiedergegeben wurden, sondern dass er sie in einem flüssigen Text eingebettet hat, die dem Sinn der Aussagen entgegenkommen und ein Gespür für die Stimmung bei dem Terminen verschafft. Man bekommt den Eindruck eines demütigen, nachdenklichen Mannes, der sich seiner Schwächen wie seiner exponierten Position als Papst wohl bewusst ist. Wie seine bisher auf deutsch erschienen Bücher so erscheint auch dieses Interview ein Schlüssel zum Verständnis von Papst Franziskus zu sein. Als Katholik, übrigens als konservativer, fühlt man sich bei seinen Antworten verstanden, in Teilen auch herausgefordert, nie aber überfordert und vor allem nicht verurteilt. Schon die Antwort auf die erste Frage, wer Jorge Mario Bergoglio eigentlich sei, immerhin in einigen katholischen Medien zitiert, weist den Weg in das Gespräch:

Ich bin ein Sünder. Das ist die richtigste Definition. Und es ist keine Redensart, kein literarisches Genus. Ich bin ein Sünder. … Ich bin ein Sünder, den der Herr angeschaut hat.

Hier geht es nicht um eine in Interviewform gepackte Katechese oder Predigt, in diesem Gespräch geht es Papst Franziskus um ein persönliches Zeugnis. Man merkt: er möchte verstanden werden, benutzt immer wieder auch mehrere Bilder, die seinen Standpunkt verdeutlichen, sicherstellen sollen, dass seine Botschaft ankommt. Leider finden aber seine vielen kleinen Zeugnisse kaum Eingang in die Presse: Wie wunderbar er beschreibt, warum er nicht in sein Apartment im päpstlichen Palast gezogen ist („Es ist alt, geschmackvoll eingerichtet und groß, nicht luxuriös. Aber letztlich gleicht es einem umgekehrten Trichter. Es ist groß und geräumig, aber der Eingang ist wirklich schmal. Man tritt tropfenweise ein. Das ist nichts für mich. Ohne Menschen kann ich nicht leben. Ich muss mein Leben zusammen mit anderen leben.“). Seine Begründungen für den Eintritt bei den Jesuiten („Wenn man zu viel erklärt besteht die Gefahr von Missverständnissen. Die Gesellschaft Jesu kann man nur in erzählerischer Form darstellen. Nur in der Erzählung kann man die Unterscheidung anstellen, nicht aber in der philosophischen oder theologischen Darlegung, wo man diskutieren kann.“). Die Beschreibung seines Vorbilds, des seligen Peter Faber („Der Dialog mit allen, auch mit Fernstehenderen und Gegnern, die schlichte Frömmigkeit, vielleicht eine gewisse Naivität, die unmittelbare Verfügbarkeit, seine aufmerksame innere Unterscheidung, die Tatsache, dass er ein Mann großer und starker Entscheidungen und zugleich fähig war, so sanftmütig, so sanftmütig zu sein …“). Seine Beschreibung, wie man „mit der Kirche fühlen“ kann („Es ist wie bei Maria: Wenn man wissen will, wer sie ist, fragt man einen Theologen. Wenn man wissen will, wie man sie liebt, muss man das Volk fragen. … Man muss also nicht denken, dass das Verständnis des ‚Sentire cum ecclesia‘ nur an das Fühlen mit dem hierarchischen Teil der Kirche gebunden sei.“)

Dies alles und vieles mehr (ich kann nur die Lektüre des ganzen Interviews empfehlen, auch dabei immer wieder mal innezuhalten und das Gelesene zu betrachten) ging leider unter in einer Schlagzeile, die sich selbst scheinbar katholische Medien nicht verkneifen konnten: „Die Kirche verurteilt keine Homosexuellen!“ Das eigentlich überraschende daran ist, dass es offenbar eine erkleckliche Zahl Kirchenkorrespondenten gibt, auch in katholischen Medien wie katholisch.de, die vom katholischen Glauben nur eine so geringe Ahnung haben, dafür aber einen Ausgleich an Vorurteilen aufweisen, dass eine katechismuskonforme Aussage zur Sensation hochgejubelt wird. Zum besseren Verständnis wird es gut sein, den betreffenden Abschnitt ein einem größeren Kontext wieder zu geben, auch einleitende und erläuternde Abschnitte. Der Abschnitt ist dadurch ein bisschen länger aber eben notwendig, um das Gesagte richtig einzuordnen:

Ich sehe ganz klar, dass das was die Kirche heute braucht, die Fähigkeit ist, Wunden zu heilen und die Herzen der Menschen zu wärmen – Nähe und Verbundenheit. Ich sehe die Kirche wie ein Feldlazarett nach einer Schlacht. Man muss einen schwer Verwundeten nicht nach Cholesterin oder nach hohem Zucker fragen. Man muss die Wunden heilen. Dann könenn wir von allem Anderen sprechen. Die Wunden heilen, die Wunden heilen … man muss unten anfangen. …

Die Kirche hat sich manchmal in kleine Dinge einschließen lassen, in kleine Vorschriften. Die wichtigste Sache ist aber die erste Botschaft: ‚Jesus Christus hat dich gerettet!‘ Die Diener der Kirche müssen vor allem Diener der Barmherzigkeit sein. Der Beichtvater – zum Beispiel – ist immer in Gefahr, zu streng oder zu lax zu sein. Keiner von beiden ist barmherzig, denn keiner nimmt sich wirklich des Menschen an. Der Rigorist wäscht sich die Hände, denn er beschränkt sich auf das Gebot. der Laxe wäscht sich die Hände, indem er einfach sagt: ‚Das ist keine Sünde‘ – oder so ähnlich. Die Menschen müsen begleitet werden, die Wunden geheilt. …

Wir müssen das Evangelium auf allen Straßen verkünden, die frohe Nachricht vom Reich Gottes verkünden und – auch mit unserer Verkündigung – jede Form der Krankheit und Wunde pflegen. In Buenos Aires habe ich Briefe von homosexuellen Personen erhalten, die ’soziale Wunden‘ sind, denn sie fühlen sich immer von der Kirche verurteilt. Aber das will die Kirche nicht. Auf dem Rückflug von Rio de Janeiro habe ich gesagt, wenn eine homosexuelle Person guten Willen hat und Gott sucht, dann bin ich keiner, der sie verurteilt. Ich habe das gesagt, was der Katechismus erklärt. Die Religion hat das Recht, die eigene Überzeugung im Dienst des Menschen auszudrücken, aber Gott hat sie in der Schöpfung frei gemacht: Es darf keine spiritiuelle Einmischung in das persönliche Leben geben. Einmal hat mich jemand provozierend gefragt, ob ich Homosexualität billige. Ich habe mit einer anderen Frage geantwortet: ‚Sag mir: Wenn Gott eine homosexuelle Person sieht, schaut er die Tatsache mit Liebe an oder verurteilt er sie und weist sie zurück?‘ Man muss immer die Person anschauen. Wir treten hier in das Geheimnis der Person ein. Gott begleitet die Menschen durch das Leben und wir müssen sie begleiten und ausgehen von ihrer Situation. Wir müssen sie mit Barmherzigkeit begleiten. Wenn das geschieht, gibt der Heilige Geist dem Priester ein, das Richtige zu sagen. …

Das ist auch die Größe des Beichtvaters: jeden Fall für sich zu bewerten, unterscheiden zu können, was das Richtige für einen Menschen ist, der Gott und seine Gnade sucht. Der Beichtstuhl ist kein Folterinstrument sondern ein Ort der Barmherzigkeit, in dem der Herr uns anregt, das Bestmöglich zu tun. Ich denke auch an die Situation einer Frau, deren Ehe gescheitert ist, in der sie auch abgetrieben hat. Und jetzt ist sie wieder verheiratet, ist zufrieden und hat fünf Kinder. Die Abtreibung belastet sie und sie bereut wirklich. Sie will als Christin weiter gehen. Was macht der Beichtvater? …

Wir können uns nicht nur mit der Frage um die Abtreibung befassen, mit homosexuellen Ehen, mit der Verhütungsmethode. Das geht nicht. Ich habe nicht viel über diese Sachen gesprochen. Das wurde mir vorgeworfen. Aber wenn man davon spricht, muss man den Kontext beachten. Man kennt ja übrigens die Ansichten der Kirche und ich bin ein Sohn der Kirche. Aber man muss nicht endlos davon sprechen.

Dies umfangreiche und wie ich finde wundervolle Zitat sollte ausreichen, um einen Eindruck davon zu gewinnen, was der Papst meint, wenn er davon spricht, dass er Homosexuelle nicht verurteilt und wie sich diese Einschätzung in den kirchlichen Kontext der Gebote einordnen lässt. Die verkürzte Formel „Kirche verurteilt keine Homosexuellen“ – so richtig sie in ihrer Kürze auch ist, und so wenig neu wie es jeder Leser des Katechismus wissen kann – verstößt bei der „Beurteilung“ des Papstes genau gegen die vom Papst geforderte Berücksichtigung des Kontexts. Egal mit welcher Intention so eine Verkürzung verwendet wird, ob als Kritik am angeblichen Modernismus des Papstes oder als scheinbarer Kontrast zur bisherigen Kirchenlehre, sie wird der Problemlage, sagen wir es ruhig mit den Worten des Papstes, den Verwundungen der Betroffenen nicht gerecht.

Ein Lichtblick mag dabei vielleicht sein, dass der Papst die eingangs erwähnten Medien-Mechanismen sicher auch kennt. Was, wenn er auf ihnen spielt? Was, wenn er genau weiß, wie er die Themen anbringen muss, damit sie in den Medien Berücksichtigung finden? Eines muss man dem Papst lassen: er ist in den Medien präsent, der eine oder andere reibt sich an ihm, manchen meinen in ihm den ersehnten Erneuerer der Kirche zu entdecken. Wie auch immer: seine Äußerungen sind präsent und werden diskutiert. Eine Evangelisierung, die nicht die Menschen, heute auch viel über die Medien, erreicht, ist keine. Und wenn jemand die Lehre der Kirche nur deshalb annimmt und sich ihr nähert, weil sie ihm neu erscheint – immer noch besser, als wenn er sie in Unkenntnis der Inhalte ablehnt. Ich habe jedenfalls Gefallen an dem Gedanken, dass der Papst die Medien viel mehr steuert, als es ihnen bewusst ist – und hoffe, dass er auch in Zukunft immer wieder in kirchenkritischen wie der Kirche zugetanen Medien zitiert wird.

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Posted in: Allgemein Tagged: Franziskus, Interview, Medien, Papst

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