Meine Frau hat mir heute Morgen mit auf den Weg gegeben: Wenn ich einen Blog hätte, würde ich über The Voice of Germany schreiben. Eigentlich keine schlechte Idee, auch mal eine Fernsehrezension zu bringen, aber die Frage ist: ist das ein katholisches Thema?
Nun, die Sendung an sich ist eine Casting-Show. Die gibt es zwischenzeitlich wie Sand am Meer und die Qualität der Sendungen lässt sich oft an den Juroren ablesen: wer Dieter Bohlen für ein erstrebenswertes Beispiel oder Vorbild hält, ist bei DSDS sicher richtig aufgehoben, und wird vermutlich genießen, wie Menschen, die ganz offensichtlich nicht auf die Bühne gehören, öffentlich fertig gemacht werden, und wie sich ein sogenannter Pop-Titan mit einem offenbar unglaublichen Minderwertigkeitskomplex über das Niedermachen wehrloser Möchtegern-Sternchen Befriedigung verschafft. Das alles ist wohl unstreitig nicht christlich, nicht katholisch, nicht mal menschlich im weitesten Sinne. Und andere Casting-Shows wie Popstars oder auch das unsägliche Germanys Next Top-Model liefern ein Menschenbild, dass am Ende seinen Niederschlag darin findet, dass Kinder in unserer Gesellschaft die nicht der Norm entsprechen am besten gar nicht erst geboren werden: wer von Heidi Klum für hässlich oder mode-inkompatibel befunden wird, verwirkt in gewisser Weise sein Recht auf ein menschenwürdiges Dasein! Also, warum über eine Casting-Show schreiben in einem katholischen Blog?
Eigentlich ist das Thema nicht diese Show sondern die Frage der guten Nachrede: Woran sollte man sich denn im Beurteilen (wohlgemerkt nicht verurteilen, was sich insgesamt verbietet) halten? Es gibt dazu einen einfachen, prägnanten und vielleicht gerade deshalb so herausfordernden Abschnitt im Brief an die Epheser, den ich gerne vollständig wiedergebe (Epheser 4, 25-32):
Legt deshalb die Lüge ab und redet untereinander die Wahrheit; denn wir sind als Glieder miteinander verbunden. Lasst euch durch den Zorn nicht zur Sünde hinreißen! Die Sonne soll über eurem Zorn nicht untergehen. Gebt dem Teufel keinen Raum!
Der Dieb soll nicht mehr stehlen, sondern arbeiten und sich mit seinen Händen etwas verdienen, damit er den Notleidenden davon geben kann.
Über eure Lippen komme kein böses Wort, sondern nur ein gutes, das den, der es braucht, stärkt und dem, der es hört, Nutzen bringt.
Beleidigt nicht den Heiligen Geist Gottes, dessen Siegel ihr tragt für den Tag der Erlösung. Jede Art von Bitterkeit, Wut, Zorn, Geschrei und Lästerung und alles Böse verbannt aus eurer Mitte! Seid gütig zueinander, seid barmherzig, vergebt einander, weil auch Gott euch durch Christus vergeben hat.
Natürlich wird es auch bei einer Show wie Voice of Germany in erster Linie mal darum gehen, Geld zu verdienen, man sollte also nicht erwarten, dass es ein Kaffeekränzchen wird. Musiker treten gegeneinander an, um den Titel The Voice of Germany und damit einen Plattenvertrag, die Kooperation mit Musikern und eben eine Karrieremöglichkeit im Musikgeschäft zu gewinnen. Trotzdem scheint einer der Erfinder der Show den Satz Über eure Lippen komme kein böses Wort, sondern nur ein gutes, das den, der es braucht, stärkt und dem, der es hört, Nutzen bringt. entweder schon mal gehört oder doch den Sinn verstanden zu haben.
Der Beginn der Showstaffel lag darin, dass sich Sängerinnen und Sänger vor den Juroren präsentieren die ihnen aber den Rücken zugedreht haben, damit sie nur die Stimme und nicht Aussehen oder Showeffekte bewerten. Ich weiß nicht, wie die Vorauswahl durchgeführt wurde, darüber wurde soweit ich das gesehen habe auch nicht weiter berichtet, aber: ins Fernsehen haben es nur Menschen geschafft, die tatsächlich singen können! Professionelle Sänger die schon mal eine kleine Musikkarriere gestartet haben, aber auch Karaoke-Helden, aber niemand, für den man sich „fremdschämen“ müsste, alle ausgestattet mit Stimme und Talent.
Auf diesem Weg stellen sich die vier Juroren ein Team von Musikern zusammen und die jetzt, im zweiten Teil, gegeneinander antreten. Das Vorgehen hat zwei Effekte: es ist niemand in der Show, der nicht singen kann und es fällt den Juroren schon jetzt schwer sich für das Weiterkommen oder Rauswählen von Teilnehmern zu entscheiden!
Und darin liegt nun auch der Clou: Niemand wird hier fertiggemacht! Man tritt den Teilnehmern mit Wertschätzung gegenüber, die Teilnehmer so sieht es jedenfalls bislang aus behandeln sich gegenseitig mit Respekt (was auch mit ihrem im Vergleich zu anderen Shows hohen Durchschnittsalter und Lebenserfahrung zu tun haben könnte) und so kann man als Zuschauer eine Show erleben, in denen wirklich begabte Sänger und Musiker ihr Bestes geben und fair miteinander umgehen: kein Geschrei unter den Teilnehmern, kein Niedermachen seitens der Jury, konstruktive Kritik auch an denen, die es nicht in die nächste Runde schaffen, von denen aber sicher der eine oder andere noch die Möglichkeit zu einem Weiterkommen im Musikgeschäft hat.
Überhaupt die Jury: von Xavier Naidoo und Nena über The Bosshoss zu Rea (von Reamoon) also alles erfahrene Musiker, die erstens was vom Musikgeschäft verstehen und bislang auch noch nicht durch allzu viel Skandalpresse aufgefallen sind. Mir persönlich gefallen übrigens The Bosshoss als die Underdogs der Show besonders gut, aber die gesamte Mischung ist es, die das Juroren-Team ausmacht zumal sie sich nicht in erster Linie als Juroren sondern als Coaches betrachten, die ihre Schützlinge auf dem Weg begleiten.
Das also ist Fernsehunterhaltung, die man sich auch als Christ ansehen kann, ohne die Augen vor unfairem und ehrverletzendem Verhalten verschließen müsste. Dabei: es ist keine katholische Show, die Teilnehmer sind ein ziemlich bunt gemischter Haufen von denen sicher einige mit Kirche und Gott nicht viel am Hut haben aber das Prinzip der Show ist eines, das sich wohltuend von dem abhebt, was man ansonsten in dieser Sparte in den Medien zu sehen bekommt.
Bleibt die Frage, um noch eine kleine Spitze loszuwerden, warum es eine derartige Sendung nicht im vom gebührenfinanzierten Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk gibt sondern auf den Privatsendern Pro7/Sat1 an mangelndem Markt für ein solches Format scheint es nicht zu liegen!
Ich freue mich jedenfalls schon darauf, heute Abend ab 20:15 Uhr die nächste Runde anzusehen!