Och nö, mag der eine oder andere sagen, jetzt nicht auch noch hier ein Artikel zu dem (nur scheinbar) leidigen Thema: sollten Eltern, die ihre Kinder nicht in den staatlich zugesicherten (und wohl nicht flächendeckend bereitstellbaren) Kita-Einrichtungen betreuen lassen sondern sie selbst betreuen oder diese Betreuung jedenfalls privat organisieren, einen (im Vergleich zur Förderung dieser Kita-Plätze) kleinen Obulus vom Staat erhalten? Meine Formulierung macht wahrscheinlich meine Einstellung zu dieser Frage deutlich, die ich hier aber gar nicht beantworten will, sondern eine katholische Sicht erläutern möchte, wie Erziehung generell funktionieren sollte, auch mit dem Ziel, die anstehenden medialen Gewitter zu diesem Thema richtig einzuschätzen.
Glücklicherweise der Heilige Geist weiß schon, wie er es machen muss kommt mir dabei wieder mal unser Papst Benedikt XVI zur Hilfe, der am 3.6.2012 beim VII. Weltfamilientreffen eine Predigt zum Thema Familie gehalten hat, die Grundlagen, Ziel und Gestalt von Familien erläutert, und die Maßstäbe für die Erziehung und Betreuung von Kindern bietet, an denen wir uns wunderbar orientieren und eine Entscheidung jenseits wirtschaftlicher Überlegungen treffen können und sollten.
Nach einer Einführung über das Evangelium und die Lesungen, die darauf hinausläuft, dass wir als Kirche zur Familie Gottes geworden sind, geht er im Detail auf Familien- und Erziehungsfragen ein, indem er sagt:
Liebe Eheleute, indem ihr die Ehe lebt, schenkt ihr euch nicht irgendeine Sache oder irgendeine Tätigkeit, sondern das ganze Leben. Eure Liebe ist fruchtbar vor allem für euch selbst, weil jeder das Wohl des anderen wünscht und verwirklicht und dabei die Freude des Empfangens und des Gebens erfährt. Sodann ist sie fruchtbar in der großherzigen und verantwortungsvollen Zeugung der Kinder, in der zuvorkommenden Sorge für sie und in der aufmerksamen und weisen Erziehung. Schließlich ist sie fruchtbar für die Gesellschaft, denn das Familienleben ist die erste und unersetzliche Schule der gesellschaftlichen Tugenden wie die Achtung gegenüber den Menschen, die Unentgeltlichkeit, das Vertrauen, die Verantwortung, die Solidarität, die Zusammenarbeit. Liebe Eheleute, achtet auf eure Kinder und vermittelt ihnen in einer von der Technik beherrschten Welt klar und zuversichtlich den Sinn des Lebens und die Kraft des Glaubens, indem ihr ihnen hohe Ziele vor Augen haltet und sie in ihrer Anfälligkeit stützt.
[ ] Ihr habt das Zeugnis vieler Familien vor euch, welche die Wege aufzeigen, um in der Liebe zu wachsen: eine ständige Beziehung zu Gott unterhalten und am kirchlichen Leben teilnehmen, den Dialog pflegen, den Standpunkt des anderen respektieren, bereit sein zu dienen, geduldig sein mit den Schwächen des anderen, fähig sein zu verzeihen und um Verzeihung zu bitten, eventuelle Konflikte mit Verständigkeit und Demut überwinden, die Richtlinien der Erziehung miteinander abstimmen, offen sein für die anderen Familien, aufmerksam gegenüber den Armen und verantwortlich in der zivilen Gesellschaft. All das sind Elemente, die die Familie aufbauen. Lebt sie mutig, in der Gewissheit, dass ihr in dem Maß, in dem ihr mit Hilfe der göttlichen Gnade die Liebe zueinander und zu allen lebt, ein lebendiges Evangelium, eine wirkliche Hauskirche werdet (vgl. Apostolisches Schreiben Familiaris consortio, 49).
Wie so oft, lässt das, was der Papst sagt, kaum noch Fragen offen. Aus katholischer Sicht (und wie ich hoffe nicht nur aus dieser) sind die Zielsetzungen der Erziehung von Kindern hier sehr deutlich beschrieben. Letztlich geht es in der Kindererziehung um eine Art Schule, das eigene Leben erfolgreich und für die Welt fruchtbar zu machen. Diese Vermittlung eigentlich universell-naturrechtlicher Werte, die heute aber im Wesentlichen nur noch als spezifisch christliche Werte gesehen (und von der Welt in Frage gestellt) werden, ist für ein gelingendes Gemeinwesen wesentlich, mehr noch: unverzichtbar! Wie aber passt das mit dem Outsourcing von Erziehungsleistungen an staatliche Institutionen zusammen, vor allem dann, wenn man bedenkt, dass als Argumente für diese staatliche Betreuung im Wesentlichen der Generalverdacht gegen die Eltern, ihre Kinder nicht richtig und gesellschaftlich gewinnbringend zu erziehen und der Wunsch von Gewerkschaften und Arbeitgebervertretern (in seltene und unheiliger Allianz), die Arbeitskraft von Müttern möglichst schnell wieder in den Wirtschaftsprozess einzubringen, benannt werden?
Den Erziehungsauftrag, den Eltern haben (nicht nur aus christlicher Sicht sondern auch in unserer Verfassung in Artikel 6 (2) GG verankert) sollten, nein müssen und dürfen sie ernst nehmen und sich nicht aus der Hand nehmen lassen. Oder anders gesagt: diese Erziehung aus der Hand zu geben müsste sicherstellen, dass die Ergebnisse, wie sie vom Papst beschrieben werden, in gleicher Weise erreicht werden: Achtung gegenüber den Menschen, die Unentgeltlichkeit, das Vertrauen, die Verantwortung, die Solidarität, die Zusammenarbeit das soll doch nicht ernsthaft von Erzieherinnen und Erziehern geleistet werden, die für diese Tätigkeit (mehr schlecht als recht) bezahlt werden und eine viel größere Anzahl von Kindern zu erziehen hätten, als es selbst Eltern kinderreicher Familien müssen?
Bestimmt hat es auch im Hinblick auf die deutsche Erfahrung mit zwei Diktaturen zwischen 1933 und 1989 einen Grund, warum die Verfassungsväter den Einfluss des Staates auf unbedingte Ausnahmefälle beschränken wollte, in denen man sicher davon ausgehen kann, dass der Erziehungsauftrag zum Schaden der Kinder nicht erfüllt wird (Art. 6 (3) GG: (3): Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.) Natürlich muss auch in einer freien Gesellschaft das Kindeswohl besonderen Schutz genießen und wenn Eltern, aus welchen Gründen auch immer, gegen dieses Wohl verstoßen, ist ein Eingreifen legitim. Der wirtschaftliche Nutzen der Mutter und die frühzeitige utilitaristische Ausbildung von Kindern zu gewinnbringenden Produktionsfaktoren gehören sicher nicht zu den Gründen, die sich die Verfassungsgeber gedacht haben. Der Papst sagt auch hierzu erfrischend deutlich:
Wir sehen, dass in den modernen Wirtschaftstheorien oft eine utilitaristische Auffassung der Arbeit, der Produktion und des Marktes vorherrscht. Der Plan Gottes und die Erfahrung selbst zeigen aber, dass es nicht die einseitige Logik des eigenen Nutzens und des maximalen Profits ist, die zu einer harmonischen Entwicklung, zum Wohl der Familie und zum Aufbau einer gerechten Gesellschaft beitragen kann, weil sie zu erbitterter Konkurrenz, starken Ungleichheiten, zu Umweltschäden, Konsumismus und zu Schwierigkeiten in den Familien führt. Noch schlimmer, die utilitaristische Denkweise neigt dazu, sich auch auf die zwischenmenschlichen und familiären Beziehungen auszuweiten, reduziert sie so auf unsichere Konvergenzen individueller Interessen und untergräbt die Festigkeit des sozialen Gefüges.
Eltern dürfen sich also den Auftrag zur Kindeserziehung nicht aus der Hand nehmen lassen, es ist ihr Recht und auch ihre gesellschaftliche Pflicht, ihre Kinder gut zu erziehen, und dieses gut aus einer christlichen Überzeugung setzt die Erziehung durch die Eltern voraus und verbietet die frühzeitige Übernahme dieser Funktion durch staatliche Stellen. Wenn heute von Politikern aus allen Lagern und in den Medien so getan wird, als ob Familien nicht zur Erziehung ihrer Kinder in der Lage wären, die Anforderungen der Gesellschaft an ihre Kinder nicht in ausreichendem Maße berücksichtigen würden, dann wirft das ein schreckliches Bild auf den geistlichen Zustand dieser Politik und der Medien, gegen das sich alle Menschen guten Willens, Christen und Katholiken allzumal, zur Wehr setzen müssen!
Wenn wir uns also als Katholiken mit der Frage des Betreuungsgeldes beschäftigen, sollte, darf und muss dabei nicht in erster Linie die Frage der finanziellen Entschädigung stehen, sondern die Frage, wie und wo Erziehung von Kindern am besten gelingen kann? Dass die generelle (schwerwiegende Ausnahmen bestätigen die Regel) Antwort darauf in der Familie lautet, trauen sich selbst die Protagonisten der Kita-Politik (noch) nicht zu bestreiten. Behalten wir also unsere Kinder in der Obhut ihrer Familien, unterstützen wir diese Familien (im Freundes- und Bekanntenkreis, in der Gemeinde oder auch in der Gesellschaft) in diese Aufgabe so gut wir können, aber nehmen wir ihnen diese Aufgabe und dieses Recht nicht aus der Hand!
Dazu noch mal die abschließenden Worte des Papstes:
Die Arbeitszeiten und die Anforderungen der Familie, den Beruf und das Vater- und Muttersein, die Arbeit und das Fest miteinander in Einklang zu bringen ist wichtig für den Aufbau einer Gesellschaft, die menschliche Züge trägt. Gebt dabei immer der Logik des Seins gegenüber der des Habens den Vorzug: erstere baut auf, die zweite wirkt letztlich zerstörend. Man muß sich dazu erziehen, vor allem innerhalb der Familie an die echte Liebe zu glauben, die von Gott kommt und uns mit ihm vereint und eben deshalb zu einem Wir macht, das unsere Trennungen überwindet und uns eins werden läßt, so daß am Ende »Gott alles in allem« (vgl. 1 Kor 15,28) ist (Enzyklika Deus caritas est, 18). Amen
Anmerkung
Ein Wort doch noch zum Betreuungsgeld: dieses stellt, wie die Subventionierung von Kita-Plätzen, einen staatlichen Eingriff dar, der nicht notwendig wäre, wenn man den Bürgern und Eltern nicht durch direkte und indirekte Steuern und Abgaben soviel Geld aus der Tasche ziehen würde, dass sie sich weder das eine noch das andere leisten können. Das und nicht die Einrichtung von Kita-Plätzen oder die Zahlung bzw. Nichtzahlung eines Betreuungsgeldes – ist familienfeindlich!
Um sich ein Bild von der politischen Situation zu machen, sei hier aus einer Pressemitteilung der SPD vom 06.06.2012 zitiert (das könnte aber im Wesentlichen auch von jedem anderen Protagonisten staatlicher Frühkindbetreuung stammen):
Heute ist ein schlechter Tag für Familien: Das Kabinett hat das Betreuungsgeld gegen jeglichen Sinn und Verstand verabschiedet. Nichts kann diesen grundfalschen Schritt rechtfertigen. Aus bildungspolitischer Sicht ist die Fernhalteprämie schädlich, da sie Kinder von frühkindlicher Bildung in der Kita fernhält. Und aus frauenpolitischer Sicht ist sie unverantwortlich, denn sie hält insbesondere die jungen Mütter von ihren Chancen am Arbeitsmarkt fern und fördert ein nicht mehr zeitgemäßes Alleinverdienermodell. Die 1,2 Milliarden Euro müssen in den Ausbau der Betreuungsangebote investiert werden und nicht in unsägliche Fehlanreize.