Vermutlich geht es mir nicht anders, als allen anderen auch auffallen ist nicht unbedingt mein Ziel, vor allem dann nicht, wenn es um Themen gibt, mit denen man (in der Welt) keine Anerkennung erlangen kann. Wer lässt schon gerne in einem stillen Restaurant ein Glas scheppernd vom Tisch fallen alles dreht sich um, man versucht peinlich berührt den Schaden mit dem Kellner zu regulieren, wäre alles in allem in diesem Augenblick überall lieber als auf seinem Stuhl.
Was für solche prägnanten Situationen gilt, gilt aber natürlich auch in ganz normalen Dingen: in Themen, in denen wir uns sicher fühlen, in denen wir vielleicht auch nach Anerkennung suchen, da dürfen wir gerne Aufmerksamkeit auf uns ziehen, aber in anderen, da würde man sein Licht doch lieber eher unter den Scheffel stellen, wie es sprichwörtlich heißt. In gängigen Situationen ist das auch ganz verständlich und von besonderen Phobien mal abgesehen auch ganz normal. Aber was ist, wenn wir Aufmerksamkeit erregen müssen, wenn es eigentlich unser Ziel sein muss, Aufmerksamkeit zu erregen?
Schauen wir dazu mal ins heutige Tagesevangelium (Matthäus 5, 13-16)
Ihr seid das Salz der Erde. Wenn das Salz seinen Geschmack verliert, womit kann man es wieder salzig machen? Es taugt zu nichts mehr; es wird weggeworfen und von den Leuten zertreten. Ihr seid das Licht der Welt. Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben. Man zündet auch nicht ein Licht an und stülpt ein Gefäß darüber, sondern man stellt es auf den Leuchter; dann leuchtet es allen im Haus. So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.
Eigentlich könnte man sagen: ist doch toll, unser Ziel ist ein heiligmäßiges Leben, und die Zielerreichung und auch unser Bemühen darum können wir auch zeigen! Doch aus irgendeinem Grund ist das nicht so:
Wer geht schon am Montag zur Arbeit und berichtet freudestrahlend von der Sonntagsmesse, dem tollen Evangelium und der Predigt? Wer berichtet schon seinen Freunden (v.a. wenn die nicht gläubig sind) über die letzte Ansprache oder Katechese des Papstes und wie sehr einen die berührt und für sein eigenes Leben angesprochen hat? Wer erzählt schon Bekannten davon, wenn er in seinem Gebetsleben eine besondere Eingebung hatte, den Heiligen Geist ganz nah gespürt hat, und welche Botschaft man im Gebet gehört hat wenn man denn überhaupt darüber zu sprechen in der Lage ist, dass man ein regelmäßiges und zeitlich umfangreiches Gebetsleben hat, für das man morgens früher aufstehen und darum abends rechtzeitig schlafen gehen muss?
Und das sind noch die einfachen Themen, betreffen sie doch eine sehr private Lebensführung, die anderen auch ganz egal sein könnten (wenn wir auch hoffen sollten, dass sie das nicht sind). Aber was, wenn wir mit unserem Leben in offenen Widerspruch zur Welt geraten? Wenn wir (die Diskussion wird in diesen Tagen geführt, wenn auch meist nicht mit einem Glaubenshintergrund) unsere Kinder nicht schon frühestmöglich in staatliche Obhut geben sondern davon überzeugt sind, dass sie in den ersten Lebensjahren bei uns zu Hause besser aufgehoben sind? Wenn gläubige Eltern das vierte, fünfte Kind bekommen, eine Anzahl, die einen in der Welt recht nah an den Begriff asozial bringt? Wenn wir Verhütungsmittel nicht nur aus medizinischen sondern aus moralischen Gründen ablehnen? Wenn wir die Tötung von Kindern im Mutterleib unter keinen (!) Umständen für legitim halten? Wenn wir der um sich greifenden Esoterik (ich sage nur: Shamballa-Armbänder für das deutsche EM-Team) nicht folgen und uns der Frage nach unserem Sternzeichen widersetzen? Wenn wir den unfairen Umgang mit einer Kollegin, die nicht ganz der „Norm“ entspricht, ablehnen und uns gegen eine Vereinnahmung wehren? Wenn uns unser Familienleben wichtiger ist als der Stammtisch mit Kollegen oder Freunden?
Ich will ganz offen sein: diese oben beschrieben Offenheit liegt mir nicht; sie liegt mir eher wie ein Stein im Magen! Meine Eitelkeit und Menschenfurcht hält mich immer wieder davon ab, Zeugnis zu geben, wenn ich es eigentlich sollte. Und sie hält mich davon ab, gute Werke zu zeigen. Natürlich kann man sich damit herausreden, dass man doch bescheiden sein will und seine Frömmigkeit nicht zu Markte tragen möchte. Man möchte doch schließlich nicht seinen Lohn schon heute erhalten wie die Heuchler, die sich beim Gebet gern in die Synagogen und an die Straßenecken [stellen], damit sie von den Leuten gesehen werden. (vgl. Matthäus 6, 5ff). Nur: zur Zeit Jesu war das an der Straßenecke beten eine Möglichkeit, sich selbst gut dastehen zu lassen, heute macht man sich damit zum Gespött der Leute, outet sich als religiösen Extremisten. Oder anders gesagt: wer heute seinen Glauben öffentlich bekennt, bekommt dafür seinen Lohn nicht in dieser Welt, in unseren Breiten kann dieses publik gemachte christliche Leben nicht mehr mit Eitelkeit begründet werden (Ausnahmen mögen die Regel bestätigen). In gewisser Weise stehen sich also in der Bibel der eingangs zitierte Abschnitt zum Salz der Erde und Licht der Welt und der letzte Abschnitt zum Lohn in dieser Welt für das Beten, Almosen geben und Fasten gegenüber. Was wann zu tun ist, darüber gibt der Satz Aufschluss So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen. Alles meinem Gott zu Ehren, darum geht es!
Wenn ich mich also in Kreisen bewege, in denen ich mit meinem (anscheinend) frommen Lebensstil Eindruck schinden kann, dann sollte ich es lieber lassen. Wenn ich aber mit meinem Leben Zeugnis geben, Menschen zum Nachdenken über Gott bringen und sie veranlassen kann, mich nach dem Glauben zu fragen, dann ist das das Mittel der Wahl. Und leider ist uns beides unangenehm: Ein Lob nicht einzusammeln widerstrebt uns ebenso wie das Zeugnis vor einer unverständigen Welt! Aber es hat ja auch niemand gesagt, dass es leicht wäre, das Licht der Welt zu sein. Ich mag den Begriff alternativlos nicht, aber in diesem Fall gibt es eben wirklich keine Alternative! Wenn ich ein Gefäß über ein Licht stülpe, dann ist es für die Welt eben kein Licht mehr, also weg damit und Zeugnis gegeben etwas hart könnte man formulieren: Bekehrt die Menschen, wo ihr sie trefft! Keine Sorge, die Welt wird es uns nicht danken, den Lohn dafür erhalten wir im Himmel und wie schön wäre es, wenn wir eines Tages vor Gott treten und ganz viele Menschen mitbringen könnten bei denen wir Gott helfen durften, sie zum Glauben zu bringen? Und je mehr es werden, umso einfacher wird es auch ein Erfolg wäre es also, wenn wir eines Tages wieder dadurch versucht werden, aus Eitelkeit unseren Glauben in die Welt zu posaunen, aber davon sind wir noch ein ganzes Stück entfernt!