Es ist Oktober und damit auch wieder neben dem Mai ein traditioneller Rosenkranzmonat. Da dachte ich, es sei nicht schlecht, den Faden der Rosenkranzbetrachtungen liegen gelassen im Juni wieder aufzunehmen. So also hier ein paar Gedanken mit aktuellem Bezug zum schmerzhaften Rosenkranz, speziell zum Geheimnis Jesus, der für uns gegeißelt wurde.
Es gibt ein Lied von einem der wenigen erfolgreichen katholischen Lobpreissänger, Matt Maher, mit dem Titel You were on the cross ich hoffe, der englische Text ist nicht zu schwierig, ich würde ihn nur ungern übersetzen da bei Liedübersetzungen doch meist die intendierte Wirkung leidet:
Lost, everything is lost
And everything I’ve loved before is gone
Alone like the coming of the frost
And a cold winter’s chill in my stony heartAnd where were You when all that I’ve hoped for?
Where You when all that I’ve dreamed?
Came crashing down in shambles around me
You were on the crossPain, could you take away the pain?
If I find someone to blame, would it make my life seem easier?
Alone, all my friends are asleep
And I can’t find anyone to stay awake with meWhere were You when sin stole my innocence?
Where were You when I was ashamed?
Hiding in a life, I wish, I never madeYou were on the cross, my God, my God, alone, alone
You were on the cross, You died for us, alone, alone
You were on the cross, victorious, alone, aloneYou were there in all of my suffering
And You were there in doubt and in fear
I’m waiting on the dawn to reappear
Es geht letztlich darum, dass Jesus, wenn wir uns fragen, wo er in den schwersten Situationen unseres Lebens eigentlich war, in denen wir uns von ihm verlassen gefühlt haben, für uns am Kreuz war! Das Kreuz steht in dem Lied natürlich nicht für den Ort, sondern das Leiden Jesu allgemein, das er auf sich genommen hat wie im schmerzhaften Rosenkranz gebetet wird für uns! Dieses für uns geht beim Beten leicht über die Lippen, ist aber in zweifacher Hinsicht unerhört: Erstens ist es Gott, der das für uns tut, für die Menschen, die sich immer wieder von ihm abwenden, nichts mehr mit ihm zu tun haben wollen, oft genug selbst verantwortlich sind für die Leiden, vor allem die seelischen, denen sie gegenüberstehen. Zweitens ist das Leiden für jemanden hier in seiner ganzen Tragweite wiedergegeben. Seit Jesu Leiden gibt es den Zusammenhang, Leiden für jemanden auf sich zu nehmen, nicht nur im Sinne, das Leiden zu übernehmen (Schläge für jemand anderen einzustecken), sondern ein von einem anderen völlig unabhängiges Leiden für diesen zu opfern.
Eine persönliche Krankheit, einen Verlust oder ganz allgemein einen Schmerz, vielleicht aber auch ein Fasten oder ein Gebet für jemanden aufzuopfern ist seither nicht nur möglich sondern sogar naheliegend. Es gibt persönlichem Leiden einen Sinn, wenn man es vor Gott für jemanden oder etwas aufopfert man sich für jemanden im übertragenen Sinn geißeln lässt.
So schön der Gedanke vielleicht scheint: wie geht man mit ihm angesichts ungerechtfertigten Leidens in dieser Welt um? Es gibt davon viele, aber zwei Beispiele des Leidens von Menschen wurden uns gerade plastisch vor Augen geführt: der Schiffbruch eines Flüchtlingsbootes vor dem italienischen Lampedusa und die Geiselnahme im kenianischen Nairobi:
Vor Lampedusa starben mehr als 130 Menschen, weil ihr Boot in Brand geriet, mit dem sie nach Europa flüchten wollten, darunter offenbar auch viele Kinder (Focus-online berichtet gestern Abend unter dem Titel Wir brauchen keine Krankenwagen mehr, sondern Särge). Man ist versucht, diese Katastrophe einer Verkettung von unglücklichen Zufällen zuzuschreiben und die Flüchtlingsproblematik allgemein in den Verantwortungsbereich der hohen Politik zu schieben. Aber es bleibt neben dem unbestimmten Gefühl, dass wir uns als wohlhabende Europäer damit ein bisschen zu leicht aus der Affäre stehlen auch die Frage: wo ist Gott in solchen Momenten?
In Kenia wurden Menschen gefoltert und umgebracht , das ganze auf bestialische Weise (einen Bericht liefert der Focus, den ich aber zartbesaiteten Zeitgenossen kaum empfehlen kann, wird doch plastisch das Leiden der Opfer beschrieben). Wenn ich ehrlich bin, überkam mich beim Lesen des Berichts unbändige Wut! Es fiel und fällt mir weiterhin schwer, für diese Terroristen den Begriff Menschen zu wählen, haben sie sich doch schlimmer aufgeführt, als man es von den grausamsten Tieren kennt. Aber diese Wut, die einen überkommen kann, nicht nur in diesem Fall sondern in vielen Fällen, in denen Menschen anderen Menschen etwas antun, sie hilft nicht. Sie wird nicht gestillt, kann nicht gestillt werden, nicht durch Rache, nicht durch Strafe
Aber man fragt sich auch hier: Wo war Gott bei alldem? Kann man diesem Leiden einen Sinn geben? Wo ist Gott, wenn Geiselnehmer Männer, Frauen, kleine Kinder folterten und töteten? Wo ist Gott, wenn Kinder vergewaltigt werden? Wo ist Gott in den Flüchtlingscamps dieser Welt, in den Bürgerkriegsregionen in denen unschuldige Zivilisten leiden? Wo ist Gott, wenn ein Diktator oder eine Guerilla Giftgas einsetzt und Menschen elendig verrecken?
Er ist am Kreuz! Er leidet für uns, er hat all dieses Leiden bereits erlebt für uns! Das ist ohne Glauben nicht zu verstehen, kann nur im Glauben Trost spenden, denjenigen die leiden genau so wie denjenigen, die mitleiden. Wer nicht glaubt, wird diesen Gedanken von sich weisen, ihn vielleicht sogar zynisch oder als Opium für das Volk empfinden. Wer aber glaubt, der weiß sich in seinem Leiden an der Seite Jesu. Er ist nicht allein in seinem Leiden, mindestens Jesus ist bei ihm, wird mit ihm gefoltert kann sein Leiden vielleicht sogar aufopfern. Das ist nichts, was man einem Menschen vorschreiben kann, dann würde es in der Tat zynisch, aber Wohl den Menschen, die das so sehen können. Vielleicht gelingt es so auch, sich Verantwortlichen und Tätern wie in Kenia wieder anzunähern, sie nicht als Bestien zu sehen, sondern als irregeleiteten Menschen. Vermutlich nicht von heute auf morgen, aber auf lange Sicht muss das wohl das Ziel sein damit das Leiden Jesu nicht umsonst war.
Claudia Sperlich
Dank für diesen Artikel.
Mir ist der schmerzhafte Rosenkranz zur Zeit – aus anderen Gründen – besonders wichtig.
Das „Aufopfern“ eigener Leiden verstehe ich nicht recht. Alles andere in diesem Artikel leuchtet mir unbedingt ein – und besonders der bewegende Liedtext.