Eigentlich meide ich aufgrund der Vorherrschaft der öffentlich-rechtlichen Anbieter und deren tendenziöser Berichterstattung einerseits und der journalistischen Nullnummern bei den privaten Anbietern andererseits (wobei das auch im ÖR-Rundfunk zutreffen kann, man höre nur mal bei dem Jugend-forscht-nach-Journalismus-Sender 1Live rein) Nachrichten und Berichte im Radio während der Autofahrt. Ab und an kommt man aber nicht dran vorbei oder hat nicht richtig aufgepasst und muss also einem Bericht lauschen, der eigentlich gar nicht schlecht ist, weil er nicht kommentiert sondern einfach nur die Nachricht wiedergibt. Diese Neutralität haut einen denn aber auch wieder vom Hocker: während bei allem, was in Richtung konservativer Politiker oder in Richtung nicht-alternativer Energieversorgung (oder das ganze in Kombination) geht, kein an diesen Kaderschmieden sozialisierter Journalist an sich halten kann, seiner Missbilligung Ausdruck zu verleihen, werden andere Nachrichten verbreitet, als sei es das normalste der Welt:
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, wies darauf hin, dass bis zum 1. August 2013, ab dem ein Rechtsanspruch für Eltern auf Kleinkindbetreuung in einer Kita besteht, die notwendige Zahl der Betreuungsplätze nicht angeboten werden kann. Soweit so bekannt, was aber dann als Alternative angeboten wird, macht wieder um einiges deutlicher, um was es hier geht: Für eine nicht näher bestimmte Übergangszeit empfahl Herr Landsberg die Einrichtung größerer Kindergruppen in den Kitas und die Lockerung von Vorgaben für Raumgrößen und Grünflächen. Für Eltern, die aufgrund nicht zur Verfügung stehender Betreuungsplätze klagen sollten, empfiehlt er Schadenersatzpauschalen, für die die Kommunen dann allerdings auch Unterstützung durch einen Hilfsfonds benötigen.
Wenn nicht meine schwangere Frau und unser kleiner Sohn mit im Auto gesessen hätten, wäre ich versucht gewesen wahlweise vor Schreck in den nächsten Straßengraben zu fahren oder zu schimpfen wie ein Rohrspatz, mit der Gefahr, dass unser Kleiner das eine oder andere Wort in seinen langsam ansteigenden Wortschatz integriert. So konnte ich also nur lauthals in Lachen ausbrechen, was unser Kleiner zum Anlass nahm, gleich mit zu kichern (manchmal frage ich mich, ob er in bestimmten Situationen wie diesen nicht schon vor mir zu lachen angefangen hat, und viel mehr von dem Thema versteht als der durchschnittliche sozialdemokratische Familienpolitiker, sei er nun aus der SPD/LINKE/Grünen-Fraktion oder aus der (F)DP oder (C)DU).
Also noch mal ganz von vorne: der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz ist gedacht für Frauen, die frühzeitig wieder in den Job zurück wollen. Es liegt mir fern, über jeden Einzelfall den Stab zu brechen, aber man kann sich schon fragen, wie es zu so einer Menge von Familien kommt, die kurz nach der Geburt des Kindes, den armen kleinen Tropf in einer staatlichen Verwahranstalt abliefern möchte. Nachdem man festgestellt hat, dass diese Sichtweise, Mütter möglichst früh wieder zu Produktivkapital zu machen (was sie aus politischer Sicht als Mütter und Hausfrauen offenbar nicht sind) doch ein wenig zu wirtschaftsgetrieben klingt (wenn LINKE und Arbeitgeberverbände ins gleiche Horn stoßen ist denen das auf beiden Seiten offenbar gleich unangenehm), redet man sich anschließend heraus, dass eine Kita-Verwahrung der Kinder doch auch für diese viel besser ist, jedenfalls in Problemfamilien, die eben jene Politiker an allen Ecken und Enden wittern. Offenbar ist also Deutschland ein Land von Familienverweigerern, die notfalls zwar Kinder zeugen und gebären, ansonsten damit aber wenig zu tun haben wollen, sodass sie die Kinder um des Berufs willen vernachlässigen, weshalb man staatlicherseits nachhelfen muss. Dass eine direkte Honorierung der Erziehungsleistung nicht in Frage kommt, haben unsere Volksvertreter durch Vertagung der Entscheidung zum Betreuungsgeld auf den Sankt-Nimmerleins-Tag gerade wieder deutlich gemacht. Wahlversprechen? Koalitionsvertrag? Papperlapapp, wer glaubt, dass Volksvertreter das Volk vertreten, der glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten!
Da also von Seiten der Politik die Familien nicht nur als Familienverweigerer bewertet werden, sondern sich die Gestaltung der Familienpolitik im Wesentlichen um die Hauptzielgruppen alkoholabhängiger Sozialhilfeempfänger und nicht integrationswilliger Einwandererfamilien rankt, muss man in dieser Hinsicht auch was bieten: Gebt Eure Kinder einfach bei uns ab, wir kümmern uns um sie (in Untertiteln englischer Filme steht bei einem solchen Zitat öfters der Hinweis Sinister Laughing, was sich leider schlecht übersetzen lässt, am ehesten mit finsterem Gelächter, was aber nicht ganz passt).
Kinder sind also ganz grundsätzlich Wirtschaftsfeinde, von denen man Familien wie Unternehmen befreien muss! Und weil das so unmenschlich klingt, tun wir so, als sei dese Befreiung auch zum Besten der Kinder. Ab und an kommt dann ein aber Verbandsvertreter wie Herr Landsberg an ein Mikrofon und spricht aus, was eigentlich zu erwarten ist: Dann sperren wir halt mehr von den Bälgern in kleinere Räume und lassen sie seltener an die Luft, damit sich die Nachbarn nicht über den Lärm beschweren!
Hat er so nicht gesagt, hat er vermutlich, ich möchte ihm nichts unterstellen, nicht mal gemeint, ist aber genau das, was hier vorgeschlagen wird. Man erinnert sich mit Grausen daran, dass ernsthaft im Rahmen der Schlecker-Pleite vorgeschlagen wurde, die Mitarbeiterinnen des Unternehmens schnell mal zu Kita-Kräften auszubilden eine Beleidigung für jede gut ausgebildete und (trotz miesem Gehalt) hoch motivierte Betreuerin, die den Beruf aus Liebe zu den Kindern ausübt und unter den Umständen genau so leidet wie die Kinder.
Vorschläge dieser Art sind aber in sich logisch, wenn man mal verinnerlicht hat, dass es den Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft um alles Mögliche geht, aber sicher nicht um das Wohl der Kinder! Es ist ja auch nicht so, als ob der durchschnittliche Deutsche das nicht schon lange wüsste: aus irgendeinem Grund muss dieses florierende Land ja am Ende der Geburten- und Kinderskala stehen, das kann ja nicht nur am schlechten Wetter liegen.
Und weil das jeder weiß, regt sich ganz offenbar auch niemand mehr über Verlautbarungen wie die von Herrn Landsberg auf sie passen ganz einfach ins Bild: Kein Herz für Kinder Ihre Volksvertreter!
P.S. Bleibt die Frage, ob es im Falle der Umsetzung der Vorschläge besser ist, sich um Betreuungsgeld zu bemühen oder um Schadenersatz, wenn man weiß, dass die eigene Kommune einem keinen Kita-Platz wird anbieten können?!
Gast
(was sie aus politischer Sicht als Mütter und Hausfrauen offenbar nicht sind)
Die Sache ist doch ganz einfach. Wenn „Mütter und Hausfrauen“ nicht in unserem ganz wunderbar freiheitlichen Kapitalismus die grösste Gefahr hätten von allen soziologischen Gruppen (wahrscheinlich noch vor den Alkoholikern und Tagedieben), arm zu werden (was heisst, dass sie nicht wissen, wie sie morgen den Schulausflug für die Kinder oder die Gasrechnung von den Stadwerken bezahlen sollen, ja ich weiss, die Kinder in Afrika sind noch viel ärmer, aber dort gibts auch keine Schulausflüge oder Stadtwerke und die Mieten sind viel niedriger) und bis ins Grab auch zu bleiben, weil kein Einkommen (wie bei „Müttern und Hausfrauen“ in unserer herrlichen sozialen Marktwirtschaft üblich) eben Armut bedeutet, nicht nur wenn die Kinder klein sind, sondern auch bedeutet eine Rente noch unterhalb des Sozialhilfeniveaus zu bekommen, dann bräuchten wir keine KiTas.
Weil bei uns eben ein Einkommen nicht mehr ausreicht, um Familien durchzufüttern (geschweige denn „am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen“, Musikunterricht oder gar ein Instument für die Kleine geht nicht, da reicht das Geld nicht für), das Einkommen aus abhängiger Beschäftigung ist ja die letzten Jahrzehnte systematisch in Grund und Boden gefahren worden (Stichwort Leiharbeit, Zeitarbeitsverträge, Werkverträge, ich-AG, Sub-sub-sib-subunternehmertum, Generation Praktikum und was dergleichen Lohnsenker mehr sind), während die Einkommen aus Kapitalerträgen und Selbständiger Tätigkeit einen kräftigen Ruck nach oben getan haben (das war wahrscheinlich der Ruck, den Bundespräsident Herzog in seiner Ruck-Rede gefordert hat: die Löhne und Gehälter sind nach unten geruckt, die Steuerlast für Zahnärzte und sonstige Besserverdiener auch und die Einkommen der Hochvermögenden einen kräftigen Ruck nach oben), MÜSSEN die Mütter möglichst viel verdienen. Und um möglichst viel zu verdienen muss man in unserer so herrlich kapitalistischen Welt eben dem Arbeitgeber so gut und viel wie möglich dienen. Deswegen können sich Frauen nicht rund um die Uhr um ihre Kinder kümmern. Die Arbeitgeber wollen das nicht und die Frauen sind auf das Einkommen angewiesen, sonst ist die Familie arm und die Frauen sind dann eben arm bis ins Grab, wg. Minimalrente; siehe oben.
Mein Arbeitgeber hat daraus gelernt. Er hat dort wo bei uns die meisten Frauen mit Kindern arbeiten, eine Kinderkrippe hingestellt, in der die Kinder perfekt betreut und versorgt werden, während die Mütter in den Büsros sitzen und Geld und Rentenanwartschaften verdienen. Und dreimal dürfen Sie raten, wo in unserer Stadt die am besten ausgebildeten und motivierten Frauen arbeiten, denen ihre Arbeit richtig Spass macht und die gutes Geld dabei verdienen.