Warum ich auch noch über Böhmermann schreibe? Weil ich eines bisher noch nicht gelesen habe: Er ist ein Flegel!
Eigentlich müsste ich jetzt mindestens ein Gedicht über einen mir unliebsamen Staatsmann, einen mir nicht genehmen Kabarettisten oder unsere Regierung verfassen. Der Text müsste beleidigend sein, mindestens hart an der Grenze zur Strafbarkeit – Schenkelklopfen des buchstäblichen kleinen Mannes auf der Straße (sprich: „Hohoho, der traut sich aber was!“) würde zum Mindestmaß gehören, was an Reaktionen erwartet werden muss. Damit würde ich mich im Rahmen dessen bewegen, was sich derzeit um die Causa Böhmermann so tut: Der ist hart an die Grenze dessen gegangen, was man hierzulande als erträglich ansieht, auch wenn sein Schmähtext aufgrund des Kontextes nicht strafrechtlich relevant sein sollte. Lustig kann das Gedicht wohl nur jemand finden, der die Stufe des Pennälerhumors nie verlassen hat. Ob nun einfach aus dem Grund, dass es sich bei dem Geschmähten um ein Regierungsmitglied einer anderen Nation handelt, daraus eine derartige Staatsaffäre gemacht werden muss, dass sich auch der letzte Kommentator dazu aufgefordert fühlt, für oder gegen Böhmermann Partei zu ergreifen … man kann das in Frage stellen.Natürlich kann man den Fall auch zu einer Frage der Meinungsfreiheit machen – zu Recht: Beleidigungen sind nie besonders schön, aber was hat ein Potentat wie Erdogan da eigentlich zu kamellen? Mittlerweile habe ich gelernt, dass es einen § 103 StGB gibt, der Staatsmänner vor Beleidigungen besonders schützen soll. Man kann auch in Frage stellen, ob man so einen Paragrafen braucht, aber was die Kriterien für eine strafberwehrte Beleidigung angeht, täte ich die – gerade bei Politikern, bei denen man hinter einer solchen Beleidigung noch am ehesten eine verkappte Meinung vermuten darf – besonders eng stecken. So jemand sollte mehr aushalten, als Lieschen Müller von nebenan, die von einer anderen Nachbarin angegangen und über Beleidigungen gemobbt wird. Die Einmischung unserer Bundeskanzlerin war insofern mindestens mal unglücklich und ist wohl dem Fakt geschuldet, dass man die Türkei als „Partner“ in der Flüchtlingskrise gewählt hat. Wie so eine Partnerschaft aussieht, wenn schon wegen eines weniger beleidigenden Liedes der Botschafter einbestellt wird … auch das kann man in Frage stellen.
Sollte es also wirklich zu einer Anklage und zu einer Verurteilung von Jan Böhmermann kommen: Deutschland könnte sich das Attribut der Meinungsfreiheit gleich selbst aberkennen. Dass unser Justizminister hart daran arbeitet, dass alles, was ihm politisch nicht ins Konzept passt, im Zweifel als beleidigend oder als Hasskommentar bewertet werden soll, passt da genau so ins Bild wie seine Bestrebungen, seinen Mitbürgern nun endlich den Sexismus auszutreiben und entsprechende Werbung verbieten und damit am Ende unter Strafe stellen zu wollen. So geht Freiheit den Bach runter!
Das was da oben steht, werden Sie aber vermutlich schon an anderer Stelle in einer ähnlichen Form gelesen haben. Von meinem Kommentar in der Sache hängt das Heil der Welt also wahrlich nicht ab. Der Einstieg war aber wichtig, um zu einem anderen Punkt zu kommen. Denn auch wenn ich der Ansicht bin, dass Böhmermann und Co. das Recht haben sollten, jeden Staatsmann zu beleidigen, vor allem in der beschriebenen Form, stelle ich mir andererseits die Frage: Muss ich jemanden beleidigen, nur weil ich das darf? Freiheitlichkeit bedeutet auch, dass alles, was nicht verboten ist, erlaubt ist. Eine Umkehrung – „im Zweifel verboten“ – würde jede Freiheitlichkeit auf den Kopf stellen. Im Zweifel sollte – so mein Grundsatz – alles erlaubt sein, verboten nur das, was der Freiheit eines anderen schadet. Das heißt aber nicht, dass es man verpflichtet ist, jede Beleidigung, die nicht verboten ist, auch auszusprechen.
Die Methode Böhmermann ist nicht gerade die der feinen Art. Sie erinnert mich eher an die kindischen Jungs, die sich vor andere stellen und so tun, als würden sie sie schlagen wollen, bis die so genervt sind, dass sie selbst zuschlagen. Wer hat dann zuerst zugeschlagen: Natürlich der bisher unbescholtene Junge, der sich nicht mehr anders zu helfen wusste. Ich weiß schon, der Vergleich hinkt, Erdogan ist alles andere als unbescholten, seine Vorstellungen zur Rechtsstaatlichkeit sind – sagen wir mal – interessant; dass man überhaupt in Erwägung zieht, einen Staat unter der Führung dieses Möchtegernpotentaten als Partner zu wählen, hängt eher an politischen Zwangslagen denn an echter Überzeugung – auch wenn man das ihm gegenüber natürlich nicht so zum Ausdruck bringen möchte. Wenn also Erdogan verbal „auf die Fresse“ kriegt, hält sich mein Mitleid in sehr engen Grenzen.
Trotzdem kann ich dem Schmähtext, auch in der rechtlich abgesichert vorgetragenen Form, nichts abgewinnen. Der eine oder andere versucht, die Böhmermann-Performance zur Satire hochzustilisieren, aber das ist sie nicht: Es ist der Text eines Flegels, der der Ansicht war, er könne gefahrlos auf diese Art und Weise austeilen. Wäre das gelungen, hätte Erdogan das einfach ausgesessen und die Kanzlerin nicht reagiert, man hätte es unter „Gratismut“ abgehakt: Gegen Erdogan zu keilen braucht es hierzulande wirklich nicht viel Mut. Jetzt droht ihm diese Taktik um die Ohren zu fliegen und ich kann mich einer gewissen Belustigung auch hierüber nicht ganz frei sprechen.
Nein, ich bin nicht der Meinung, dass Böhmermann verurteilt gehört, und wenn es hierzulande Gesetze gibt, die eine solche Verurteilung ermöglichen, gehören die abgeschafft. Aber, um im Bild von eben zu bleiben: Wenn der Provokateur mit seinen angedeuteten Schlägen gehörig eine abbekommt, gefällt mir das in Summe besser, als wenn nur der Provozierte am Pranger steht. Ich fürchte, Jan Böhmermann wird hinsichtlich Stil nicht viel aus dem Geschehen lernen, vor allem deshalb nicht, weil hoffentlich niemand auf den Gedanken kommt, ihn wirklich wegen sowas ins Gefängnis zu stecken. Aber wir alle, die wir uns als Christen oder als Bewahrer christlicher Werte verstehen, sollten Abstand nehmen von solchen schmierigen Tricks, wie sie Böhmermann hier angewandt hat. Erdogan bietet genügend sachgerechte Angriffsfläche für eine politische wie auch eine satirische Auseinandersetzung. Solche getarnten Beleidigungen gehören sich einfach nicht, egal gegen sie sich richten.
Marco Gallina
Kein Mitleid für Böhmermann. Da wollte sich jemand profilieren und nutzte dafür alles aus, was möglich war. Gegen die AfD und die Dunkeldeutschen konnte er beleidigen wie er wollte. Dass sich mal jemand wehrt, das konnte „Böhmi“, der von allen Feuilletons der Republik hochgejubelt wurde, obwohl ihm nur durchschnittlich 200.000 Zuschauer folgen, damit konnte man ja nicht rechnen. Dennoch als Speerspitze der Quantitätsmedien gefeiert.
Gegenfrage: wäre das Gedicht nicht gegen Erdogan, sondern einen anderen Staatsmann gerichtet gewesen, machte es dann die Sache besser?
An die Türkei ausliefern würde ich den Knaben trotzdem nicht – wenn auch nur aus Gründen staatlicher Souveränität. Das Verhalten der Ikone der Wahren und Guten ist nämlich ein ziemliches Würstchen, wenn man sich seine Reaktionen ansieht. Zuerst bettelt er bei Kanzleramtschef Altmaier, dann bleibt er dem Grimme-Preis fern, jetzt sagt er die eigene Sendung ab. Charakterlich erbärmlich. Da hat jemand zu lange im goldenen Käfig gelebt und merkt, dass für ihn dieselben Regeln gelten wie für andere auch.
Dass bei Böhemrmann nämlich oft Satire nur benutzt wird, um die eigene Meinung zu decken und zu verschleiern, hat er oft genug bewiesen. Bestes Beispiel „Be Deutsch“. Wenn Sie nicht wissen, was gemeint ist, schauen Sie mal hier:
http://www.marcogallina.de/2016/04/03/dr-boehmermann-oder-wie-ich-lernte-carl-schmitt-zu-lieben/
Dieter Schrader
Die Art und Weise wie Herr Böhmermann seine sicher berechtigte Kritik an Herrn Erdogan artikuliert hat ist m.E. perfide und keineswegs angemessen. Es erinnert mich an einen Vorfall in Hannover, als ein Fahrgast in der Straßenbahn mit einem T-Shirt erschien mit dem Aufdruck: Ich fahre schwarz! Und es dann auch tatsächlich tat. Bei einer Kontrolle berief er sich darauf, daß er ja ganz offen erklärt habe,daß er schwarz fahre, und er das Bußgeld nicht zu zahlen habe. Zum Glück hat ihm das AG Hannover diese Art der Selbstdarstellung nicht durchgehen lassen und ihn verurteilt. Daran dachte ich als ich die fadenscheinige Begründung von Herrn B. für seine Beleidigungen las.( und das waren sie ohne Zweifel).Den Aufschrei der durch manche Zeitungen geht verstehe ich überhaupt nicht. Wir haben uns leider an die Verächtlichmachung von Christen fast schon gewöhnt -vom lieben Gott ganz zu schweigen. Aber der wird auf Seine Weise reagieren und sicher wirkungsvoller. Herrn B.wünsche ich nur, daß er selber mal Opfer einer solchen Medienattacke wird. Vielleicht wird er dann in seiner Wortwahl etwas vorsichtiger. Wie gesagt auch Herr Erdogan hat ein Recht darauf sachlich und fair kritisiert zu werden.
Lehrer Lämpel
Sie sprechen mir aus dem Herzen, Dieter Schrader:
Das waren übelste Beleidigungen von Jan Böhmermann – und zwar nicht im kleinen Kreis sondern im öffentlich-rechtlichen Fernsehen vor einem zig Millionen umfassenden Publikum!
Ich habe dafür überhaupt kein Verständnis, auch nicht das leiseste, sondern bin empört, dass solcher Dreck u.a. auch mit meinen Gebühren öffentlich verbreitet wurde.
Auch ein Recep Erdogan, der mir persönlich nicht sonderlich sympathisch ist, hat gewisse Persönlichkeitsrechte und braucht sich nicht öffentlich in den Dreck ziehen zu lassen, indem er im Gossenjargon als Homosexueller, Pädophiler und Sodomist bezeichnet wurde (wenn man den entspr. Zitaten aus dem Böhmermann-Schmähgedichts in der Sendung „Anne Will“ glauben darf)!
Sorry, lieber Herr Honekamp, aber mir ist es schleierhaft, wie Sie als bekennender katholischer Christ hier noch irgendwelche Entschuldigungen finden und im Fall Böhmermann-Schmähgedicht das Recht auf Meinungsfreiheit bemühen.
Ich finde, der Fall gehört seitens der Justiz untersucht und bewertet.
Ich hoffe, dass hier auch mal einem Provokateur die Grenzen aufgezeigt werden um der fortschreitenden Verrohung der Sitten in den Medien durch sog. Satiriker vielleicht doch noch Einhalt zu gebieten.
Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass sich Böhmermann im Fall einer Verurteilung als Opfer darstellt – zuzutrauen wäre es ihm jedenfalls.
Claudia Sperlich
Darf man von Erdogan sagen, er sei ein Rechtsbrecher, ein Tyrann, ein Kriegstreiber, ein Frauen-, Christen-, Kurden-, Juden- und Nochallerleianderemenschen-Feind?
Ja. Das alles läßt sich belegen. Man darf es als Satiriker sogar ein wenig überspitzt darstellen. Satire darf die Wahrheit karikieren.
Darf man von ihm sagen, er habe zoophile Neigungen und lebe die auch aus?
Nein, jedenfalls nicht, solange das nicht eindeutig belegt ist. (Ist es nicht.) Man darf es auch als Satiriker nicht. Ein Satiriker darf genauso wenig lügen wie jeder andere Mensch auch.
akinom
„Erdogan bietet genügend sachgerechte Angriffsfläche für eine politische wie auch eine satirische Auseinandersetzung. Solche getarnten Beleidigungen gehören sich einfach nicht, egal gegen sie sich richten.“
Solche „sachgerechten Angriffsflächen“ Erdogans hat der Leserbriefschreiber Dr. med. Christian Rapp, Bocholt ,in der heutigen Dülmener Zeitung (DZ) aufgelistet. Ich zitiere:
„Im April 1998 wurde Erdogan vom Staatssicherheitsgericht Diyarbakur wegen Missbrauchs der Grundrechte und -freiheiten gemäß Artikel 14 der türkischen verfassung nach Artikel 312/2 des damaligen türkischen Strafgesetzbuches (Aufstachelung zur Feindschaft auf Grund von Klasse, Rasse, Religion, Sekte oder regionalen Unterschieden) zu zehn Monaten Gefängnis und lebenslangem Politikverbot verurteilt. Anlass war eine Rede (…) in der er aus einem religiösen Gedicht (…) zitiert hatte: ‚Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteien, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten.‘ Wenn Frau Merkel ein politisches Rückgrat hat, muss sie es jetzt zeigen. Deutschland verkommt allmählich zu einer schlechten Blaupause einer erpresserischen Bananenrepublik. Wenn Böhmermann (wegen der satirisch getarnten Beleidigungen) verurteilt wird, ist der Rechtsstaat vollends verloren.“
Lehrer Lämpel
Ich zitiere Malte Fischer auf „Achse des Guten“:
„Es gibt tausend bessere und wichtigere Gründe, Erdogan zu kritisieren als ausgerechnet dafür dass er sich von einem deutschen Fernsehheini nicht Ziegenficker nennen lassen will.“
Und trotzdem sollte selbst ein wg. Vergehen Verurteilter nicht quasi öffentlich vogelfrei für über Massenmedien verbreitete Beleidigungen sein.
Und selbstverständlich hat auch er das Recht, sich dagegen mit rechtsstaalichen Mitteln zu wehren.