Nachdem meine letzten Beiträge ein bisschen von der Maßgabe, mich in der Fastenzeit nicht aufzuregen, abgewichen sind (O-Ton meiner Frau: Das ist aber kein Fastenzeitbeitrag!) komme ich zum Ende der Woche noch mal auf ein anderes Thema natürlich angeleitet durch das heutige Tagesevangelium (Markus 12, 28b-34). Darin fragt ein Schriftgelehrter Jesus nach den wichtigsten Geboten und ist anschließend ganz aus dem Häuschen (so interpretiere ich jedenfalls seine Reaktion), wenn Jesus sagt:
Das erste ist: Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft. Als zweites kommt hinzu: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Kein anderes Gebot ist größer als diese beiden.
Um wie viel anders klingen diese beiden Sätze der 10 Gebote als die gängigen Du sollst nicht -Themen, die wir als Christen oft vor uns hertragen. Statt nachvollziehbarer Gebote sind es (auch nachvollziehbare, aber nicht unmittelbar einleuchtende) Verbote, mit denen wir versuchen, Menschen zum Glauben zu bewegen.
Aber sind wir mal ehrlich: Du sollst nicht die Ehe brechen! Du sollst nicht falsch gegen deinen Nächsten aussagen! Du sollst nicht nach dem Haus deines Nächsten verlangen! Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen! Du sollst nicht morden! alles Dinge, die wir durchaus verstehen können, die aber eine wesentliche Grundlage brauchen, und deren Sinn vernebelt wird, wenn man diese Grundlagen nicht beachtet: Die Liebe zu Gott und die Liebe zum Nächsten!
Erst diese beiden Gebote machen heute wirklich deutlich, warum die anderen Gebote richtig und gut sind, weil die sich dann auf Gott oder den Nächsten beziehen: Mein Umgang mit dem Nächsten, mit meinem Ehepartner, meinem Nachbarn, meinem Feind, nährt sich daraus, dass ich aufgefordert bin, die Menschen zu lieben wie mich selbst und dies wiederum auf der Liebe zu Gott basiert.
Allerlei esoterische oder pseudopsychologische Ratgeber gehen mit Vorschlägen zu einem glücklichen Leben hausieren. Vom die obigen Gebote banalisierenden Ich bin okay, Du bist okay bis hin zum Vorschlag, bestimmte Gemüsesorten nur bei Voll- oder Neumond zu ernten, ist alles dabei, was Menschen so einfällt, um sich selbst vermeintlich glücklich zu machen. Lernen kann man von der oft vorhandenen Klarheit der Vorschriften: Tue dies und du wirst glücklich! Man bemerkt aber auch direkt, dass diese Techniken nur um einen selbst kreisen: Ich will glücklich werden und deshalb tue ich das, was der Therapeut oder der Guru sagt.
Ganz anders Jesus: Die beiden Protagonisten meines Handelns, das bin nicht ich, das sind Gott und meine Nächsten! Dinge zu tun oder zu lassen aus Liebe zu Gott und aus Liebe zu den Menschen, das ist der Weg, den Jesus vorschlägt, und der wie der Schriftgelehrte feststellt weit mehr [ist] als alle Brandopfer und anderen Opfer.
Dass uns diese Liebe, quasi als Nebenwirkung, auch schon in dieser Welt glücklich macht, ist ein toller Nebeneffekt, aber auch nicht mehr. Und trotzdem, warum nicht diese beiden Gebote wie Jesus an die erste Stelle der Evangelisierung setzen, anstatt mit allerhand anderen Ge- und Verboten zu winken und sich zu wundern, warum Menschen sich abwenden?