Das Jahr des Glaubens beginnt am kommenden Donnerstag, die XIII. Ordentliche Bischofssynode ist durch den Papst am vergangenen Sonntag feierlich eröffnet worden und da sind sie auch schon wieder alle, die uns nahebringen wollen, was wir zu glauben haben und vor allem, wie wir uns von unserem einfachen Kinderglauben verabschieden können, wie wir dem Papst, der römischen Kurie und generell allem, was nach Lehramt riecht misstrauen, und dem süßen Duft des Konzilsgeistes folgen sollen. Vorneweg, wie immer, Hans Küng, schweizerischer Gegenpapst und selbsternannter Kenner der unterschiedlichen Geister, mithin sicher in eigenen Augen derjenige, dem man das katholische Lehramt am ehesten anvertrauen könnte.
Er weiß genau, wie das Konzil abgelaufen ist, weiß vor allem viel besser als jeder andere, was eigentlich gemeint gewesen ist, ist ein intimer Kenner und Fan von Johannes XXIII, der sich gegen das Lob aus dieser Ecke nun leider nicht mehr wehren kann und damit für ihn folgerichtig Kritiker des Heiligen Vaters, Benedikt XVI. Da reißt er dann schon mal gerne Sätze des von ihm angeblich verehrten Papstes aus dem Zusammenhang um nachzuweisen, dass dieser Papst die Kirchenlehre vollends umwandeln wollte. Vermutlich hat jeder zurückgekehrte Katholik, wie ich es einer bin, mal die eine oder andere Schrift von Küng gelesen, das eine oder andere daraus vielleicht auch für richtig befunden, kann sich aber mit fortschreitender Kenntnis der geistigen Ergüsse dieses altersstarrsinnigen Mannes nur immer mehr mit Schaudern von solcher Hybris abwenden. Gott, Jesus Christus ist der Weg, die Wahrheit und das Leben, aber Herr Küng glaubt, diesen Weg, diese Wahrheit und dieses Leben dem lieben Gott einflüstern zu können. Zum Nachlesen, was ich meine, empfehle ich die kritische Lektüre eines Interviews mit Hans Küng im Deutschlandfunk.
Dagegen stehen in der Öffentlichkeit markante Kommentatoren wie bspw. Alexander Kissler, einer der wenigen katholischen Journalisten, die sich die Freiheit bewahrt haben, pro Kirche und pro Benedikt zu argumentieren, ohne in den Ruch des Claqueurs geraten zu sein. Stramm, bisweilen auch polemisch, wehrt er sich in seinen Äußerungen gegen die Vereinnahmung des Konzils durch modernistische Kräfte, wie Küng sie vertritt. Ab und an merkt man ihm an, dass ihm die Hutschnur hochgeht, zuletzt in seiner Kolumne im European über das oben verlinkte Interview Küngs beim Deutschlandfunk. Lesenswert, aber, wenn man ehrlich ist, auch mit Anekdoten gespickt, die einen zweifeln lassen, ob man denn hier eine authentischere Version des Konzilsgeistes bekommt als durch Küng: Abschneiden aller vermeintlich alter Zöpfe im Vergleich zur lateinischen Messe und einem Papst, der auf dem Sessel in den Petersdom getragen wird? Vielleicht gibts da auch noch was dazwischen?
Um sich in den Fallstricken von Hermeneutik des Bruchs, der Kontinuität und der Reform zurechtzufinden, ist es daher bisweilen nicht schlecht, sich wirklicher Theologen zu bedienen, die sich dieses Themas intensiv angenommen haben. So habe ich mir vorgenommen, im Vorgriff darauf, dass ich gebeten wurde, zu just diesem Thema einen kleinen Vortrag zu halten, die Geschichte von unterschiedlichen Seiten zu betrachten und bin so auf ein soweit ich bislang gekommen bin feines Buch gestoßen, dass sich mit den Differenzen zwischen eben jenen Hermeneutiken beschäftigt: Das zweite Vatikanische Konzil: Eine Bilanz: Die Hermeneutik der Reform mit Kurt Kardinal Koch, Schweizer Bischof, Präsidenten des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen und Mitglied der Kongregation für die Glaubenslehre, als Autor zusammen mit dem Schülerkreis Papst Benedikt XVI., mit der einführenden Weihnachtsansprache des Papstes aus 2005, in der dieser die Hermeneutik der Reform erstmals mit eigenen Worten erläuterte. Gerade letzteres Dokument ist ein Beweis für eine ganz wesentliche Kompetenz unseres Papstes: die Dinge so einfach darzustellen, wie sie manchmal sind, ohne sie gleichzeitig zu vereinfachen. Wieso sollte es nicht möglich sein, ewige Wahrheiten in zeitlich veränderter, moderner, Form zu verkünden? So einfach die Frage gestellt ist, so schwer fällt vielen von uns sowohl den Vertretern ewiger Wahrheiten wie denen moderner Verkündigung diese Differenzierung in der Antwort, was zum gegenseitigen Vorwurf des fehlerhaften Glaubens und der Fehlinterpretation des Konzils führt.
Die US-Bischofskonferenz USCCB hat ein „Zehn-Punkte-Programm“ für das Jahr des Glaubens für Laien veröffentlicht (Bericht siehe hier) und in Punkt 5 heißt es dort:
5. Read the documents of Vatican II. The Second Vatican Council (1962-65) ushered in a great renewal of the Church. It impacted how Mass is celebrated, the role of the laity, how the Church understands itself and its relationship with other Christians and non-Christians. To continue this renewal, Catholics must understand what the Council taught and how it enriches the lives of believers.
5. Lesen Sie die Dokumente des II. Vatikanischen Konzils.
Das II. Vatikanische Konzil (1962-65) hat zu einer großen Erneuerung in der Kirche geführt. Es hat Einfluss auf die Art, wie die Messe gefeiert wird, auf die Rolle des Laien, darauf, wie sich die Kirche selbst versteht und auf ihr Verhältnis mit anderen Christen und mit Nichtchristen. Um diese Erneuerung weiterzuführen, müssen die Katholiken verstehen, was das Konzil gelehrt hat und wie es das Leben der Gläubigen bereichert.
(Übersetzung von kath.net, Hervorhebung von mir)
Es hilft wohl nichts: will man sich als Katholik ein Urteil darüber erlauben, was im Konzil beschlossen wurde (und was nicht, zum Beispiel zur Verwendung des Lateinischen) und wie bestimmte Interpretationen einzuordnen sind, dann muss man an diese Wurzeln zurück, diese Dokumente im Lichte des Glaubens, auch im Lichte des Evangeliums lesen nur so ist man wohl einigermaßen dagegen geschützt, Konzilsquacksalbern auf den Leim zu gehen, die jede noch so abstruse Veränderung mit dem Konzilsgeist zu begründen versuchen. Sekundärliteratur ist dann sicher hilfreich, aber die Originalquelle ist wesentlicher!
Die Dokumente des 2. Vatikanischen Konzils sind allesamt sowohl in Buchform erhältlich als auch im Internet nachzulesen es gibt also keinen Grund, sie sich nicht zu Gemüte zu führen, wenn man vom Umfang einmal absieht (das sogenannte Kleine Konzilskompendium beinhaltet immerhin über 700 Seiten), den man sich aber durchaus häppchenweise verabreichen kann. Die Einhaltung des 10-Punkte-Plans der USCCB ist doch ein guter Anreiz, durch das Jahr des Glaubens zu gehen und auch durch die Lektüre der Konzilsdokumente sein Glaubenswissen und auch den eigenen Glauben zu vertiefen!