Der PAPSTTREUEBLOG ist mal angetreten, den Papst – seinerzeit Papst Benedikt XVI. – zu verteidigen. Dabei bleibt es, es wird aber nicht leichter.
Erst kürzlich durfte ich einen kleinen Vortrag mit anschließender Diskussion zum Thema „Medienkompetenz für Katholiken“ halten. Die Teilnehmer waren wohlgesonnen und fernab von Polemiken. Doch wenn man darauf hinweist, dass man den Papst sowohl vor ungerechtfertigten Angriffen als auch vor falschen Lobhudeleien in Schutz nehmen muss, dann schlägt einem auch unter guten Katholiken schon mal eine gehörige Portion Skepsis entgegen.Papst Franziskus verscherzt es sich mit seiner Art mit vielen glaubenstreuen Christen, die sich durch ihn angegriffen fühlen und es manchmal wohl auch sind. Mein Beispiel im Vortrag war das „Karnickelgate“: der Hinweis des Papstes in einem Interview, Katholiken müssten sich hinsichtlich der Fortpflanzung auch nicht verhalten wie Kaninchen. Was er meinte, und im Zusammenhang wird das deutlich, ist ein Plädoyer für eine verantwortliche Elternschaft, die auch die eigene Leistungsfähigkeit und gesundheitliche Situation in Betracht zieht. Das allerdings ist keine Schlagzeile … „Papst Franziskus: Katholiken müssen sich nicht vermehren wie die Karnickel“ dagegen schon.
Kontext und Medienkompetenz
Man kann sich darüber aufregen, in welcher Weise der Papst, wie auch schon sein Vorgänger, von Interessengruppen innerhalb und außerhalb der Kirche instrumentalisiert und nicht selten aus dem Zusammenhang gerissen zitiert wird. Das gehört aber zum „Spiel“ dazu, und so tut man gut daran, wenn der Papst oder ein anderer Kirchenvertreter mal wieder wegen einer Aussage kritisiert wird, den Gesamtkontext zu recherchieren. Gleiches gilt dann übrigens für unerwartete Rückendeckung: Wenn der „Spiegel“ den Papst lobt könnte was faul sein an der Geschichte.
Man darf aber auch von einem hochrangigen Kirchenvertreter – und höher als den Papst haben wir unter den irdischen Menschen nicht – auch erwarten, seine Aussagen im Vorhinein abzuklopfen auf ihre mögliche Wirkung. Dazu stehen in aller Regel Berater zur Verfügung – zur eigenen Kompetenz gehört es dann, einen Rat auch mal in den Wind zu schlagen, aber berücksichtigen sollte man die Hinweise seines Teams schon. Von Papst Franziskus wird kolportiert, dass er sich gegenüber der Kurie ausbedungen habe, ab dem frühen Nachmittag machen zu können, was er gerne möchte. Zu dem Zeitpunkt treten dann den Kurienvertretern Schweißperlen auf die Stirn, weil sie nicht wissen, mit wem der Papst nun über was redet, welches Interview er zu welchem Thema gibt und welche spontane Aussage sie morgen von ihm in der Zeitung lesen werden, die sie dann zu verteidigen, zu erläutern und im Notfall zu relativieren haben.
„Flüchtlingslager sind Konzentrationslager“?
Denn mit Themen wie den „Kaninchen“ haben die Vatikanvertreter ihre Erfahrungen gemacht: Eine solche Formulierung, auch wenn sie aus dem Zusammenhang gerissen wurde, wäre Papst Benedikt nicht mal nachts um drei unter Drogeneinfluss über die Lippen gekommen. Und wohl auch nicht der aktuelle Vergleich der Flüchtlingslager in Italien und Griechenland mit „Konzentrationslagern“. In einem Gottesdienst zum Gedenken an die Märtyrer des 20. und 21. Jahrhunderts zeigte sich der Papst betroffen über die Zustände in diesen Auffanglagern, die für viele Migranten und Flüchtlinge eine erste Anlaufstelle nach Europa darstellen aber auch einen großen Unsicherheitsfaktor: Wird man von da aus Europa, das gelobte Land, erreichen? Schickt man mich wieder zurück?
Das alles mit Menschen, die in ihrer eigentlichen Heimat nicht selten traumatische Erlebnisse gemacht haben (nicht alle, aber eben doch viele). Und vor diesem Hintergrund und – auch das ist zum Verständnis wichtig – nachdem Karl Schneider über das Schicksal seines Vaters, des protestantischen Pfarrers Paul Schneider, der im KZ Buchenwald ermordet worden war, berichtet hat, beschreibt der Papst diese Lager so: „Die Flüchtlingslager sind Konzentrationslager wegen der Menschenmassen, die dort leben. Und die großzügigen Völker, die sie aufnehmen, müssen auch dieses Gewicht tragen, weil internationale Vereinbarungen wichtiger erscheinen als Menschenrechte.“
Fehlerhafte Vergleiche
Wenn ich ehrlich bin: An diesen Äußerungen ist nicht nur der Vergleich bzw. die Gleichsetzung der Flüchtlingslager mit Konzentrationslagern fehlerhaft. Denn in der Tat sind internationale Vereinbarungen die Grundlage des Zusammenlebens in Europa und in der Welt. Da gilt es humanitär zu helfen, aber auch abzuwägen, was für die Menschen in den Lagern aber auch für die Menschen im eigenen Land, tragfähig erscheint. Wer sich dabei mit Ruhm bekleckert und wer eher nicht werden irgendwann die Geschichtsbücher entscheiden, aber internationale Vereinbarungen zur Flüchtlingspolitik gegen Menschenrechte in Stellung zu bringen, ist kaum sachgerecht.
Und natürlich sind diese „Lager zur konzentrierten Aufnahme von Flüchtlingen“ – was man mit „Konzentrationslager“ abkürzen könnte – etwas ganz anderes als die KZs im dritten Reich oder in der ehemaligen Sowjetunion oder heute noch in Nordkorea. Diese Lager dienten lediglich dem Zweck der massenhaften Vernichtung von Menschen, die Lager in Lesbos oder Lampedusa sind, auch wenn die Verhältnisse dort erschreckend sein mögen, der Versuch zu helfen. Die schiere Masse von Menschen macht ein Lager nicht zu einem KZ, wie es der Papst hier offenbar andeutet.
Guter Wille kann nicht vorausgesetzt werden
Vor einiger Zeit wurden zentrale Auffanglager für Flüchtlinge in Deutschland mit der Begründung abgelehnt, in Deutschland dürften keine Konzentrationslager entstehen. Diese Formulierung war damals – bei vielen, nicht allen – durchaus opportun, und es gehört schon ein gerütteltes Maß an Heuchelei dazu, den fehlerhaften Vergleich des Papstes heute zu skandalisieren. Eine vernünftige Stimme von Betroffenen hört man dazu vom Internationalen Auschwitz-Komitee, das die Überlebenden dieses KZs repräsentiert. Ein Vertreter dieses Komitees, Christoph Heubner, wird damit zitiert, dass er die Wortwahl nicht empörend empfindet. Papst Franziskus habe es „in guter Absicht“ gesagt; er überzeichne, um Herzen in Bewegung zu bringen. Das sei „legitim“.
So also kann man das sehen, und doch wollen es viele so nicht sehen. KZ-Vergleiche werden dabei in Deutschland historisch berechtigt noch mal anders bewertet als im Rest der Welt. Überall auf der Welt, auch in Italien, auch in Südamerika, steht der Begriff Konzentrationslager heute synonym für die Vernichtungslager in Hitler-Deutschland und den damals besetzten Gebieten. Das kann der Papst wissen, das muss er wissen, und das muss er berücksichtigen. Der Papst darf nicht davon ausgehen, dass man ihn schon wohlwollend interpretieren wird, und ich bin der Überzeugung, er darf seine Leute, seien sie in der Kurie oder kleine Blogger, die zu seiner Verteidigung angetreten sind, nicht dazu zwingen, derartige Formulierungen zu rechtfertigen.
Verteidigung ja – aber nicht alles
Papst Franziskus ist natürlich nicht dumm: Er weiß was ein Konzentrationslager ist, und was mit dem Begriff verbunden wird. Er weiß, dass die Flüchtlingslager nichts dergleichen darstellen, in ihnen keine Vernichtung geplant wird, Menschen nicht organisiert ermordet werden. Deswegen interpretiere ich seine Aussage eher vor dem Hintergrund der drastischen Bilder, die er von seinen Besuchen dort vor Augen haben mag. Aber der Papst kann nicht davon ausgehen, dass das jeder so tut und ich empfinde die stellenweise Empörung über den KZ-Vergleich durchaus als legitim. Ich werde an dieser Stelle weiterhin den Papst verteidigen, aber auch nur dann, wenn diese Verteidigung sinnvoll möglich ist. Der Papst mag also hier Gutes im Sinn gehabt haben – aber das reicht nicht. Die Gleichsetzung der Flüchtlingscamps mit KZs ist nicht zu rechtfertigen.
Karla
Wie schreibt die KZ-Überlebende Ruth Klüger in ihrer Autobiographie:
Ängstliches Abgrenzen gegen mögliche Vergleiche, bestehen auf der Einmaligkeit des Verbrechens. Nie wieder soll es geschehen.Dasselbe geschieht sowieso nicht zweimal, insofern ist alles Geschehen einmalig. Abgekapselte Monaden wären wir, gäbe es nicht den Vergleich und die Unterscheidung, Brücken von Einmaligkeit zu Einmaligkeit. Im Grunde wissen wir alle, Juden wie Christen: Teile dessen, was in den KZs geschah, wiederholt sich vielerorts, heute und gestern, und die KZs waren nur Nachahmungen (freilich einmalige Nachahmungen) von Vorgestrigem.
Warum lässt die Jüdin Vergleiche mit den KZs zu? Weil sie der Ansicht ist, dass man nur so aus der Geschichte lernen kann und ähnliche Entwicklungen schon im Keime ersticken kann. Die Flüchtlingslager sind noch keine KZs, aber Teile davon (Konzentration von bestimmten Menschen, mit bestimmter Religion oder Herkunft; verheerende Lebensumstände etc.), sind in diesem Teilbereich mit einem KZ vergleichbar. Die Nazis begannen auch mit Ghettos, dann kamen die Arbeitslager und dann die Vernichtungslager. Der Papst sieht die drohende Gefahr, was aus der europäischen Flüchtlingspolitik (die rechtspopulistische Entwicklung wird das Problem verschärfen) wird, die Toten nehmen zu, tagtäglich sterben Flüchtlinge in Lagern, auf dem Meer, unterwegs. Und wir lassen das zu, wir haben die Situation in den Heimatländern zT mitzuverantworten. Der Papst ist einer der wenigen öffentlichen Stimmen mit Gewicht, die das sagen. Sein Vokabular ist absolut adäquat, weil es provoziert. Endlich ist in Rom Schluss mit theologischem-theoretischem Gerede, Franziskus spricht die Dinge, die wirklich wichtig sind an, er fordert auf zu handeln. Ich bin sehr stolz auf diesen Papst!
Gerd
Der Vergleich eines Flüchtlingslagers mit einem Konzentrationslager, so wie es der überwiegende Teil der Bevölkerung versteht, ist völlig daneben. Bei Wikipedia liest man die gängige Interpretation so: „Die Konzentrationslager des Deutschen Reichs wurden nach dem Zweiten Weltkrieg die bekanntesten, sie wurden weltweit zum Schlagwort, in ihnen fand die von den Nationalsozialisten angestrebte Judenvernichtung statt.“ In Flüchtlingslagern herrschen oft inhumane Verhältnisse, die gibt es allerdings in sozialen Brennpunkten z.B. in Großstädten genauso. Niemand käme auf die Idee Duisburg Marxloh oder Berlin Kreuzberg als Konzentrationslager zu bezeichnen. Ich verwehre mich gegen den Vorwurf von Karla eine Mitverantwortung an die Verhältnisse in den Heimatländern der Flüchtlinge zu haben. Nichts von diesen Verhältnissen habe ich persönlich zu verantworten. Dieses kollektive Schuldeingeständnis ist nur noch armselig und bringt den Flüchtlingen rein gar nichts.
Lehrer Lämpel
Vielleicht sollten Sie, verehrter Herr Honekamp, Ihren Blog wieder auf die ursprüngliche Bezeichnung („Glaubenstreuer Blog“?) umbenennen?
Karla
Was soll denn bitteschön „glaubenstreu“ bedeuten??? Man glaubt oder glaubt nicht… treu kann man gegenüber Gesetzen sein, das meinen die katholischen Fundamentalisten sicherlich mit Glaubenstreue, Gesetzestreue. Sollten sie ihren Glauben aber tatsächlich dem Glauben von normalen Katholiken gegenüber als höherwertig einstufen, sind die Glaubenstreuen nur arrogant.
Karla
@Gerd
Sobald Sie ein Auto fahren, das Benzin oder Diesel verbrennt, sind sie mitverantwortlich für die Ressourcenkriege, die weltweit für Öl geführt werden, ohne den der Amerikaner gäb es keine Flüchtlinge aus Syrien.
Lehrer Lämpel
Ich sehe „Glaubenstreue“ als ein in bewusster Lieben um Herrn erfolgendes Festhalten an Christi Wort i.S. von Joh 14,23.
Insbesondere am Doppelgebot der Gottes – und der Nächstenliebe, woran letztlich alles hängt und worauf es allein im Leben ankommt.
Das muss keineswegs so elitär und sich über andere Mitchristen überhebend interpretiert werden, wie Sie es darstellen, @Karla.
Gerd
@Karla
Es ist sicher nicht leicht den Papst zu verteidigen, ungleich schwerer ist es ihren Kommentar „Sobald Sie ein Auto fahren, das Benzin oder Diesel verbrennt, sind sie mitverantwortlich für die Ressourcenkriege, die weltweit für Öl geführt werden,“ in irgendeiner Form ernst zu nehmen. Sie werden mir am Ende noch vorwerfen für die Erderwärmung verantwortlich zu sein, weil ich die Frechheit besitze aus- und einzuatmen. Was soll der Blödsinn? Im übrigen fährt der Papst auch Auto und man höre und staune er fliegt sogar mit dem Flugzeug. Sie sind also stolz auf diesen Kriegstreiber?
Ach ja, ich fahre nur mit dem Fahrrad. Allerdings brauch ich dafür Öl um die Kette zu schmieren. Sehen sie es mir nach.
Lehrer Lämpel
Korrektur:
„Liebe zum Herrn“ sollte es heißen
Karla
Nun, dann fällt allerdings auf, dass es gerade die Glaubenstreuen sind, die Papst Franziskus für seine Haltung zu den Flüchtlingen, die er mit Nächstenliebe begründet, kritisieren.
Moritz M. Busch
Bitte hier im Blog auf Kommentarhygiene achten, vor allem keine gegensätzlichen Meinungen!
Lehrer Lämpel
Ergänzend ist natürlich noch anzumerken, dass explizit CHRISTLICHE Glaubenstreue selbstverständlich die vollständige Bejahung sämtlicher Aussagen des christlichen Glaubensbekenntnisses beinhaltet.
Dieter Schrader
Wie Recht Sie haben! Auch ich fand den Ausdruck „KZ“ irgendwie unpassend,um es es vorsichtig auszudrücken. Die ganze Flüchttlingskatastrophe macht mich hilflos und zugleich wütend. Da muß man wütend zuschauen, wie Schlepperbanden bewußt !! die Hilfsbereitschaft der europäischen Länder mißbrauchen und Menschen mit seeuntüchtigen Booten auf das Mittelmeer losschicken. Da helfen Menschen fast bis zur Selbstaufgabe und die Aufnahmeländer Italien und Griechenland wissen nicht wohin mit den Ankömmlingen.Wenn dann vom Papst auch noch Kritik an den sicher beklagenswerten Zuständen in den Lägern geübt wird, kann ich verstehen, daß bei manchen Leuten Unmut und Unverständnis aufkommt. Ein Problem wird überhaupt nicht thematisiert: die meisten Flüchtlinge wollen nicht nach „Europa“
sondern nach Deutschland. Warum wohl? Es darf dreimal geraten werden!!
Wenn nicht Ungarn, Österreich und andere Länder die Balkanroute geschlossen hätten, hätten wir ähnliche Zustände wie 2015 bei uns an der Südgrenze. Daß Z.B. die Ungarn dafür auch noch beschimpft werden ,finde ich mehr als befremdlich. Haben wir Deutsche schon das Jahr 1989 vergessen? Ehrlicherweise muß ich zugeben, daß ich auch keine Lösung parat habe, aber
eine Politik , die auch die Interessen der Einheimischen berücksichtigt sollte endlich konsequent durchgezogen werden. Aber wer traut sich das noch zu sagen,geschweige denn auch zu tun. Ich höre schon die Beschimpfungen der sog.“Gutmenschen „.
Gero
Viel, sehr viel könnte ich dazu schreiben.
Über Hintermänner, globale Pläne und finanzielle Macht.
Über Ideologen, die glauben, sie wären allein im Besitz der Wahrheit, die sie anderen aufzwingen müßten um damit der „großen Sache“ dienen zu können.
Geschenkt.
Ich möchte nur die Anregung dalassen, sich Leute, die beim Hören eines bestimmten Wortes in bestimmte Verhaltensmuster fallen, mit Vorsicht zu behandeln.
Eigentlich immer steckt dann ein potentieller Faschist dahinter.
Wer den Gebrauch bestimmter Worte oder den Vergleich bestimmter Situationen verbieten lassen will, ist unwiderruflich ein Bösewicht.
Von daher sehe ich die Äußerungen des Papstes eher gelassen.
Vor allem, wenn man den inhaltlichen Schwund durch Übersetzung und Interpretation abzieht.
Und zuletzt:
Eine nette Seite hier, in der die Fragestellung noch einen Platz hat.
Auch, wenn Herr Honekamp nur teilzeitig als Journalist unterwegs ist.
Aber vielleicht auch gerade deswegen.
Danke für die gemäßigte Meinung