Ich bin wirklich kein Fan von innovativer Liturgie in der Heiligen Messe. Trotzdem kann man mich auch positiv überraschen.
Ein paar Tagen ausspannen standen auf dem Programm, frische Seeluft an der Nordsee tanken, Zeit mit den Kindern verbringen. Daher rühren meine offline-Tage um das letzte Wochenende, und ich muss sagen: Es hat sich gelohnt! Soviel „außerhalb der Saison“ war in Bensersiel wohl selten, viele Restaurants noch geschlossen, Spielplätze und Strand oft für uns allein, man konnte fast befürchten, es würden langweilige Tage – aber wer mit sich und seiner Familie auskommt (und auch mal ein paar Tage faktisch „ohne Empfang“), für den sind solche Tage ein wahres Geschenk.
Wie bei allen Urlaubstagen stellt sich aber die Frage, wie man zu einer Sonntagsmesse kommt, noch dazu in der norddeutschen Diaspora. Mitunter muss man da schon mal Fahrtstrecken in Kauf nehmen; von einem vorherigen Aufenthalt wussten wir allerdings von der Kirche St. Willehad in Esens, Sonntagsmesse um 10:00 Uhr, an diesem Sonntag mit „Familienmesse“. Bei Familienmessen liegen die Erwartungen schon mal nicht so hoch, trotzdem war ich bei Betreten der Kirche zunächst erschrocken: Der ganze Altarraum (inklusive Altar) bevölkert mit Stofftieren: Bären, Hasen, Füchs, alles, was Steiff und Co. so hergeben. Und hier wird also eine Messe gefeiert?
Ich gebe zu, ich bin bei sowas ein echter „Muffelkopp“, für Stofftiere auf dem Altar habe ich auch bei Familien- und Kindermessen kein Verständnis. Was aber dann kam, hat mich doch überrascht und bestand in der Kinderkatechese zum Evangelium vom vergangenen Sonntag (Johannes 2,13-25), der Tempelreinigung: Was hat Jesus da gemacht? Wo hat er das gemacht – und vor allem, warum? Und das Fazit in Kürze: Der Jerusalemer Tempel war voll von Menschen, die gerne beten, mit Gott sprechen, sich ihm nähern wollten … und er war voll von Tieren, Marktständen und Geschäftigkeiten, die von Gott ablenken! Und Jesus hat dort aufgeräumt, den Blick wieder frei gemacht für Gott, aus einer „Markthalle“ wieder ein Haus des Gebets gemacht.
Und nun, was hat das mit den Stofftieren zu tun? Die sind natürlich bei den Kindern beliebt, mancher mag sich gefreut haben, sie im Altarraum zu sehen, man kann mit ihnen spielen und kuscheln, aber in der Kirche … da lenken solche Stofftiere von Gott ab! Also, was würde Jesus tun, was können wir tun, um den Blick auf Gott wieder frei zu räumen? Eben: Aufräumen!
Daher die Aufforderung, alles aus dem Altarraum zu entfernen, „was hier nicht hingehört“ – und die Kinder sammelten also schnell die Stofftiere ein und ruckzuck sah der Altarraum wieder aus wie er es (zugegeben in einer modernen Kirche) sollte.
Ich bin noch immer nicht sicher, ob ein solches Vorgehen der Liturgie wirklich angemessen ist, ich mag lieber nicht in ein Messbuch schauen und feststellen, dass alleine die Vorstellung von Kindern, die im Altarraum umherrennen um spielerisch Stofftiere einzusammeln, gegen zig Rubriken verstößt. Und trotzdem: Die Kinder haben an dem Morgen sicher etwas gelernt, wissen jetzt – und haben ein Gespür vermittelt bekommen – was einer Kirche, einem Raum des Gottesdienstes angemessen ist. Es ging in der Katechese – passend zu Lesung aus dem Alten Testament (Exodus 20,1-17) zu den Zehn Geboten – auch noch um die Liebe zu Gott und die Liebe zu den Menschen, das ganze fand also nicht in einem Raum des Erlernens von Regeln sondern der Priorität der Liebe zu Gott und den Nächsten statt. Mehr als man es durch Verbote erreichen kann, glaube ich haben die Kinder verstanden, worum es in der Messe geht und warum Ablenkendes nicht dorthin gehört.
Und ich habe gelernt, mich nicht direkt aufzuregen, wenn ich im Kirchenraum etwas entdecke, was mir nicht adäquat erscheint. Ich nehme an, auch wenn Jesus die Händler mit aller Gewalt aus dem Tempel geworfen hat, hätte er es Kindern auch nicht wesentlich anders erklärt, als man es in dieser Pfarrei getan hat.